Ihr 104-km-Solo überrascht die Weltelite

Verrückter Plan führt van Vleuten zu WM-Gold!

Von Felix Schönbach

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Das Podium des WM-Frauenrennens in Yorkshire: Anna van der Breggen, Weltmeisterin Annemiek van Vleuten und die Drittplatzierte Amanda Spratt | Foto: Cor Vos

28.09.2019  |  (rsn) - Annemiek van Vleuten hat die Straßen-Weltmeisterschaften der Frauen in Yorkshire mit einem 104 Kilometer langen Solo gewonnen. Hinter der Niederländerin fuhren Anna van der Breggen (Niederlande) und Amanda Spratt (Australien) zu Silber und Bronze. Im Sprint des Feldes konnte sich Lisa Brennauer den neunten Rang sichern und wurde damit beste Deutsche. Gegen die wie entfesselt fahrende van Vleuten war jedoch kein Kraut gewachsen.

Die Schlüsselstelle des Rennes war van Vleutens Tempoverschärfung im Anstieg nach ‚Lofthouse‘, genau 104 Kilometer vor dem Ziel. “Der Angriff war eigentlich nicht geplant. Ich wollte den Anstieg hart fahren. Dann hatte ich eine Lücke und ich dachte mir, jetzt wo ich schon angefangen habe, kann ich es auch durchziehen. Es war ein verrückter Plan“, erklärte die frisch gebackene Weltmeisterin das entscheidende Manöver. Schnell riss sie eine Lücke zu ihren Konkurrentinnen und wurde bis zur Ziellinie von ihnen nicht mehr gesehen.

Obwohl sie ihn nicht geplant hatte, war die 36-Jährige für einen Solo-Ritt perfekt eingestellt: “Ich habe viel trainiert und das hat mich auf so eine große Anstrengung vorbereitet. Die Leute, die mich kennen wissen, dass ich viele Stunden auf dem Rad verbringe.“

Hinter der Niederländerin formierte sich eine siebenköpfige Verfolgergruppe um Titelverteidigerin van der Breggen, Spratt, Lokalmatadorin Elizabeth Deignan (Großbritannien), Zeitfahrweltmeisterin Chloe Dygert-Owen (Vereinigte Staaten), Elisa Longo-Borghini und Soraya Paladin (Italien), Cecilie Uttrup Ludwig (Dänemark), sowie der Deutschen Clara Koppenburg. Eine Zeit lang hielten sich die sieben Fahrerinnen noch in Schlagdistanz zur Spitze. Doch eine Kombination aus Uneinigkeit und der schieren Stärke van Vleutens sorgte dafür, dass die Verfolgerinnen nur noch um die restlichen Medaillen und Plätze fuhren. Das Feld war zu diesem Zeitpunkt schon längst abgeschlagen.

So hatte van Vleuten genug Zeit, ihren Sieg gebührend zu feiern: “Ich habe den Moment auf der Ziellinie genossen. Und ich habe all die Zuschauer genossen, die ziemlich verrückt waren. Jeder hat mich angefeuert: Absolute Gänsehaut!“ Nach der Zieleinfahrt begab sie sich an den Straßenrand und umarmte ihre angereiste Mutter. In der Freude über den Sieg steckt auch ein bisschen Genugtun: Bei den olympischen Spielen in Rio und den Straßenweltmeisterschaften in Innsbruck verpasste van Vleuten den Sieg durch Stürze. Und im Zeitfahren musste sie ihr Regenbogentrikot letzten Dienstag an Chloe Dygert-Owen abgeben. Diese Schlappe ist durch den heutigen Erfolg natürlich mehr als wett gemacht: “Es ist ein ziemlich anderer Geschmack als am Dienstag, wo ich wirklich enttäuscht war. Es war meine große Gelegenheit, obwohl der Kurs in Innsbruck mir eigentlich mehr gelegen hatte. Nach dem Sturz in Innsbruck hatte ich eine harte Phase. Aber jetzt kann ich einfach genießen.“

Die Konkurrenz musste van Vleutens Überlegenheit neidlos anerkennen. Dazu gehört auch die eigentliche Favoriten Marianne Vos (Niederlande), die den Sprint des Feldes gewann und sechste wurde. “Ich bin sehr zufrieden, heute war ein großartiger Tag für die Mannschaft. Ich hatte heute keinen Top-Tag, mit den Beinen konnte ich nicht um den Sieg mitfahren“, erklärte Vos nach dem Rennen.

Mit Vos wurden auch die deutschen Kapitäninnen Lisa Klein und Lisa Brennauer abgehängt. Brennauer musste schließlich mit ihrem neunten Platz zufrieden sein. "Ja, das muss ich auf jeden Fall", gestand sie nach dem Zieleinlauf. Brennauer: "Der Rennverlauf war anders, als wir gedacht haben. Ich habe in den ersten Anstiegen gemerkt, dass ich gute Beine habe. Ich bin in der zweiten Gruppe den großen Anstieg zum Lofthouse mit Marianne Vos und Katarzyna Niewiadoma gefahren, die beide zu den großen Favoritinnen gehörten und habe gedacht, dass wir auch wieder zurückkommen können. Wir wussten ja nicht, dass van Vleuten von dort aus durchzieht."

Der Rennverlauf

Die ersten 45 Kilometer nach dem Start in Bradford verliefen eher ruhig und waren geprägt von kleineren Stürzen und Defekten. Das Feld passierte Otley, den Heimatort von Ex-Weltmeisterin Elizabeth Deignan. Am ersten Anstieg nach ‚Norwood Edge‘ verschärften Demi Vollering und Floortje Mackaij erstmals das Tempo, was jedoch keine größeren Auswirkungen hatte. Das Feld blieb bis zum zweiten Anstieg nach ‚Lofthouse‘ kompakt, wo Annemiek van Vleuten schließlich den entscheidenden Angriff setzte. Hinter Van Vleuten formte sich im Laufe des Anstieges die Verfolgergruppe. Weiter zurück bildete sich ein Feld mit vielen Favoritinnen wie Marianne Vos, Marta Bastianelli (Italien) oder Katarzyna Niewiadoma (Polen).

Van Vleutens Vorsprung wuchs schnell auf 50 Sekunden gegenüber der Verfolgerinnengruppe und mehr als zwei Minuten gegenüber dem Feld. Da alle großen Nationen vorne vertreten waren, konnte sich im Feld zu keinem Zeitpunkt eine organisierte Nachführarbeit etablieren. Deswegen war schon früh klar, dass der Weltmeistertitel an eine Ausreißerin gehen würde. Eine zweite entscheidende Phase ereignete sich knapp 70 Kilometer vor dem Ziel. In dieser Phase hörte die Verfolgergruppe auf zu kooperieren. Deignan und Dygert-Owen versuchten sich erfolglos abzusetzen. Ein Grund dafür war auch die Arbeit von Anna van der Breggen, die ihrer Teamkollegin den Rücken freihielt.

Die Attacken und das anschließende Belauern spielte van Vleuten in die Hände. Die Niederländerin konnte ihren Vorsprung zu Beginn der drei Schlussrunden auf bis zu 2:30 Minuten ausbauen. In Gefahr kam der Vorsprung nur noch einmal, als sich Chloe Dygert-Owen 32 Kilometer vor dem Ziel aus der Verfolgergruppe absetzen konnte. Im Rahmen dieser Attacke sprengte sie die Verfolgergruppe: Koppenburg, Ludwig, Soraya und Deignan fielen ins Feld zurück. Van der Breggen, Spratt und Longo-Borghini formten eine zweite Verfolgergruppe, die knapp 30 Sekunden Rückstand auf Dygert-Owen hatte. Die Amerikanerin arbeitete sich zwei Runden vor dem Ziel bis zu 1:50 Minuten an van Vleuten heran.

Doch anschließend brach Dygert-Owen langsam ein. Gleichzeitig drehte Anne van der Breggen nochmal auf: Erst hängte sie Longo-Borghini ab, dann holte sie Dygert-Owen ein und fuhr schließlich am letzten Anstieg sechs Kilometer vor dem Ziel noch Amanda Spratt davon. Van Vleuten konnte sie aber nicht mehr gefährlich werden. So blieb der Titelverteidigerin nur noch Silber. Spratt, Dygert-Owen und Longo-Borghini folgten auf den weiteren Plätzen. Fünf Minuten später gewann Marianne Vos den Sprint des Hauptfeldes vor Marta Bastianelli.

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