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25.06.2021 | (rsn) – Am heutigen Samstag, den 26. Juni, beginnt in Brest die 108. Tour de France. Im Gegensatz zu den letzten Jahren gaben die klassischen Vorbereitungsrennen nur bedingt Aufschluss über den Formzustand der Anwärter auf die Gesamtwertung, denn die beiden Top-Favoriten Tadej Pogacar (UAE Emirates) und Primoz Roglic (Jumbo – Visma) traten nicht zum Critérium du Dauphiné oder der Tour de Suisse an. Jetzt findet ihr Versteckspielen ein Ende!
Im Gegensatz zu ihnen bewies Ineos Grenadiers beim Critérium mit zwei Fahrern auf dem Podium und dem Tour de Suisse-Gesamtsieg von Richard Carapaz, dass die Fahrer voll im Plan liegen. Vorjahressieger Pogacar wählte seine Heimatrundfahrt als Vorbereitung. Mit einer dominanten Vorstellung sicherte er sich dort eine Etappe und die Gesamtwertung – allerdings ohne dabei von Weltklassekonkurrenz gefordert zu werden. Bei den nationalen Meisterschaften reichte es nur zu Platz drei im Zeitfahren und Platz fünf im Straßenrennen. Insgesamt kann man aber wohl davon ausgehen, dass der 22-Jährige im Soll ist.
"Es war eine ziemlich anstrengende Vorbereitung", urteilte der Slowene, der auch im Höhentrainingslager in Sestrière war, alle Bergetappen abgefahren ist und zwischendurch noch viele Sponsorenverpflichtungen hatte. Der Titelverteidiger will von Beginn an hellwach sein. "Die erste Woche ist nervöser als letztes Jahr. Vor allem auf den ersten beiden Etappen sind die Ankünfte schwer", blickte er voraus.
Undeutlicher ist die Lage bei Roglic. Der Slowene hat sein letztes Rennen im April bei Lüttich-Bastogne-Lüttich bestritten. Nach der sensationellen Wende im Zeitfahren nach La Planche des Belles Filles im letzten Jahr will der 31-Jährige jetzt Revanche für seine Niederlage nehmen. In seiner Abwesenheit schwächelte seine 2020 so überragende Mannschaft allerdings etwas. Wout van Aert war durch eine Blinddarm-Operation lange außer Gefecht, Steven Kruijswijk ist bereits das ganze Jahr auf der Suche nach seiner besten Bergform und Sepp Kuss wechselt gute mit schlechten Tagen ab. Bei den 'Killer Wasps' gibt es mehr Unsicherheiten als letzte Saison.
Bei Ineos Grenadiers startet man mit vielen Häuptlingen ins Rennen. Mit Geraint Thomas, Richard Carapaz und Tao Geoghegan Hart haben die Briten gleich drei Grand-Tour-Sieger in der Aufstellung. Hinzu kommt mit Richie Porte der Sieger des Critérium du Dauphiné und letztjährige Tour-Dritte hinter Pogacar und Roglic. Der Australier ließ aber bereits durchblicken, dass er seinen Platz kenne und in Frankreich vor allem als Helfer agieren werde. Die gleiche Rolle scheint auch für Geoghegan Hart vorbestimmt zu sein. Die beiden nominellen Kapitäne sollten also Thomas und Carapaz sein. Im Mann-gegen-Mann Duell sind die slowenischen Favoriten wohl stärker einzuschätzen, aber die stärkste Mannschaft stellt zweifelsfrei Ineos.
Die Außenseiter
Neben Ineos stellt auch Movistar eine hochkarätige Truppe an den Start. Miguel Angel Lopez machte nach seinem späten Einstieg in die Saison zuletzt am Berg einen sehr guten Eindruck. Er muss sich die Kapitänsrolle mit Enric Mas teilen. Der Spanier konnte bei der Dauphiné als Fünfter nicht unbedingt überzeugen, als Vorjahresfünfter der Tour und der Vuelta hat er aber bewiesen, dass man bei Grand Tours immer mit ihm rechnen kann. Marc Soler musste den Giro d’Italia verlassen und wird nun wohl als Helfer in Frankreich dabei sein. Vierter Mann im Bunde ist Alejandro Valverde. Der Vuelta-Sieger von 2009 denkt wie Soler ebenfalls nicht ans Klassement. Bei der Dauphiné hat er aber bereits gezeigt, dass er als Leutnant einen echten Mehrwert hat. Auch in Ausreißergruppen wird der 41-Jährige eine echte Gefahr darstellen.
Neben Valverde sind mit Nairo Quintana (Arkea - Samsic), Vincenzo Nibali (Trek – Segafredo) und Simon Yates (BikeExchange) noch drei weitere Grand-Tour-Sieger vergangener Tage im Rennen. Von ihnen wird in Bezug auf die Gesamtwertung aus verschiedenen Gründen aber auch wenig zu erwarten sein. Quintana selbst äußerte sich deutlich: "Wir setzen nicht aufs Klassement. Das ist für mich eine ungewohnte Situation, aber mein Ziel ist es, Etappensiege herauszufahren." Yates schlug in die gleiche Kerbe. "Ich habe absolut keine Klassementsambitionen, ich will nur Etappen gewinnen. Es ist schwer, sowohl im Giro als auch in der Tour auf Gesamtwertung zu fahren", gab er zu Protokoll.
Die deutschen Teams
Aus deutscher Sicht ruhen die Hoffnungen in den Bergen vor allem auf Emanuel Buchmann (Bora – hansgrohe). Der Tour-Vierte von 2019 erreichte allerdings seit jener Frankreich-Rundfahrt in keinem Etappenrennen die Top 10 in der Endabrechnung. Die Gesamtwertung soll nicht unbedingt das Ziel sein, denn der 28-Jährige ist in erster Linie Edelhelfer für den Niederländer Wilco Kelderman. Dazu bekommt er Freiheiten für die Etappenjagd. Dasselbe, wie für Buchmann, gilt beim deutschen WorldTeam auch für den Österreichischen Meister Patrick Konrad.
Auch bei der zweiten deutschen Equipe setzt man vor allem auf Ausländer. Von den acht Deutschen im Kader hat es nur Jasha Sütterlin ins DSM-Touraufgebot geschafft. Einen echten Mann für das Klassement nimmt die Equipe nicht mit, denn die vollständige Wandlung von Tiesj Benoot vom Klassikerfahrer zum Rundfahrer soll erst 2022 abgeschlossen sein. Wie in der äußerst erfolgreichen Edition des letzten Jahres, wird DSM auch heuer vor allem auf Etappenjagd gehen. Mit Sören Kragh Andersen hat man den zweifachen Etappensieger der letzten Austragung wieder im Aufgebot.
Die Sprinter
Bei den Sprintern ging es in den letzten Tagen vor allem um die, die nicht bei der Grande Boucle antreten werden. Pascal Ackermann (Bora – hansgrohe) wurde von seinem Team zu Gunsten des siebenfachen Gewinners des Grünen Trikots, Peter Sagan, ausgebootet. Sam Bennett (Deceuninck – Quick-Step) muss aufgrund einer Knieverletzung passen. Er wird durch den dreißigfachen Tour-de-France-Etappensieger Mark Cavendish ersetzt. “Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass es keine Überraschung war“, freute sich der 36-Jährige.
Wie beim Giro d’Italia werden Caleb Ewan (Lotto Soudal) und Tim Merlier (Alpecin – Fenix) die Degen kreuzen. Zusammen gewannen sie in Italien drei Etappen im Spurt. Als heißester neuer Konkurrent im Vergleich zum Giro stößt Arnaud Démare (Groupama – FDJ) zu den Favoriten mit den schnellen Beinen hinzu. Die deutschen Hoffnungen ruhen vor allem auf André Greipel (Israel Start-Up Nation). Der 38-Jährige jagt bei seiner elften Tourteilnahme seinen zwölften Etappensieg.
Auf den mittelschweren Etappen werden vor allem Mathieu van der Poel (Alpecin – Fenix) und van Aert (Jumbo – Visma) zu beachten sein. Der neue Belgische Meister gewann letztes Jahr zwei dieser Etappen und trotz der holprigen Vorbereitung, muss man wohl doch wieder mit ihm rechnen. Ein erklärtes Ziel ist das zwischenzeitliche Tragen des Gelbes Trikots. "Logisch, denn die ersten beiden Etappen sind mir auf den Leib geschneidert. Und wenn es dann nicht klappt, habe ich beim Zeitfahren noch eine Chance", befand er.
Van der Poel wird in Brest sein Grand-Tour-Debüt geben. Sein Auftritt bei der Niederländischen Meisterschaft war wenig vielversprechend. "Das hat nichts zu sagen. Ein schlechter Tag kann immer mal dabei sein. Es wäre natürlich leicht, wenn ich nur gute Tage hätte. Aber ich mache mir keine Sorgen, die gute Form kann nicht plötzlich weg sein", relativierte der 26-Jährige. Im Gegensatz zu seinem belgischen Widersacher hat sich van der Poel kaum mit dem Kurs beschäftigt. "Ich habe mit den Parcours noch nicht angesehen, das werde ich machen, wenn ich ein Roadbook bekomme", lachte er.
Wie lange er überhaupt dabei sein wird, ist noch undeutlich. Denn viel wichtiger als die Tour de France sind dem vierfachen Cross-Weltmeister die Olympischen Spiele in Tokio, bei denen er mit dem Mountainbike Gold gewinnen möchte. Die hügeligen Etappen hat sich auch Julian Alaphilippe vorgemerkt.
Die Etappen
Gleich zum Auftakt werden van der Poel, van Aert und Alaphilippe zwei Mal gefordert. Denn die 1. und die 2. Etappe enden oin einer steilen Rampe. Für die reinen Sprinter wird dort nichts zu holen sein. Am dritten und vierten Tag geht es auf flachem Gelände durch die Bretagne, hier darf jeweils ein echter Sprint Royal erwartet werden. Falls dies auf den ersten beiden Teilstücken nicht geschieht, wird beim topfebenen Zeitfahren in der Mayenne zum ersten Mal Klassement gemacht. Auf 27,2 Kilometern müssen die Favoriten die Karten auf den Tisch legen. Nach einer erneuten Chance für die Sprinter begibt sich das Feld auf der 7. Etappe wieder auf hügliges Terrain. Im Gegensatz zum Beginn der Rundfahrt liegt das Ziel in Le Creusot allerdings in der Ebene.
Die Alpen
Das achte Teilstück führt über drei Anstiege der 1. Kategorie und endet nach der Abfahrt des Col de la Colombière in Le Grand-Bornand. Auf dem zweiten Ritt durch die Alpen wird zur Rennhälfte mit dem Col de Pré der erste Berg der Hors Categorie überfahren. Diese 9. Etappe endet in Tignes nach einem 20,8 Kilometer langen aber nur mäßig steilen Schlussanstieg.
Von Albertville aus geht es nach dem ersten Ruhetag weitestgehend flach nach Valence, wo die Sprinter erneut zum Zuge kommen könnten. Nach der relativen Ruhe kommt es auf der 11. Etappe ganz dick, die Strecke führt zweimal über den Mont Ventoux. Der Gigant der Provence muss auch zweimal als Abfahrt absolviert werden, denn das Ziel liegt im Tal in Malaucène.
Die Pyrenäen
Auf die nächsten beiden Teilstücke nach Nimes und Carcasonne dürfen sich die Sprinter freuen, bevor sich die Ausreißer auf der 14., 15. und 16. Etappe echte Chancen ausrechnen können. Im zweiten Teil dieses Bergtrios wartet mit dem Port d’Envalira auf 2406 Meter Höhe das Dach dieser Tour auf die Fahrer.
Auf dem nächsten Pyrenäenritt stellen sich den Fahrern dann zwei Berge der 1. Kategorie in den Weg, bevor es sogar noch auf den Col du Portet geht, einen Anstieg der Hors Categorie. Die 18. Etappe führt über den Tourmalet (HC) und endet in Luz Ardiden (HC).
Die letzten drei Etappen sind größtenteils flach. Auf dem 19. Teilstück nach Libourne liegen im Finale zwar noch einige Wellen, die sollten den Sprintern aber kaum Furcht einflößen. Am vorletzten Tag wird die Tour de France endgültig entschieden. Auf den 30,8 Zeitfahr-Kilometern zwischen Libourne und Saint-Émilion wir zum letzten Mal um Sekunden gekämpft, bevor das Peloton am 18. Juli über die Champs-Élysées flanieren und den letzten Sprint Royale austragen wird.
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