Belgier feierte 114 Siege in 16 Profijahren

Boonen beendet seine Karriere ohne einen weiteren Pflasterstein

Von Lorenz Rombach

Foto zu dem Text "Boonen beendet seine Karriere ohne einen weiteren Pflasterstein"
Tom Boonen (Quick-Step Floors) verabschiedete sich bei Paris-Roubaix von seinen Fans. | Foto: Cor Vos

10.04.2017  |  (rsn) - Alles war angerichtet für den letzten Arbeitstag des Tom Boonen. In den Wochen zuvor hatte sich die mediale Spannung immer weiter gesteigert, bis zum gestrigen Sonntag: der 115. Auflage von Paris-Roubaix. Der fünfte Sieg im Velodrome und damit das märchenhafte Ende einer großen Karriere blieb dem  Belgier zwar verwehrt, doch der Blick zurück zeigt: Seinen Platz in den Geschichtsbüchern hat der 36-Jährige sicher.

Im Alter von 21 Jahren wurde Boonen Profi beim US-amerikanischen U.S. Postal Service-Team von Lance Armstrong. Gleich in den ersten Monaten zeigte er sein Talent als starker Sprinter mit Stehvermögen und Spritzigkeit in den schweren Klassikern. Die Krönung seiner ersten Saison kam bereits im April, als er eine epische Auflage von Paris-Roubaix auf Platz drei beendete. Das Rennen war von katastrophalen Bedingungen geprägt, Regen verwandelte das Pavé in eine Rutschbahn, die Profis waren vor lauter Matsch kaum noch zu erkennen. Boonen jedoch war stets auf Augenhöhe mit den Besten und sprang schließlich ein, als sein Teamkapitätn George Hincapie in den Straßengraben stürzte.

Diese Vorstellung war für Patrick Lefevre Argument genug, den Youngster aus seinem Vertrag zu kaufen und zurück nach Belgien zu holen. Die folgenden 15 Jahre sollte Boonen der Quick-Step-Mannschaft treu bleiben - und ihr weit mehr als 100 Siege bescheren. Nach einer ernüchternden Debütsaison in den Quick-Step-Farben schlug der mittlerweile 23 Jahre alte Bonnen 2004 so richtig zu. Im Frühjahr siegte er beim E3-Preis und bei Gent-Wevelgem, im Sommer holte er sich zwei Etappen der Tour de France - darunter den prestigeträchtigen Erfolg auf den Champs-Élysées.

2005 setzte Boonen noch einen drauf und absolvierte die bis dahin erfolgreichste Saison seiner Karriere. Der Quick-Step-Star schien unschlagbar und gewann von Februar bis Oktober ein Rennen nach dem anderen. Es begann mit zwei Etappensiegen in Katar, wo er mit insgesamt 22 Siegen und vier Gesamterfolgen zum Rekordhalter der Rundfahrt werden sollte.

Im März verteidigte Boonen seinen Titel beim E3 Preis. Und die Krönung sollte folgen: Nachdem er sich in überlegener Manier seinen ersten von drei Siegen bei der Flandern-Rundfahrt gesichert hatte, machte Boonen eine Woche später sein erstes von zwei Klassiker-Doubles perfekt, als er im Sprint auf der Radrennenbahn von Roubaix seinen ehemaligen Kapitän Hincapie schlug und sich auch bei Paris-Roubaix in die Siegerliste eintrug. Im Sommer folgten wiederum zwei Etappensiege bei der Tour, bevor er Ende September in Madrid zum Weltmeistertitel sprintete - ein neuer Volksheld war geboren.

In den folgenden Jahren feierte Boonen unzählige Siege, zu viele, um sie hier alle aufzuzählen. Insgesamt drei Mal siegte er bei der "Ronde", schloss 2012 mit seinem vierten Coup bei Paris-Roubaix zu Rekordhalter Roger De Vlaeminck auf, holte insgesamt sechs Tour-Etappen und 2007 das Grüne Trikot. Boonen kommt auf insgesamt 21 Klassikersiege und auf nicht weniger als 114 in 16 Profijahren. Unvergessen auch die Rivalität mit Fabian Cancellara, dem zweiten Klassikerstar der letzten 15 Jahre. Jahrelang ging der Sieg bei den Frühjahrsklassikern nur über die Beiden.

Privat genoss der Volksheld seine aufkommende Berühmtheit und schlug dabei mehrmals über die Stränge. 2008 und 2009 wurde er jeweils positiv auf Kokain getestet - kam jedoch beide Male mit einem blauen Auge davon, da es sich um  Trainingskontrollen handelte, die keine Strafe nach sich zogen. Auch ein Steuerstreit mit dem belgischen Staat - Boonen hatte jahrelang seinen Wohnsitz in Monaco, obwohl er sich meistens in Belgien aufhielt - tat seinem Heldenstatus keinen Abbruch. "Tommeke" wie er von seinen Fans genannt wird, genießt in seiner Heimat einen Status, den in Deutschland nur Fußballer erreichen.

Radsportfans weltweit werden den charismatischen und sympathischen Boonen vermissen. Und natürlich werden insbesondere die belgischen Zuschauer sehnsüchtig an Boonen zurückdenken, wenn im kommenden Jahr die Frühjahrsklassiker anstehen.

Doch es gibt einige Kandidaten, die die Lücke zumindest teilweise füllen könnnten: Greg Van Avermaet (BMC) hat die Rolle des ewigen Zweiten längst abgestreift, und auch Philippe Gilbert (Quick-Step Floors) hat im gesetzten Radsportalter von 34 Jahren zu alter Stärke zurückgefunden. Zudem gibt es mit Tiesj Benoot (Lotto Soudal), Yves Lampaert (Quick-Step Floors), Oliver Naesen (Ag2r), Edward Theuns und Jasper Stuyven (beide Trek-Segafredo) zahlreiche junge Talente, die das Zeug haben, große Siege einzufahren. Auf die 114 von Boonen wird allerdings keiner aus dieser Reihe kommen.

Mehr Informationen zu diesem Thema

14.04.2017Specialized übernimmt Verantwortung für Terpstras Sturz

(rsn) - Der Rad-Hersteller Specialized hat die Verantwortung für den schweren Sturz von Niki Terpstra (Quick-Step Floors) beim 115. Paris-Roubaix auf sich genommen. Der 32-jährige Niederländer war

11.04.2017Denk: "Mit etwas Glück hätten wir zwei Monumente gewinnen können“

(rsn) - Nach dem 115. Paris-Roubaix wird Peter Sagan (Bora-hansgrohe) eine Rennpause einlegen, die ihm wohl einige Zeit bieten wird, um über die verpassten Chancen bei den drei Monumenten Mailand-San

10.04.2017Für Guardini endete Paris-Roubaix in einer Polizeistation

(rsn) - Nicht im Velodrome von Roubaix, sondern auf einer Polizeistation endete für Andrea Guardini (UAE Emirates) die 115. Auflage von Paris-Roubaix. Der Grund: Der Italiener erhielt nach seinem vor

10.04.2017Boonen: "Ich habe genug Ehrenrunden gedreht"

(rsn) – Am 14. April 2002 bog der damals gerade einmal 21 Jahre alte Tom Boonen drei Minuten hinter seinem Landsmann Johan Museeuw Seite an Seite mit Steffen Wesemann ins Radstadion von Roubaix ein

10.04.2017Diesmal zeigte Paris-Roubaix Hayman seine grausame Seite

(rsn) - Wie im vergangenen Jahr kam Mathew Hayman (Orica-Scott) vor Tom Boonen (Quick-Step Floors) bei Paris-Roubaix ins Ziel im berühmten Velodrome. Doch die Umstände hätten nicht unterschiedliche

10.04.2017Burghardt: "Es ist das eingetreten, was nicht passieren sollte"

(rsn) - "Das Glück war nicht auf unserer Seite.“ Prägnanter als Ralph Denk hätte man aus Sicht des deutschen Bora-hansgrohe-Teams den Verlauf des 115. Paris-Roubaix nicht zusammenfassen können.

10.04.2017Van Avermaet: "Ich bin nicht Boonens Nachfolger"

Roubaix (dpa) - Zwei Belgier standen beim 115. Paris-Roubaix im Mittelpunkt. Olympiasieger Greg van Avermaet (BMC) gewann erstmals in seiner Karriere eines der fünf Radsport-Monumente, Rekords

10.04.2017Degenkolb: "Kann erhobenen Hauptes nach Hause gehen"

(rsn) - Drei Fahrer brachte Trek-Segafredo unter den besten Zehn des 115. Paris-Roubaix - so viele wie kein anderes Team. Aber auf das Podium schafften es weder Jasper Stuyven (4.), Edward Theuns (8.)

09.04.2017Politt: "... gefühlt siebenmal gestorben“

(rsn) - Die Doppelspitze blieb stumpf: Weder Tony Martin noch Alexander Kristoff konnten beim 115. Paris-Roubaix um den Sieg mitkämpfen. Und der Verlauf des 257 Kilometer langen Klassikers passte in

09.04.2017Video vom Finale des 115. Paris-Roubaix

(rsn) - Greg Van Avermaet (BMC) hat sich erstmals in seiner Karriere den Sieg bei Paris-Roubaix gesichert. Der 31-jährige Olympiasieger aus Belgien setzte sich am Sonntag bei der 115. Auflage der "KÃ

09.04.2017Langeveld meldet sich nach zwei erfolglosen Jahren zurück

(rsn) - Paris-Roubaix brachte in der Vergangenheit immer wieder überraschende Namen ins Rampenlicht. Sieger wie zuletzt Mathew Hayman (2016) oder Johan Vansummeren (2011) gingen als Sensationen durch

09.04.2017Stybar tut alles für Boonen - und wird Zweiter

(rsn) - Aus dem ersehnten Traum-Abschied von Tom Boonen wurde nichts. Doch bei der 115. Auflage von Paris-Roubaix war Quick-Step Floors dennoch ganz nah dran am Sieg. Verantwortlich dafür war der Tsc

Weitere Radsportnachrichten

17.11.2025Lipowitz will nicht zum Giro und hofft auf Tour-Doppelspitze

(rsn) – Mit Blick auf ihre Meriten bei der Tour de France befinden sich Florian Lipowitz und Remco Evenepoel in ähnlichen Sphären. Doch was ihren Charakter angeht, könnte das Duo, das im Sommer n

17.11.2025Huens verstärkt Groupama, Verre findet neues Zuhause

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

17.11.2025Tour du Ghana: Müllers Team gewinnt Prolog – und hat morgen frei

Robert Müller ist wieder auf Achse. Wer seine Berichte aus den unterschiedlichsten Ecken der Radsport-Welt – von Südamerika bis Asien – kennt, weiß: Wenn "Radbert" unterwegs ist, wird es selten

17.11.2025ASO spricht sich gegen Ticket-Einnahmen aus

(rsn) – In der Debatte um die zukünftige Finanzierung des Radsports hat die Großmacht ASO, die neben der Tour de France weitere entscheidende Rennen im WorldTour-Kalender und den ebenen darunter o

17.11.2025Road Captain will auch “persönliche Freiheit“

(rsn) – Von den noch aktiven Profis ist Kim Heiduk der letzte Deutsche, der aus einem einheimischen KT-Team, nämlich Lotto – Kern Haus, den Wechsel ins Lager der Berufsradfahrer geschafft hat. Ei

17.11.2025Ferrand-Prévot plant zwei Saisonhöhepunkte

(rsn) – Mit dem Tour-de-France-Sieg in der Tasche und einer Knöchel-OP, die noch ein paar Wochen Pause mit sich bringen wird, geht Pauline Ferrand-Prévot in den Winter und ins neue Jahr. Und damit

17.11.2025Eigene Chancen genutzt, doch für den Sieg hat es nicht gereicht

(rsn) – Vor seinem letzten U23-Jahr entschied sich der junge Österreicher Sebastian Putz für einen Wechsel. Er schloss sich dem Team Red Bull - Bora – hansgrohe Rookies an, um sich dort für zuk

17.11.2025Prag buhlt um den Grand Depart

(rsn) – Die Liste an kommenden potenziellen Tour-Starts in den kommenden Jahren wird immer länger. Auch Tschechien hat sich jetzt mit Prag in Stellung gebracht und ASO-Chef Christian Prudhomme bei

17.11.2025Die Radsport-News-Jahresrangliste der Männer 2025

(rsn) – Es ist inzwischen RSN-Tradition. Und auch wenn sich mit Christoph Adamietz der Vater der Idee vor einem Jahr aus unserem Autoren-Team verabschiedet hat, so soll diese Tradition fortgesetzt w

16.11.2025Kein Highlight, aber einige Male nah dran am Sieg

(rsn) – Die erste Saison, in der sich Alexandre Balmer (Solution Tech – Vini Fantini) komplett auf die Straße fokussierte, begann für den 25-Jährigen denkbar unglücklich. Bei der Trofeo Laigue

16.11.2025Oertzen fährt bei Garneks Überraschungssieg nächstes Podium ein

(rsn) – Einen Tag nach seinem zweiten Platz in Owocowy Przelaj (C2) hat Max Heiner Oertzen (Radsport Nagel) in Wladyslawowo-Cetniewo (C2) den nächsten Podiumplatz eingefahren. Beim Überraschungser

16.11.2025Nys nach packendem Finale in Hamme mit besserem Ende für sich

(rsn) – Dramatischer hätte der dritte Lauf zur X20 Badkamers Trofee in Hamme nicht laufen können. Nachdem sich Thibau Nys (Baloise - Glowi Lions) und Cameron Mason (Seven) nahezu über den gesamt

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Tour de Gyeongnam (2.2, KOR)