--> -->
03.10.2024 | (rsn) – Eine Woche ist vergangen, seit Muriel Furrer im WM-Straßenrennen der Juniorinnen in der Abfahrt durch die Schmalzgruebstrasse im Wald hinunter nach Küsnacht gestürzt ist und sich dabei ein so schweres Schädel-Hirn-Trauma zugezogen hat, dass sie am Tag darauf in der Universitätsklinik von Zürich verstarb. Eine Woche, in der nach und nach immer mehr Dinge ans Licht gekommen sind, die das Ausmaß der Katastrophe um die 18-jährige Schweizerin aufzeigen und klarmachen, dass man im Radsport einige Entwicklungsschritte verpasst hat.
Die Athleten-Sicherheit ist seit Jahren ein immer wieder diskutiertes Thema. Im Fall von Furrer stehen dabei – auch wenn Mainstream-Medien und Außenstehende zunächst nahezu reflexartig Fragen nach zu hohen Geschwindigkeiten und zu gefährlichen Streckenführungen aufwarfen – vor allem Zustände im Fokus, die das sonst bisher kaum taten, und umso mehr hinterfragt werden müssen.
Nachdem sich die UCI mit Sportdirektor Peter Van den Abeele sowie Präsident David Lappartient am Freitag und am Samstag sowie auch Olivier Senn als Leiter des Züricher Organisations Komitees auf Pressekonferenzen nicht zu Einzelheiten geäußert und auf die laufenden Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft verwiesen hatten, hat letztere zu Wochenbeginn das bestätigt, was seit Freitag in Zürich bereits kursierte:
Die 18-jährige Schweizerin lag nach ihrem Sturz in einer Linkskurve lange Zeit schwer verletzt und unentdeckt im Unterholz – mindestens 75 Minuten - und erst zweieinhalb Stunden nach dem Unfall landete der Rettungshelikopter an der Universitätsklinik.
Es ist schockierend, dass das überhaupt möglich ist: Eine Athletin verschwindet während eines Weltmeisterschaftsrennens und niemand weiß, wo sie ist. "Das kann in der Tat leider passieren – darf nicht, aber kann passieren", stellte Senn nun am Mittwoch auf einer weiteren Pressekonferenz fest. Für den Schweizer dabei besonders wichtig: Das darf zukünftig auf keinen Fall noch einmal passieren.
Man wolle nun bei der UCI "Druck machen, dass sich jetzt etwas bewegt", so Senn, der auch an die tödlichen Unfälle von Gino Mäder vor einem Jahr bei der Tour de Suisse sowie André Drege am 6. Juli diesen Jahres bei der Tour of Austria erinnerte. Beide stürzten ebenfalls in einer Abfahrt so weit von der Straße herunter, dass vorbeifahrende Kontrahenten und auch Begleitfahrzeuge sie zunächst nicht sehen konnten. Zwar dauerte es bei beiden nicht so lange, wie bei Furrer, bis sie gefunden wurden. Doch auch bei ihnen wäre das möglich gewesen.
Das Fatale ist: Bislang dachte man im Radsport rund um das Thema Sicherheit in erster Linie darüber nach, wie man Unfälle verhindert oder Sturzrisiken verringern kann. Diesbezüglich ist auch im Fall Furrer kaum etwas vorzuwerfen. Die Abfahrt nach Küsnacht war nicht außerordentlich schwierig oder gefährlich, der Asphalt gut. Furrer, die nur wenige Kilometer entfernt in Egg wohnte, kannte die Straße bestens und auch von anderen WM-Teilnehmern oder -Teilnehmerinnen hörte man vor Ort in Zürich keine Kritik an der Streckenführung – im Gegensatz zur im Einzelzeitfahren verwendeten Abfahrt übrigens, auf der glücklicherweise nichts passierte.
Doch die Verbesserung der Erstversorgung und von möglichen Rettungsmaßnahmen in extremen Notsituationen wurde trotz der alarmierenden Todesfälle von Mäder und Drege nicht konsequent angegangen. GPS-Tracker sind teilweise zwar an den Rennrädern angebracht, dienen aber eher zum Entertainment der Fans, nämlich als Informationsquelle für TV-Übertragungen, wie weit einzelne Gruppen im Rennen voneinander entfernt sind. Dasselbe gilt für Onboard-Kameras, die aufregende TV-Bilder produzieren sollen. Beides sind Technologien, die schon lange auch hätten genutzt werden können, um Stürze festzustellen und schnellere Hilfsmaßnahmen zu ermöglichen.
Hinzu kommt der Rennfunk, der bei Weltmeisterschaften grundsätzlich verboten ist und über dessen Abschaffung die UCI momentan grundsätzlich berät, weil Fahrer und Fahrerinnen von ihren Teamleitungen per Funk unter Stress gesetzt würden, damit sie sich an neuralgischen Streckenpunkten weit vorne aufhalten und sich daher Stürze häuften, weil alle nach vorne drängen.
Bei trotzdem geschehenen Stürzen allerdings ist der Funk eben vor allem eins: ein sehr wichtiges Hilfsmittel, um auf den Unfall hinzuweisen. Sieht ein Radprofi einen Kontrahenten von der Straße abkommen, greift er zum Funk und gibt die Info nach hinten weiter, so dass Begleitfahrzeuge nach dem Gestürzten schauen können. Nimmt man den Fahrern den Funk, so eliminiert man sie als wichtige Informationsquelle innerhalb des Rennens.
Wie der Schweizer Blick am Mittwoch berichtete, haben die 400 Meter vor der Unfallstelle aufgezeichneten Video-Aufnahmen eines Blick-Lesers geholfen, zwei Fahrerinnen zu identifizieren, die nur wenige Meter hinter Furrer in die Abfahrt in den Wald gestartet waren. Ihre Identität sowie Nationalität wurde nicht genannt, um sie vor Anfeindungen zu schützen. Allerdings bestätigte ein Sprecher des Verbands der einen Fahrerin dem Blick, dass sie mitbekam, wie Furrer von der Straße abkam, den Sturz an sich aber nicht gesehen habe. Man wollte den Behörden bei der Untersuchung des Falles helfen, hieß es. Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft am Montag mitgeteilt, dass bislang keine Zeuginnen oder Zeugen bekannt seien.
Dass Sportlerinnen oder Sportler im Rennen nicht anhalten, wenn die Konkurrenz stürzt, ist gerade Nachwuchsfahrerinnen oder Nachwuchsfahrern kaum vorzuwerfen. Ja, vielleicht sollte man auch das erwarten können, gerade bei kleineren, weniger professionellen Rennen. Aber in einem Groß-Event wie einer Weltmeisterschaft sollten sich Sportlerinnen und Sportler doch darauf verlassen können, dass der gestürzten Person von Begleitfahrzeugen, Ordnern oder anderen Offiziellen geholfen wird.
Mit Funk hätten rennfahrende Unfallzeugen die Chance, sicherzustellen, dass das passiert. Mit GPS-Trackern, idealerweise an der Rückennummer oder dem Helm angebracht, die ein Signal geben, wenn sie sich nicht mehr fortbewegen – sowohl elektronisch an die Jury, als auch vielleicht sogar akustisch vor Ort an der Unfallstelle – könnte man Stürze, die niemand gesehen hat, sehr schnell bemerken. Und wenn eine Onboard-Kamera nur noch den Himmel, den Boden oder ein Gebüsch filmt, sollte auch das im Ziel einer Video-Jury auffallen. All diese längst verfügbaren Technologien, die Hobby-Sportler teilweise schon nutzen, um sich abzusichern und ihre Familie daheim während des Trainings auf dem Laufenden zu halten, wo sie sind, waren in Zürich im Rennen der Juniorinnen nicht im Einsatz.
Was aber zum Einsatz kam, war die klassische Zeitmessung im Ziel beziehungsweise bei der ersten Zielpassage. Dort war Furrer eine von zwei Fahrerinnen, die keine Zwischenzeitmessung auslösten. Spätestens als nach 1:33:31 Stunden Rennzeit mit der Rumänin Elisa Natalia Mare die letzte Fahrerin vor dem Besenwagen dort vorbeikam, hätte das auffallen müssen – ziemlich genau eine halbe Stunde nach Furrers Sturz.
Ob sich die Zeitnehmer und die Jury dort sofort erkundigten, wo die 18-jährige Schweizerin ist, ist nicht bekannt. Allerdings wäre es wenig verwunderlich, wenn sie das nicht getan hätten. Denn auch wenn die UCI-Regularien vorschreiben, dass man sich beim Verlassen eines Rennens bei einem Kommissär oder dem Besenwagen abmelden muss und Zuwiderhandlung laut Strafenkatalog 200 Schweizer Franken Strafe mit sich zieht, so fahren viele Radprofis bei Eintagesrennen vorzeitig zum Mannschaftsbus, ohne vorher Bescheid zu sagen. Es darf also kaum wundern, wenn erfahrene Zeitnehmer und Kommissäre im Ziel nicht mehr stutzig werden, dass jemand fehlt. Zu oft passiert es, dass das auf nicht gemeldete Rennaufgaben zurückzuführen ist.
Das zeigt: Nicht nur von offizieller Seite, sondern auch aus dem Peloton selbst heraus muss ein Umdenken stattfinden und mehr Bewusstsein dafür geschaffen werden, wie wichtig so mancher Routine-Ablauf ist – auch wenn er für einen persönlich zunächst als irrelevant und lediglich nervig angesehen wird.
Niemand weiß, ob Muriel Furrer noch leben würde, wenn sie innerhalb weniger Minuten aus dem Wald von Küsnacht geborgen und ins Krankenhaus gebracht worden wäre. Und ja, auch moderne Technologien wie GPS-Tracker können mal versagen und eventuell für Fehlalarm sorgen.
Doch wenn der Hausnotrufdienst der Johanniter Unfall Hilfe, des ASB oder des Roten Kreuzes nachts ausrückt, weil bei einem 90-jährigen Kunden der Alarm angeschlagen hat, dann trifft er in den allermeisten Fällen auch nur einen alten Mann an, der vergessen hat, sich im Lauf des Tages zu melden und dann vor dem Fernseher eingeschlafen ist. Für die wenigen Ausnahmen, bei denen wirklich etwas passiert ist, kann das automatisierte Nachsehen aber lebensrettend sein.
Wenn also weiter Technologien, die im Fall eines Unfalls im Radrennen zu schnelleren Rettungsmaßnahmen führen können, bei den größten Radrennen der Welt nicht zum Einsatz kommen, ist das grob fahrlässig.
(rsn) – Sechs Wochen nach ihrem Tod ist der im Alter von 18 Jahren im WM-Straßenrennen der Juniorinnen bei den Weltmeisterschaften von Zürich verunglückten Muriel Furrer in einem Abschiedsgottesd
01.10.2024Staatsanwaltschaft bestätigt: Furrer “gewisse Zeit“ unentdeckt(rsn) – Erstmals haben sich die Kantonspolizei Zürich und die zuständige Staatsanwaltschaft zum tödlichen Unfall der Schweizerin Muriel Furrer geäußert. Die 18-Jährige hatte sich im WM-Straße
28.09.2024Lappartient: “Du fährst nicht Fahrrad, um zu sterben“(rsn) – Nach dem tragischen Unfall von Muriel Furrer im WM-Straßenrennen der Juniorinnen hat der Weltverband UCI in den Krisenmodus geschaltet. Die Informationen, die an die fragenden Journalistin
27.09.2024Nach dem Tod von Muriel Furrer: Staatsanwaltschaft ermittelt(rsn) – Nach dem tragischen Tod von Muriel Furrer im WM-Straßenrennen der Juniorinnen hat die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen zu den Umständen des folgenschweren Sturzes übernommen, bei dem s
27.09.2024Muriel Furrer nach schwerem Sturz in WM-Rennen verstorben(rsn) – Wie der Radsportweltverband UCI am Nachmittag mitteilte, ist Muriel Furrer ihren schweren Kopfverletzungen erlegen, die sich die 18-jährige Schweizerin am Donnerstag bei einem Sturz im WM-S
27.09.2024Weltmeisterschaften in der Schweiz werden fortgesetzt(rsn) – Der Zustand von Muriel Furrer bleibt nach ihrem schweren Unfall im Straßenrennen der Juniorinnen am Donnerstag weiter kritisch. Die UCI, Swiss Cycling und das lokale Organisationskomitee ha
26.09.2024Schweizerin Furrer nach Sturz in “sehr kritischem Zustand“(rsn) – Die Schweizerin Muriel Furrer ist im WM-Straßenrennen der Juniorinnen am Donnerstagvormittag schwer gestürzt und hat sich dabei "ernsthafte Kopfverletzungen" zugezogen. Das teilten die UCI
(rsn) – Auch bei seinem dritten Einsatz im Gelände hat Mathieu van der Poel (Fenix – Deceuninck) keinen Zweifel an seiner Hegemonie aufkommen lassen. Der Weltmeister aus den Niederlanden dominier
26.12.2024Auch in der Abschiedssaison mehr als eine erstklassige Helferin(rsn) - Den Großteil ihrer Profikarriere verbrachte Christine Majerus im niederländischen Team SD Worx – Protime. Ihr langjähriger Team-Manager Danny Stam bezeichnet die Luxemburgerin als eine To
26.12.2024Laufstarke van Empel beim Weltcup in Gavere ganz vorn(rsn) – Die Niederländerin Fem van Empel (Visma – Lease a Bike) hat erstmals in ihrer Karriere den Weltcup in Gavere gewonnen. In der zweiten Runde lief die Weltmeisterin im längsten Anstieg all
26.12.2024Wie wird man dreifacher Madison-Weltmeister?(rsn) – Roger Kluge gewann im Herbst im stolzen Radsportalter von 38 Jahren zum dritten Mal WM-Gold im Madison. Auf dem Weg dorthin hat Sebastian Paddags den gebürtigen Eisenhüttenstädter begleit
26.12.2024Ehemaliger Festina-Profi Hervé an Heiligabend verstorben(rsn) – Der ehemalige Festina-Profi Pascal Hervé ist am 24. Dezember im Alter von 60 Jahren gestorben. Das berichtete das Radsportportal directvelo.com. Der Franzose hatte sich im Sommer wegen eine
26.12.2024Im neuen Trikot den Durchbruch geschafft und Siege gefeiert(rsn) – Mit seinem Wechsel von dsm – firmenich zu Tudor Pro Cycling hat Marco Brenner im vergangenen Winter nicht nur einen für ihn auf persönlicher Ebene wichtigen Schritt gemacht, sondern auch
26.12.2024Die Radsport-News-Jahresrangliste der Frauen 2024(rsn) - Wie bei den Männern so blicken wir traditionell am Jahresende auch auf die Saison der Frauen zurück und stellen die besten 15 Fahrerinnen unserer Jahresrangliste vor. Wir haben alle UCI-Ren
26.12.2024Die Radsport-News-Jahresrangliste der Männer 2024(rsn) - Auch diesmal starten wir am 1. November mit unserer Jahresrangliste. Wir haben alle UCI-Rennen der vergangenen zwölf Monate (1. November 2023 bis 31. Oktober 2024) ausgewertet - nach unserem
25.12.2024Im Überblick: Die Transfers der Männer-Profiteams für 2025(rsn) – Nachdem zahlreiche Transfergerüchte seit Monaten in der Radsportwelt zirkulieren, dürfen die Profimannschaften seit dem 1. August ihre Zu- und Abgänge offiziell bekanntgeben. Radsport
25.12.2024Zwei kräftezehrende Grand Tours haben etwas bewirkt(rsn) – Nach seinem Etappensieg und Platz acht in der Gesamtwertung der Tour de France 2023 war Felix Gall (Decathlon – AG2R La Mondiale) mit großen Erwartungen in die Saison 2024 gestartet, in
25.12.2024Alles offen nach einer erfolgreichen Saison(rsn) - Das Resümee ihrer ersten vollständigen Profi-Saison dürfte durchweg positiv für die Schweizerin Elena Hartmann vom Team Roland ausgefallen sein. Erst vor zwei Jahren gelang der inzwischen
25.12.2024Traum erfüllt und doch unzufrieden(rsn) – Es gibt durchaus einfachere Aufgaben als die Saison 2024 von Pascal Ackermann zu bewerten. Auch er selbst ist da ein wenig zwiegespalten. Schließlich hat er es mit dreißigeinhalb Jahren en