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07.05.2020 | (rsn) - Auch der nimmermüde Ex-Profi Jens Voigt ist durch die Corona-Pandemie ausgebremst worden. Mit radsport-news.com sprach der zweimalige Tour-Etappensieger über Homeschooling, das Züchten von Radieschen und warum die Tour im Schnitt langsamer werden wird
Wie bekommt Ihnen die ungewohnte Ruhe?
Jens Voigt: Von Ruhe kann keine Rede sein. Durch meine Kinder und deren Heimschule bin ich durchaus im Stress und ziemlich beschäftigt.
Sie arbeiteten an Plänen, wie Sie in Berlin den Radsport beleben können. Wie sieht es damit aus?
Voigt: Nicht wirklich gut. Mit Mark Milde, der Race-Direktor des Berlin-Marathons, wollten wir im Juni den Berliner Velo-City auf die Räder stellen. Wegen der Corona-Krise klappt das nicht. Jetzt sind wir am Grübeln, ob wir diese Veranstaltung in den Herbst verlegen. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Wir bleiben dran. Außerdem unterstütze ich in Berlin ein Schulprojekt für die Klassen 3 bis 6. Wenn die Corona-Krise vorbei ist, geht es wieder los. Ansonsten habe ich mit meiner Frau Stephanie ein neues Hobby gefunden. Wir besorgten uns einen Gartenratgeber und beschäftigen uns nach dessen Ratschlägen mit ausgiebiger Gartenarbeit. Wir legen Blumenbeete an und haben Radieschen-Samen in die Erde gebracht.
Wie haben Sie mit Ihren sechs Kindern die letzten sechs Wochen zu Hause verbracht?
Voigt: Mit Marc (24) und Julian (20), unseren Studenten, haben wir öfter gemeinsam vor dem PC gesessen und die Vorträge der Professoren verfolgt. Mit Adrian (16), Kim-Jelena (14), Maya (12) und Jelena (9) haben wir uns eine Woche die Aufgaben angehört und in der nächsten Woche die Lösungen oder Aufsätze in die Schulen zurückgeschickt. Natürlich alles online. Ich bin durch das Unterrichten unserer Kinder auf keinen Fall dümmer geworden. Übrigens besitzt jedes meiner Kinder ein eigenes Rad. Mit einer Lizenz fahren aber weder die Jungs noch die Mädchen.
Mit ihrem Papa haben die Kinder Glück, der neben Deutsch auch Französisch und Englisch perfekt beherrscht?
Voigt: Mit den Sprachen hatte ich keine Schwierigkeiten, aber bei Mathe oder Physik zum Beispiel musste ich öfter ganz schön tief im Gedächtnis graben. Mein Abi liegt schließlich 30 Jahre zurück.
In wieweit sind Sie noch in den Profi-Radsport involviert?
Voigt: Ich bin weiterhin als Berater beim US-Team Trek - Segafredo unter Vertrag. Außerdem werde ich als Co-Kommentator beim Fernsehen eingesetzt. Im vorigen Jahr war ich für den amerikanischen Fernsehsender NBC im Einsatz.
Schwingen Sie sich selbst noch auf das Rad?
Voigt: Fasten jeden Tag. Ich fahre aber nur durch den Grunewald oder über den Teufelsberg. Eine Fahrt auf den Mount Everest plane ich derzeit nicht.
Was meinen Sie mit Mount Everest?
Voigt: Im vorigen Jahr habe ich durch Fahrten auf den Teufelsberg für die Krebsforschung Geld gesammelt. Je öfter ich auf den Teufelsberg gefahren bin, desto mehr Spenden kamen zusammen. Ich habe 100 Anstiege geschafft, dann hatte ich dicke Beine. Die bewältigten Höhenmeter entsprachen in etwa 8848 Meter. Das ist die Höhe des Mount Everest.
Waren Sie in diesem Jahr schon in der Jens-Voigt-Straße 1 in Dassow bei Ihren Eltern in Mecklenburg?
Voigt: Wir waren vor der Corona-Krise zweimal bei meinen Eltern. Im Moment geht das leider nicht. Meine Schwester wohnt in Lübeck. Sie hat mir erzählt. Sie fühlte sich wie vor 30 Jahren, als Dassow Grenzgebiet war. Sie schaffte es kaum, zu unseren Eltern zu kommen. Dabei beträgt die Entfernung nur etwa zehn Kilometer.
Sie stehen mit den Profis in Verbindung. Wie sieht es bei den Jungs mit dem Training aus?
Voigt: Das ist ganz verschieden. In den USA konnten die Fahrer ganz normal trainieren. Bei uns in Deutschland geht das in Zweier-Gruppen auch, wenn die Sportler korrekt mit dem gebührenden Abstand hintereinanderfahren. Unter den Einschränkungen haben besonders die Spanier gelitten. Sie konnten nur zu Hause auf dem Hometrainer üben. Zwei Stunden früh und zwei Stunden Nachmittag. Das ist geisttötend. Für die Spanier war es wie eine Befreiung, als sie am vergangenen Sonntag wieder auf den Straßen trainieren durften.
Die Tour de France soll vom 29. August bis 20. September rollen. Wie kann das gehen, wenn die Profis vorher kaum Rundfahrten oder Klassiker bestreiten dürfen?
Voigt: Wir werden trotzdem eine spannende Tour erleben. Vielleicht stehen plötzlich Rennfahrer im Licht, mit denen keiner gerechnet hat. Durch die ungewöhnliche Vorbereitung und die fehlende Rennpraxis können auch überraschende Ergebnisse herauskommen. Ich gehe davon aus, dass die Durchschnittsgeschwindigkeit der Tour 2020 auf alle Fälle langsamer als sonst sein wird.
Sie haben sich durch ihre offensive Fahrweise weltweit Respekt bei der Konkurrenz erarbeitet. Käme ihnen eine etwas langsamere Tour entgegen?
Voigt: Auf alle Fälle ist ein langsameres Tempo für Ausreißversuche kein Nachteil.
Zur Person: Jens Voigt geboren am 17. September 1971 in Grevesmühlen. Wohnort: Berlin. Verheiratet mit Ehefrau Stephanie, sechs Kinder. Die wichtigsten sportliche Erfolge: Zwei Etappensiege der Tour de France, zweimal Träger des Gelben und zweimal Träger des Bergtrikots. 17 Teilnahmen. Friedensfahrtsieger 1994. Sieger der Sachsen-Tour 1996. Gewinner der Niedersachsen-Rundfahrt 1997. Fünf Mal Sieger des Criteriums International. Sieger des „Grand Prix des Nations“ 2001. Dreimal Sieger der Bayern-Rundfahrt. Zweimaliger Gewinner der Deutschland-Tour. Sieger der Polen-Rundfahrt. 2014: Stundenweltrekord mit 51,115 Kilometer.
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