Die Tour-Bilanz der Franzosen

Wer erlöst die Grande Nation? Und wann?

Von Aus Espelette von David Geisbüsch

Foto zu dem Text "Wer erlöst die Grande Nation? Und wann?"
Romain Bardet (AG2R, re.) blieb in diesem Jahr bei der Tour hinter den hohen Erwartungen zurück. | Foto: Cor Vos

29.07.2018  |  (rsn) - Espelette. Es war am 21. Juli 1985, als sich Bernard Hinault in Paris zum fünften und letzten Mal zum Sieger der Tour de France gekrönt wurde. Damals, vor 33 Jahren, ahnte wohl niemand, dass ihm, dem Dachs aus Yffiniac, bis zum heutigen Tag kein Landsmann folgen würde. Es ist ein wahres Dilemma aus Sicht der Franzosen.

Jean-Christophe Peraud (AG2R) im Jahr 2014 und Romain Bardet (AG2R) 2016 schnupperten in jüngster Vergangenheit als jeweils Zweitplatzierte an der nationalen Heiligsprechung - wenn auch mit einem gewissen zeitlichen Respektabstand. Und ehrlich gesagt: Ein möglicher französischer Tour-Sieger ist derzeit nicht in Sicht.

Doch auf den zweiten Blick war es für die alljährlichen Gastgeber des bedeutendsten Radrennens der Welt eine zufriedenstellende Tour. In die Geschichte der 105. Auflage gehen zwei Etappensiege von Julian Alaphilippe (Quick-Stepp Floors) ein, der sich zudem - und damit war vor drei Wochen nun wirklich nicht zu rechnen - auch noch mit dem Trikot des Bergkönigs selbst beschenkte. Zudem stehen ein Sprintsieg von Arnaud Démare (Groupama-FDJ) zu Buche sowie das Weiße Trikots für seinen Teamkollegen Pierre-Roger Latour auf der Habenseite.

Doch die Grande Nation lechzt förmlich nach einem neuen Hinault. Thierry Bourguignon, der selbst von 1991 bis 1999 sieben Mal die Tour bestritt und sie auch sieben Mal beendete, zettelte bereits die Diskussion an, ob nicht Alaphilippe die Sieglosserie beenden könnte: „In fünf oder sechs Jahren könnte er ein ausgereifter Rundfahrer sein.“ Aussagen wie diese treiben Cyril Guimard, den einstigen Sportlichen Leiter von Hinault, die Zornesröte ins Gesicht: „Dann ist er 32 Jahre alt. Was soll das? Er soll weiter die Klassiker gewinnen. Er kann ein schönes Palmarès erreichen.“ Alaphilippe wird sich wie auch sein luxemburgischer Teamkollege Bob Jungels entscheiden müssen, welchen Weg er in Zukunft gehen will.

Vor einer ungewissen Zukunft steht auch Warren Barguil (Fortuneo-Samsic). Im Vorjahr noch der Liebling der Nation, stahl ihm in diesem Sommer Alaphilippe am Berg regelmäßig die Show. Guimard meinte sarkastisch: „Er hat im vergangenen Winter geheiratet und vielleicht etwas weniger gearbeitet. Wenn du Rennen gewinnen willst, dann darfst du eben nicht heiraten.“

Immerhin: Neben dem Bergtrikot bleibt auch das Trikot des besten Nachwuchsfahrers in Frankreich. Pierre-Roger Latour (AG2R), der am Samstag ein ordentliches Zeitfahren ablieferte, hatten nicht viele an oberster Stelle auf dem Zettel. Landsmann Guillaume Martin (Wanty-Gróupe Gobert), am Start in Noirmoutier noch höher eingestuft, konnte die in ihn gesetzten Hoffnungen nicht erfüllen. Aber mal ehrlich: Trauen Sie einem dieser beiden in Zukunft einen Gesamtsieg bei der Grand Boucle zu? Und wenn Egan Bernal (Sky) nicht gefühlte 3000 der 3351 Kilometer an der Seite von Chris Froome absolviert hätte, dann würde wohl der junge Kolumbianer in Weiß auf die Champs-Élysées einbiegen…

Bliebe da noch Romain Bardet (AG2R): Platz sechs in der Gesamtabrechnung, zwei Mal Dritter bei Etappenankünften - das heißeste Eisen der Franzosen blieb hinter den Erwartungen zurück. Eine Erklärung hatte er selbst nicht parat: „Ich habe alles versucht, wollte in der dritten Woche angreifen. Es lag auch nicht nur an den Beinen.“ Man wird den Eindruck nicht los, dass Bardet das nötige „Panache“ fehlt, um die Großen wirklich schlagen zu können - ähnlich scheint es auch um Thibaut Pinot (Groupama-FDJ) bestellt zu sein. Und schon beginnt sie, die Diskussion, ob Bardet das Team wechseln müsse, um die höchste Stufe des Podiums zu erklimmen…

Eine Konstante war Sylvain Chavanel (Direct Énergie), der seine 18. und wohl letzte Tour de France nutzte, um sich von seinem Landsleuten mit Anstand und mit 438 Kilometern in den Spitzengruppen zu verabschieden. In der Wertung der Baroudeure tummeln sich gleich acht Franzosen in den Top Ten. Jérome Cousin (Direct Énergie) führt die Liste an, er streckte 638 Kilometer lang die Nase in den Wind.

Und die anderen Franzosen? Arnaud Démare (Groupama-FDJ) sicherte sich auf dem 18. Abschnitt seinen Etappensieg. Was André Greipel darüber denkt, wird wohl auf ewig sein Geheimnis bleiben. Aktiv zeigten sich auch Lilian Calmejane (Direct Énergie), Rudy Molard (Groupama-FDJ), Julien Bernard (Trek-Segafredo) und der erst 21-Jährige David Gaudu (Groupama-FDJ). Für einen Etappensieg reichte es für sie aber auch nicht. Letzteren hätte auch Pierre Rolland sicher gern gefeiert. Der 31-Jährige scheint jedoch über seinen Zenit hinaus und wartet in diesem Jahr noch einen Sieg.

Und so geht die Suche der Franzosen weiter. Wer tritt nun also in Zukunft in die großen Fußstapfen Hinaults? In Frankreich hat man den Humor noch nicht verloren. Denn wie brachte es ein Bardet-Fan älteren Jahrgangs am Col d’Aubisque auf den Punkt: „Ich hoffe, dass der nächste französische Tour-Sieger schon geboren ist. Ansonsten wird es eng für mich. Das würde ich doch noch gern erleben…“

Mehr Informationen zu diesem Thema

06.07.2022Ausgerechnet in Roubaix platzte Degenkolbs Tour-Knoten

(rsn) – Vor vier Jahren mussten die Starter der Tour de France letztmals Kopfsteinpflaster-Passagen unter die Räder nehmen. Am . Juli 2018 holte sich Degenkolb in Roubaix nach 156,6 Kilometern inkl

25.07.2020Video-Rückblick: Horror-Sturz endet für Gilbert glimpflich

(rsn) - Auf der 16. Etappe der Tour de France mussten die Zuschauer das Schlimmste für Philipp Gilbert befürchten. In der Abfahrt vom Portet d´Aspet versteuerte der Belgier sich und flog kopfüber

12.11.2018Alpe d´Huez-Sturz: Nibali drei Stunden von Polizei befragt

(rsn) – Vincenzo Nibali (Bahrain-Merida) ist am Samstag in Modane von der französischen Polizei zu seinem Sturz von der 12. Etappe der Tour de France befragt werden. Damals war der Italiener im Sch

31.10.2018Thomas war bei der Tour wegen Kapitänsfrage frustriert

(rsn) - Am letzten Tag der diesjährigen 105. Tour de France strahlte Geraint Thomas (Sky) im Gelben Trikot auf den Champs-Elysees. Der Waliser feierte den größten Erfolg seiner Karriere und setzte

16.10.2018Nibali wird am 10. November von französischer Polizei befragt

(rsn) - Vincenzo Nibali (Bahrain-Merida) wird am 10. November in Grenoble von der französischen Polizei zu seinem Sturz von der 12. Etappe der Tour de France befragt werden. Damals war der Italiener

10.10.2018Thomas´ Tour-Trophäe in Birmingham gestohlen

(rsn) - In den vergangenen Jahren kam es immer wieder vor, dass Radsport-Mannschaften von Fahrraddieben heimgesucht wurden. Nun meldet Team Sky den Verlust der Tour-de-France-Auszeichnung von Geraint

03.08.2018“Zwischen Froome und Thomas gab es nie einen Disput“

(rsn) - Seit dem vergangenen Sonntag schon ist die auch 105. Ausgabe der Tour de France wieder Geschichte. In der neuen Ausgabe von Radio Tour – dem Radsportpodcast in Kooperation mit radsport-news.

03.08.2018Nach Tour-Aus fordert Sieberg “Überdenken der Karenzzeit“

(rsn) – Nachdem er im Vorjahr wegen eines Magen-Darm-Virus´ erstmals die Tour de France vorzeitig beenden musste, wollte Marcel Sieberg (Lotto Soudal) bei der 105. Austragung unbedingt wieder Paris

02.08.2018Lappartient: Funkverbot und 6-Mann-Teams gegen Sky-Dominanz

(rsn) - Auf wenig Gegenliebe - um es vorsichtig auszudrücken - ist UCI-Präsident David Lappartient bei den Profis mit seinen jüngst geäußerten Ideen gestoßen, wie man der vor allem in den große

02.08.2018“Ich fand alle Bergpässe schön“

(rsn) – Mit Michael Gogl (Trek-Segafredo), Gregor Mühlberger und Lukas Pöstlberger (beide Bora-hansgrohe) nahmen drei Österreicher an der 105. Tour de France teil. Das rot-weiß-rote Trio erreich

01.08.2018Zabel will sein Selbstvertrauen wieder aufpolieren

(rsn) – Der Frust über das verfrühte Tour-Aus sitzt tief: Rick Zabel (Katusha-Alpecin).musste auf der Königsetappe nach Alpe d`Huez im Kampf gegen das Zeitlimit kapitulieren und in den Besenwagen

01.08.2018Politt: “Wir haben uns nochmal richtig zusammengerissen“

(rsn) – Nach drei harten Wochen bei der Tour de France sehnt sich Nils Politt (Katusha-Alpecin) nach Erholung. Die ist derzeit aber nur bedingt möglich. Denn keine 24 Stunden nach dem Tour-Ende in

Weitere Radsportnachrichten

06.12.2025Etxeberria hat “beim Real Madrid des Radsports unterschrieben“

(rsn) – Als der Zweitdivisionär Kern Pharma Ende 2024 fünf Neoprofis für die anstehende Saison bekannt gab, fiel vor allem der des Luxemburgers Mats Wenzel auf, der einer von nur zwei Ausländern

06.12.2025Die Trikots der WorldTeams für die Saison 2026

(rsn) - Wie sieht das Peloton 2026 aus? Welche Farben werden in der kommenden Saison vorherrschend sein? Nach und nach stellen die WorldTour-Rennställe ihre Trikots für das neue Jahr vor - den Anfan

06.12.2025Im Oderland über sich hinausgewachsen

(rsn) - Elisa Winter verbrachte 2025 ihr erstes Jahr bei einem nicht-österreichischen Team. Die 21-Jährige aus der Steiermark zog es nach Deutschland, zu den Wheel Divas, und feierte bei der Oder-Ru

06.12.2025Mit konstanten Leistungen in die WorldTour

Es war der größte Karrieresprung, den ein deutscher Kontinental-Fahrer in dieser Saison gemacht hat. Als der 26-jährige Anton Schiffer nach seinem doch etwas überraschenden dritten Platz bei den d

06.12.2025Die Radsport-News-Jahresrangliste der Männer 2025

(rsn) – Es ist inzwischen RSN-Tradition. Und auch wenn sich mit Christoph Adamietz der Vater der Idee vor einem Jahr aus unserem Autoren-Team verabschiedet hat, so soll diese Tradition fortgesetzt w

06.12.2025Pogacar und Ferrand-Prevot gewinnen Velo d’Or

(rsn) – Tadej Pogacar (UAE – Emirates – XRG) hat wie im Vorjahr den Velo d’Or, den seit 1992 von der französischen Radsportzeitung Vélo ausgereichten, prestigeträchtigen Preis für den best

06.12.2025“Nicht Exodus“, sondern “natürliche Selektion“ bei Alpecin

(rsn) – Beim belgischen Rennstall Alpecin ändert sich in der kommenden Saison so einiges. Die Roodhooft-Brüder präsentierten am Freitag mit Premier Tech nicht nur einen neuen Sponsor, sondern auc

06.12.2025Die Radsport-News-Jahresrangliste der Frauen 2025

(rsn) – Seit dem Jahr 2013 blicken wir am Ende der Straßenradsaison neben der Jahresrangliste der Männer auch auf das Jahr der Frauen mit entsprechendem RSN-Ranking zurück. Berücksichtigt werden

06.12.2025Hollmann muss Alpecin verlassen

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

05.12.2025Letzte Zweifel ausgeräumt: Van der Poel startet in Namur

(rsn) – Als Alpecin – Deceuninck vor einer Woche Mathieu van der Poels Cross-Programm 2025/26 veröffentlichte, stand noch ein kleines Fragezeichen hinter dem Auftakt. Nun steht endgültig fest: D

05.12.2025Comeback gelungen: Phasenweise wieder Weltspitze

(rsn) – Ein Jahr musste Lennard Kämna (Lidl – Trek) nach seinem schweren Unfall pausieren. Im April 2024 war der damalige Bora-hansgrohe-Profi bei einer Trainingsfahrt in Teneriffa mit einem Aut

05.12.2025Uijtdebroeks ist sich sicher: Movistar das richtige Team

(rsn) – Nach einigen Querelen und einer monatelangen Hängepartie verließ Cian Uijtdebroeks Ende 2023 das deutsche Team Bora – hansgrohe vorzeitig, um seine hoffnungsvoll begonnene Karriere bei V

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Tour de Gyeongnam (2.2, KOR)