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27.12.2018 | (rsn) - Kolumbien will nicht mehr nur Ausbildungsland für Kletterer und neuerdings auch Sprinter sein. Im Lande haben zunehmend mehr Fahrer mit den körperlichen Voraussetzungen für Klassiker ihre Chance. Vor allem aber ist der Appetit auf ein eigenes WorldTour-Team und ein eigenes WorldTour-Rennen geweckt. Fragt man im Andenland nach Schlüsselfiguren für die jüngste Entwicklung der Radsportnation, fällt früher oder später in jedem Gespräch der Name Fernando Saldarriaga.
Saldarriaga hat Cracks wie Nairo Quintana und Esteban Chaves trainiert – erster Grand-Tour-Sieger und erster Monument-Gewinner des Landes. Kletter-Ass Jarlinson Pantano (Etappensiege bei der Tour de France) ging durch seine Hände, auch die gefragten Helfer Darwin Atapuma und Sergio Henao. Zuletzt hat er dem Sprinter Sebastián Molano den letzten Feinschliff verpasst - Molano heuerte als Gaviria-Back Up bei UAE Team Emirates an.
Und auch zwei weitere viel versprechende Neopros der Saison 2019 wurden von ihm ausgebildet: die Kletterer Sergio Higuita (Education First) und Hernando Bohorquez (Astana). Sie verstärken in beiden Teams die schon ausgeprägten kolumbianischen Kletterfraktionen um Rigoberto Uran (EF) und Miguel Angel Lopez (Astana).
Higuita traut Coach Saldarriaga sogar perspektivisch das Leistungsniveau von Quintana zu. "Er ist ein sehr guter Fahrer. Er ist physisch stark, dazu ein intelligenter Fahrer, schlau, sehr beweglich und dynamisch, mental sehr stark – aber klar, in sechs Jahren kann man einem vieles beibringen", sagte er radsport-news.com bei einem Treffen in seiner Heimatstadt Medellin. Und der Stolz auf seinen Zögling ist unverkennbar.
Ein WorldTour-Team und ein WorldTour-Rennen fehlen
Saldarriaga will aber mehr. Und das sagt er auch deutlich und offen: "Aktuell haben wir 20 kolumbianische Radprofis in der WorldTour. Da ist es nicht gerecht, dass wir kein WorldTour-Team haben. Und es ist eine Schande im organisatorischen Bereich, dass wir auch kein WorldTour-Rennen haben, nur eines der zweiten Kategorie haben wir."
Den Trainer, er ist Nationaltrainer und betreut auch das ProContinental-Team Manzana Postobón, schmerzt noch heute, dass gerade in jenen Jahren, als die Generation Quintana die Bühne des Weltradsports eroberte, niemand, kein Sponsor und auch nicht der Staat, das Geld in die Hand nehmen wollte, um ein Profiteam der ersten Liga zu formen. Denn die Fahrer, die hatte er 2010 und 2011 schon im Kader von Colombia es Pasion - so hieß der Rennstall damals.
Sportministerium entzog 2012 die Unterstützung
"Als ich Quintana, Chaves, Pantano und Atapuma in einem Team hatte, wenn dann Kolumbien gesagt hätte: Machen wir ein WorldTour-Team daraus, dann hätte Nairo ein paar Jahre später nicht den Giro und die Vuelta mit einem anderen Trikot gewonnen, sondern mit Kolumbien auf der Brust", so Saldarriaga trotzig.
Und er beklagt mangelnden sportpolitischen Weitblick. Denn 2012 ging seinem Team die ganze Unterstützung des Sportministeriums verloren. Das kreierte lieber ein eigenes Team, Colombia Coldeportes, mit Basis in Italien. Es übernahm viele der Fahrer von Saldarriaga. Die italienische Managercrew um Claudio Corti hatte aber nicht die gleichen Erfolge.
Reihenweise Erfolge bei der l'Avenir
2010 noch hatte Quintana als Colombia es Pasion-Fahrer das prestigeträchtige Nachwuchsrennen Tour de l’Avenir gewonnen, Pantano war da Dritter. 2011 holte Esteban Chaves den Gesamtsieg. Was später an Erfolgen bei der Tour de l’Avenir kam, erfolgte durch Talente kleinerer Teams (wie Miguel Angel Lopez 2014 - Loteria de Boyacá) oder solcher, die bereits für europäische Teams fuhren (Egan Bernal 2017 - Androni Giocattoli).
Saldarriaga wirkt noch heute zornig, wenn er sich an die unterbrochene Entwicklung erinnert. Er bekam danach nur das Geld für eine Amateurmannschaft zusammen. Erst seit 2015 ist er wieder stabil im Conti- und aktuell ProConti-Bereich unterwegs.
Mehr als das Land der Kletterspezialisten
Man mag Saldarriagas Überlegungen als Wunschmusik, als "wäre, hätte, wenn" abtun. Seine Überlegungen zeigen aber, dass im Lande eine Transformation stattfindet. Es wächst das Bewusstsein, dass Kolumbien nicht mehr nur Lieferant für Klettertalente im Weltradsport sein muss, sondern zum einen die ganze Bandbreite von Spezialisten im Straßenradsport ausbilden kann, von Kletterern über Allrounder und Klassikerfahrer bis hin zu Sprintern, und zum anderen auch selbst viel stärker von den Leistungen der eigenen Talente profitieren sollte.
"Es gibt mehrere Faktoren für diese Veränderung. Wir haben jetzt mehr Trainer, die wissenschaftlich ausgebildet sind und die Jungen nicht nur immer die Anstiege hochjagen. Sie machen sich für jeden Rennfahrertyp stark. Wir haben vom Biotyp her Sprinter, die auch schon die ersten Erfolge haben. Und wir haben vom Biotyp her Klassikerfahrer. Sie müssen jetzt nur noch diese besonderen Rennen lesen lernen", meint Saldarriaga, und verweist dabei unter anderem auf den von Katusha zurückgekehrten Jhonatan Restrepo und seinen früheren Schüler Sergio Henao. Der Sky-Profi war 2013 schon einmal Zweiter bei der Fleche Wallone und hat Top 10-Resultate unter anderem bei Lüttich – Bastogne – Lüttich, dem Amstel Gold Race und der Lombardeirundfahrt errungen.
Parallele zu den Briten: Grundausbildung auf der Bahn
Als einen zweiten Faktor sieht Saldarriaga die Grundausbildung auf der Bahn. Alle großen Radsportregionen verfügen mittlerweile über Velodrome. Bogotá hat gleich zwei, Medellin und Cali je eines, und in Quintanas Heimatregion Boyacá gibt es das hoch in den Bergen gelegene Oval von Duitama. "Alle haben sie eine Bahnausbildung hinter sich, ob Chaves oder Gaviria, Quintana oder Pantano", so Saldarriaga.
Das erinnert ein wenig an Großbritanniens Radsportaufschwung. Auch dort wird Wert auf die Grundausbildung auf der Bahn gelegt, siehe Mark Cavendish und Bradley Wiggins, Geraint Thomas und die Yates-Zwillinge. Das Explosivitätstraining dort hilft schließlich auch bei der Förderung von Talenten für Sprint und Zeitfahren. Die größere Palette an Radsportlern führt Saldarriaga zufolge auch zu einem Mentalitätswechsel in vielen Teams. "Die meisten kolumbianischen Teams haben jetzt auch Sprinter in ihren Reihen", konstatiert er.
Und noch einen Wechsel gibt es: Kolumbianische Radsportler werden sich immer stärker bewusst, dass sie nicht nur herausragende individuelle Athleten sein können, sondern auch das Format haben, Kapitäne ihrer Teams zu sein.
Es fehlen bislang Führungspersönlichkeiten
"Das ist noch die größte Schwierigkeit für viele Kolumbianer beim Wechsel nach Europa. Viele sind von der Persönlichkeit her eher zurückhaltend, sie kommen vom Lande, machen nicht viele Worte. Als Leader musst du dich aber ausdrücken können, musst die anderen anleiten", meint Saldarriaga.
Lange Zeit hätten die Kolumbianer nicht das Selbstbewusstsein gehabt, Leader zu sein, beobachtete er. Jetzt legt er schon in der Ausbildung Wert darauf. "Ein Sportler wird vom Trainer als Leader geformt. Das ist ein Teil der Ausbildung. Das Denken, die Überzeugung, ein Anführer sein zu können, muss erlernt werden. Es gehört zum Training dazu wie die Verbesserung der physischen Leistungsfähigkeit und die taktischen Kenntnisse. Wir haben diese Transition mit Nairo und Esteban begonnen. Sie beeinflussen ihre Teams, europäische Radprofis arbeiten für sie. Und mit Profis wie Molano geht diese Veränderung weiter", schätzt Saldarriaga ein.
Entwickelt sich Kolumbien zum neuen Teneriffa?
Die Straße wird zeigen, wie weit diese Entwicklung vorangegangen ist. Chefplätze sind schließlich begrenzt und umkämpft im Profi-Peloton. Ein viel dickeres Brett ist aber das organisatorische: Geld für ein WorldTour-Team und Antichambrieren bei der UCI, um ein WorldTour-Rennen in den Kalender zu bekommen. Sportlich gesehen ist die Vielzahl der Rennen in Asien und im arabischen Raum eine eklatante Ungerechtigkeit gegenüber dem Mangel an internationalen Rennen im Radsport-Tigerstaat Kolumbien.
Mittelfristig hilfreich ist sicher die Kolumbienrundfahrt 2.1, bei der im Februar unter anderem Chris Froome seinen Saisoneinstand feiern wird. "Die europäischen Teams kommen zur Akklimatisierung zwei Wochen vorher hierher. Sie nutzen die guten Trainingsmöglichkeiten, das Leben in der Höhe, für die Stimulierung der Retikulozytenproduktion und das Training in tieferen Lagen, um die Muskelfasern zu stärken, für Trainingslager. Das kann eine ganz neue Entwicklung auslösen, mit Hotelanlagen für Sportler. Was aktuell der Teide auf den Kanarischen Inseln für die Höhentrainingslager ist - das können in Zukunft unsere Kordilleren sein", blickt Saldarriaga auf eine möglicherweise ganz rosige Zukunft des Radsportlandes Kolumbien voraus.
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