Tour-Fahrer forderten Acht-Kilometer-Regel

Hätte eine frühere Zeitnahme das späte Chaos verhindert?

Von Joachim Logisch aus Pontivy

Foto zu dem Text "Hätte eine frühere Zeitnahme das späte Chaos verhindert?"
Caleb Ewan und Peter Sagan werden nach ihren Stürzen behandelt | Foto: Cor Vos

28.06.2021  |  (rsn) - Einige Profis ahnten vor dem Start der 3. Etappe der 108. Tour de France, dass es am Ende in den engen und winkligen Straßen der Bretagne vor Pontivy gefährlich werden würde. "Bei dieser Strecke war die Hektik zu erwarten. Deshalb forderten die Fahrer die Rennjury auf, die Zeiterfassung acht Kilometer vor dem Ziel durchzuführen, damit sich die Klassementfahrer wenigstens aus dem Trubel heraushalten konnten. Darauf gab es leider nie eine Antwort. Unverständlich, wenn Sie mich fragen", bestätigte Tim Declercq (Deceuninck – Quick-Step) gegenüber Wielerflits. So nahm das Chaos seinen Lauf.

Auch Mathieu van der Poel (Alpecin - Fenix), der sich aus den Stürzen raushalten konnte und sein Gelbes Trikot verteidigte, fand: "Die Zeit acht Kilometer vor dem Ziel zu nehmen, war keine schlechte Idee. Es war eine sehr schnelle und technische Strecke hin zum Ziel, da gibt es immer Probleme, wenn Sprinter und Klassementfahrer miteinander kämpfen. Es ist natürlich eine schwere Entscheidung, weil es auch nicht okay ist, wenn Fahrer die letzten acht Kilometer gar nichts machen müssen. Aber heute hätte ich das verstanden. Das hätte vielen Fahrern eine Menge Ärger erspart", sagte der Niederländer.

Den "Ärger" handelten sich an diesem Tag besonders die Topstars der Szene ein. Als erster knallte Geraint Thomas (Ineos Grenadiers) bereits nach rund 30 Kilometern aus noch nicht bekannten Gründen aufs Pflaster. Der Toursieger von 2018 kugelte sich die rechte Schulter aus. Thomas fuhr weiter, wurde nach dem Zieleinlauf aber zur radiologischen Untersuchung ins Krankenhaus gebracht, wo zu seinem Glück keine Brüche festgestellt wurden. Mit ihm fiel der Niederländer Robert Gesink (Jumbo-Visma), der mit Verdacht auf Schlüsselbeinbruch aus dem Rennen genommen werden musste.

Das war nur der Anfang eines weiteren Tages, der von Stürzen dominiert wurde. Zehn Kilometer vor Schluss wurde Primoz Roglic (Jumbo - Visma) plötzlich auf der rechten Seite aus dem Peloton auf die Straße geschleudert. Der Vizeweltmeister von 2020 schürfte sich die  linke Seite auf und prellte sich das Steißbein. Sein Teamkollege Steven Kruijswijk zog sich bei dem Sturz eine tiefe Fleischwunde am Finger zu, die später genäht wurde.

Greipel: "Mir fehlen echt die Worte"

In einer wilden Verfolgungsjagd versuchten die beiden mit Hilfe ihrer Teamkollegen wieder den Anschluss zu schaffen. Dabei wurde die Jumbo-Visma-Trupp 3,9 Kilometer vor Schluss von einem weiteren Massensturz in einer bergab führenden Linkskurve aufgehalten, bei dem es Jack Haig (Bahrain Victorios) am schlimmsten erwischte.

Der Australier zog sich dabei eine Gehirnerschütterung und einen Bruch des rechten Schlüsselbeins zu. Glimpflicher kam Simon Clarke (Qhubeka - Nexthash), davon, bei dem nach dem Zieleinlauf im Sanitäts-Truck "nur" Prellungen des unteren Rückens diagnostiziert wurden. Auch Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) war betroffen. Der Slowene stürzte zwar nicht, wurde aber wie Landsmann Roglic und viele andere von den auf der Straße liegenden Kollegen aufgehalten und verlor wertvolle Zeit.

Schließlich räumte Caleb Ewan (Lotto Soudal) 250 Meter vor dem Ziel im Kampf um die beste Sprintposition Peter Sagan (Bora – hansgrohe) unabsichtlich von der Straße. Der Slowake konnte die letzten Meter bis zur Ziellinie weiterfahren, für Ewan war die Tour wegen eines Schlüsselbeinbruchs beendet.

Dieser letzte Unfall hätte durch eine bessere Streckenführung und die geforderte Acht-Kilometer-Regel nicht verhindert werden können. Die anderen vielleicht schon. André Greipel (Israel Start-Up Nation) fasste gegenüber der ARD die Meinung der wohl meisten Profis zusammen: "Wer auch immer dieses Finale designt hat, sollte mal probieren, mit 180 Fahrern um den Etappensieg zu fahren. Mir fehlen echt die Worte. Man muss ich wirklich fragen, wo diese Sicherheitskommissäre sind."

Mehr Informationen zu diesem Thema

09.12.2021Frau mit “Allez Opi – Omi“-Schild zu einer Geldstrafe verurteilt

(rsn) - Zu einer Geldstrafe von 1200 Euro wurde die Zuschauerin verurteilt, die mit dem Schild "Allez Opi – Omi" bei der vergangenen Tour de France einen Massensturz verursacht hatte. Ein Gericht in

13.10.2021Verursacherin des Tour-Massensturzes vor Gericht

(rsn) – Während am Donnerstag in Paris die Strecke der Tour de France 2022 vorgestellt wird, beginnt in Brest der Strafprozess gegen die junge Frau, die auf der 1. Etappe der diesjährigen Frankrei

23.07.2021Zimmermann kämpfte sich mit Kahnbeinfraktur durch die Tour

(rsn) - Georg Zimmermann (Intermarché - Wanty - Gobert) ist seine erste Tour de France mit einem Kahnbeinbruch zu Ende gefahren, den er sich bereits bei einem Sturz auf der 1. Etappe zugezogen hatte.

21.07.2021Verstärkt Soler ab 2022 die Helferriege von Tour-Sieger Pogacar?

(rsn) - Nach seinem Sturz zum Auftakt der Tour de France, bei dem er sich Frakturen in beiden Ellbogen zuzog, erholt sich Marc Soler nur langsam von den Folgen. “Ich trainiere schon seiteiniger Zeit

21.07.2021Highlight-Video der 108. Tour de France

(rsn) - Vom Grand Départ am 26. Juni in Brest bis zum großen Finale am 18. Juli auf den Champs Élysées: Das Highlight-Video zur 108. Tour de France liefert einen Rückblick auf die 21 Etappen des

20.07.2021Pogacar und UAE Team Emirates auch in Geldranglisten vorn

(rsn) - Tadej Pogacar und sein UAE Team Emirates sind die Großverdiener der 108. Tour de France. Nach seinen Galavorstellungen vor allem in der letzten der drei Wochen kommt der Titelverteidiger auf

19.07.2021Martinez mit Corona infiziert: Olympiastart abgesagt

(rsn) – Wie das kolumbianische Portal Mundo Ciclístico berichtet, hat sich Daniel Martinez mit dem Coronavirus infiziert und wird deshalb nicht wie vorgesehen am Olympischen Straßenrennen am 24.

19.07.2021Krebs, Herzprobleme: Brailsford denkt an Rücktritt

(rsn) – Dave Brailsford, Gründer und Team-Manager von Ineos Grenadiers, hat in einem Interview mit der Tageszeitung The Guardian erklärt, dass ihn massive gesundheitliche Probleme zum Rücktritt

19.07.2021Konrad: “Wir haben zwei von drei Zielen erreicht“

(rsn) – Zum dritten Mal stand Patrick Konrad (Bora – hansgrohe) am Start der Tour de France. Mit seinem grandios herausgefahrenen Sieg auf der 16. Etappe von El Pas de la Casa nach Saint-Gaudens s

19.07.2021Cavendish verpasst alleinigen Rekord und ist dennoch glücklich

(rsn) - Obwohl sein Team Deceuninck - Quick-Step nochmals alles gab, konnte Mark Cavendish eine bis dahin für ihn perfekt verlaufene Tour de France nicht mit dem fünften Etappensieg krönen. Nachdem

19.07.2021Politt jubelte, Rutsch überraschte, Buchmann half

(rsn) - Nach der 108. Tour de France ziehen wir Bilanz von den Vorstellungen der insgesamt zwölf deutschen Starter, von denen nach drei schweren Wochen acht in Paris das Ziel auf den Champs Élysée

19.07.2021Auf den Champs Élysées pokerte Greipel etwas zu lange

(rsn) - In den Jahren 2015 und 2016 holte sich André Greipel zum Abschluss der Tour de France auf den Champs Élysées den jeweils letzten Etappensieg, 2017 musste er sich nur Dylan Groenewegen gesch

Weitere Radsportnachrichten

14.11.2024Bardet: “Sinnlos, an ethischen Radsport zu glauben“

(rsn) - Es war ein durchaus ungewöhnlicher Zeitpunkt, als Romain Bardet im Sommer, kurz vor der Tour de France, sein Karriereende ankündigte. Mindestens genauso ungewöhnlich ist das Rennen, das sei

14.11.2024Quintana beendet Spekulationen, Bonnamour gibt Kampf gegen Dopingsperre auf

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

14.11.2024Rhodos-Prolog-Experte mit Sturzpech im stärksten Rennen

(rsn) – Seine elfte Saison auf KT-Niveau ragt zwar nicht als seine beste heraus, dennoch zeigte Lukas Meiler (Team Vorarlberg) auch 2024, was er drauf hat. Seine beste Platzierung gelang ihm dabei

14.11.2024Die Radsport-News-Jahresrangliste 2024

(rsn) - Auch diesmal starten wir am 1. November mit unserer Jahresrangliste. Wir haben alle UCI-Rennen der vergangenen zwölf Monate (1. November 2023 bis 31. Oktober 2024) ausgewertet - nach unserem

14.11.2024Schädlich übernimmt die deutschen Ausdauer-Spezialisten

(rsn) – Der Bund Deutscher Radfahrer hat einen neuen Nationaltrainer auf der Bahn für den Bereich Ausdauer. Lucas Schädlich, der seit 2019 die deutschen Juniorinnen unter seinen Fittichen hatte, Ã

14.11.2024Im Überblick: Die Transfers der Männer-Profiteams für 2025

(rsn) – Nachdem zahlreiche Transfergerüchte seit Monaten in der Radsportwelt zirkulieren, dürfen die Profimannschaften seit dem 1. August ihre Zu- und Abgänge offiziell bekanntgeben. Radsport

14.11.2024Schär wird Schweizer Nationaltrainer

(rsn) – Marc Hirschi, Stefan Küng und Co. haben einen neuen Nationaltrainer. Michael Schär wird mit Jahresbeginn 2025 die Verantwortung für die Schweizer Männer in den Bereichen Elite und U23 ü

14.11.2024Lotto Kern - Haus wird Development-Team von Ineos Grenadiers

(rsn) – In den vergangenen beiden Jahren war das deutsche Kontinental-Team Lotto Kern - Haus PSD Bank sogenannter Development-Partner von Red Bull – Bora – hansgrohe. Ab der kommenden Saison wi

14.11.2024Meisen kündigt baldiges Karriereende an

(rsn) – “Spätestens im Januar ist Schluss“, kündigte Marcel Meisen (Stevens) gegenüber RSN an. Der 35-Jährige ist in seine letzte Cross-Saison gestartet und will diese nicht mehr ganz zu End

14.11.2024Traumszenario mit kurzem Anfangsschock

(rsn) – Unverhofft kommt oft – dieser Spruch traf in dieser Saison auch auf Meo Amann zu. Mit dem Elite-Team Embrace The World in die Saison gestartet, bewarb er sich im Sommer auf einen Platz bei

13.11.2024Auch ein kurioser erster UCI-Sieg reichte nicht zum Profivertrag

(rsn) – Auch wenn er in dieser Saison seinen ersten UCI-Sieg einfahren konnte, so gelang Roman Duckert (Storck – Metropol) am Ende seiner U23-Zeit nicht der Sprung in ein Profiteam. Deshalb wird e

13.11.2024Ein Jahr geprägt von Stürzen und viel Unglück

(rsn) – Eigentlich wollte Mikà Heming (Tudor Pro Cycling) 2024 so richtig durchstarten. Die Klassikerkampagne in Belgien hatte er sich als erstes Saisonhighlight gesetzt, doch diese endete für den

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine