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27.02.2022 | (rsn) – In einem nervenaufreibenden Finale hat sich Fabio Jakobsen (Quick-Step Alpha Vinyl) den Sieg bei der 74. Austragung von Kuurne-Brüssel-Kuurne gesichert. Mit einer halben Radlänge Vorsprung auf Caleb Ewan (Lotto Soudal) gewann der Niederländer sein fünftes Rennen in dieser Saison. Dritter wurde Hugo Hofstetter (Arkea – Samsic) vor seinem Teamkollegen Dan McLay und Giacomo Nizzolo (Israel – Premier Tech).
Am Samstag erlebte Quick-Step Alpha Vinyl beim Omloop het Nieuwsblad ein mittelschweres Debakel. ”Das kann passieren, aber eigentlich darf es das nicht. Vor allem nicht bei uns. Darum haben wir von Patrick Lefevere eine strenge Predigt bekommen”, erzählte Jakobsen vor dem Start in Kuurne. Nach der Zielankunft in der gleichen Stadt hatte sich die Stimmung bei den Belgiern deutlich verbessert.
Erst auf den letzten 70 Metern wurden drei Ausreißer vom sprintenden Feld gestellt. “Man muss sowieso versuchen um den Sieg zu sprinten. Wenn sie nicht eingeholt werden, kann man auch noch die Top 10 erreichen – und das ist auch nicht schlecht“, befand Jakobsen, der einen schweren Tag erfolgreich abschloss. “Es war nicht leicht, auf den letzten hundert Kilometern war das Tempo immer sehr hoch“, so der Sprinter.
Da seine gesamte Mannschaft sich bei der Verfolgungsjagd aufgerieben hatte, konnte niemand für Jakobsen den Sprint anziehen. “Ich habe die drei Jungs vor mir als Leadout benutzt. Ich bin 300 Meter vor dem Ziel losgesprintet und wollte dann sehen, ob ich es bis zum Ziel durchhalte“, beschrieb er seinen Spurt, bei dem er den Windschatten der Ausreißer benutzte. “Ich fühlte, dass Ewan links aufkam, aber mit meinem Jump habe ich es geschafft“, fügte er an.
Nach dem Sieg erinnerte er sich an seinen schweren Sturz bei der Polen-Rundfahrt und die Periode danach. “Nach Regen kommt Sonnenschein. Es war nicht leicht für meine Familie und mich. Jetzt bei Kuurne-Brüssel-Kuurne zu gewinnen ist aber toll“, freute er sich. Doch auch die derzeitige politische Situation in Europa wollte der 25-Jährige nicht unkommentiert lassen: “Wenn ich jetzt vom Rad steige, denke ich auch sofort an die Ukraine. Wir können hier frei sein und Fahrrad fahren, während dort Krieg herrscht.“
Eine halbe Radlänge zu spät kam Ewan. “In der letzten Kurve war ich etwas zu weit hinten. Ich hatte Glück rechts überhaupt noch vorbeizukommen, aber ich hatte nicht die Beine, um Fabio zu schlagen“, gab der Australier zu. Obwohl sowohl er als auch Jakobsen zu den absoluten Sprintstars gehören, haben sich die beiden schnellen Männer seit der Türkei-Rundfahrt im April 2019 nicht mehr duelliert. “Ich glaube wir haben hier zum ersten Mal seit drei Jahren gegeneinander gesprintet. Ich freue mich für ihn, er ist ein toller Typ und ich kann nichts Schlechtes über ihn sagen“, so Ewan.
Bester Deutscher wurde Phil Bauhaus (Bahrain Victorious), der als 13. zwar die Hügel gut überstanden hatte, im Sprint aber nicht zum Zug kam. Seine Mannschaft hatte lang für ihn gearbeitet und der 27-Jährige schlug beim Überqueren der Ziellinie dementsprechend wütend auf seinen Lenker. Bester Fahrer für das wie am Vortag blasse Bora - hansgrohe war Jonas Koch auf Position 27.
So lief das Rennen:
Nachdem Luis Mas (Movistar) dem Feld nach zehn Kilometern enteilt war, schloss am Tiegemberg, der ersten Schwierigkeit des Tages, ein starkes Sextett zu ihm auf. Taco van der Hoorn (Intermarché – Wanty – Gobert), Luke Durbridge (BikeExchange – Jayco), Wessel Krul (Human Powered Health), Arjen Livyns, Bas Tietema (beide Bingoal – Pauwels Sauzen) und Jules Hesters (Sport Vlaanderen – Baloise) erreichten gemeinsam mit dem Spanier einen Maximalvorsprung von 2:30 Minuten.
Die zwei Teamkollegen Julius van den Berg und Ben Healy (EF Education – EasyPost) überbrückten 100 Kilometer vor dem Ziel den Rückstand zur Spitzengruppe, aus der kurz danach Tietema und Krul zurückfielen. Zehn Kilometer später ging es auch für den Bahnspezialisten Hesters zu schnell.
Nach einer Tempoverschärfung von Tom Pidcock (Ineos Grenadiers) am Mont Saint-Laurent teilte sich das Peloton 80 Kilometer vor dem Ziel in zwei ungefähr gleichgroße Gruppen. Zeitgleich fiel Healy, der bereits beim Omloop in der Gruppe des Tages war, wieder ins Feld zurück, wodurch ein Quintett mit rund einer Minute Vorsprung an der Spitze blieb.
Am Kruisberg, dem nächsten Anstieg im Rennen, musste auch van den Berg seine Weggefährten ziehen lassen. Der Sprung nach vorn hatte das EF Education-Duo deutlich zu viele Körner gekostet. Ineos, das ohne namhaften Sprinter angetreten war, hielt das Tempo bergauf weiter sehr hoch. Am Hotondberg blies Kasper Asgreen (Quick-Step Alpha Vinyl) von vorn zum Angriff. Als Stefan Küng (Groupama – FDJ) die Tempoverschärfung weiterführte, gab es mehrere Risse im Feld, die in der folgenden Abfahrt allerdings größtenteils gekittet wurden.
62 Kilometer vor dem Ziel wurden am Knokteberg auch die letzten Ausreißer eingeholt. Nach vorbereitender Arbeit von Nathan van Hooydonck (Jumbo – Visma) griff dessen Teamkollege Tiesj Benoot an. Der Belgier setzte sich allein ab. Verfolgt wurde er von 17 Fahrern mit van der Hoorn, Livyns und Durbridge, die Benoot 58 Kilometer vor Rennende stellten.
20 Kilometer später teilte sich die große Ausreißergruppe nach einer Attacke von Matteo Trentin (UAE Team Emirates), wobei unter anderem Pidcock und Benoot zurückblieben. Die verbliebene Spitzengruppe baute den von 55 Sekunden auf 15 Sekunden gesunkenen Rückstand 20 Kilometer vor dem Ziel wieder auf 30 Sekunden aus. Dann aber geriet bei den Ausreißern Sand ins Getriebe und das Peloton kehrte 18 Kilometer vor dem Ziel in den Straßen von Kuurne mit vereinten Kräften zu fast allen enteilten Fahrern zurück.
Van der Hoorn, Christophe Laporte (Jumbo – Visma) und Jhonatan Narvaez (Ineos Grenadiers), die der Einholung durch das Feld im letzten Moment entronnen waren, leisteten erbitterten Widerstand. Quick-Step Alpha Vinyl bekam die letzten neun Sekunden zu den Ausreißern nicht geschlossen. Fahrer um Fahrer fiel zurück, aber zwei Kilometer vor dem Ziel betrug der Abstand noch immer neun Sekunden.
Den letzten Kilometer nahm das Trio mit acht Sekunden Vorsprung an Angriff. Trek - Segafredo übernahm unter dem Roten Lappen das Kommando und verkürzte den Abstand. Mit einem unorganisierten Spurt wurden die Ausreißer einige Meter vor dem Ziel eingeholt. Jakobsen gewann nach einem Fotofinish vor Ewan. Laporte und van der Hoorn, der schon der Gruppe des Tages angehört hatte, erreichten das Ziel noch in den Top 10.