McQuaid und Zorzoli über Kortikoid- & TUE-Missbrauch

Ex-UCI-Präsident McQuaid: Ethik-Offensive von Sky "heuchlerisch"

Von Felix Mattis

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Pat McQuaid | Foto: Cor Vos

23.09.2016  |  (rsn) - Der ehemalige UCI-Präsident Pat McQuaid hat in einem Interview mit cyclingnews.com ausführlich darüber gesprochen, dass er in seiner Amtszeit das Gefühl hatte, Kortikosteroide würden mit Hilfe von therapeutischen Ausnahmegenehmigungen, den sogenannten TUEs, zur Leistungssteigerung missbraucht. "Ich denke, dass das für Jahre so ging", so McQuaid, der außerdem behauptet: "Ich habe versucht, Kortikoide komplett verbieten zu lassen. Ich hatte den Eindruck, dass sie missbraucht wurden."

Der inzwischen 67-jährige Ire, der von 2005 bis 2013 UCI-Präsident war, erwähnte außerdem ein Gespräch mit dem damaligen UCI-Arzt Mario Zorzoli, der 2014 nach Anschuldigungen von Michael Rasmussen aus seinem Amt entbunden wurde. Zorzoli soll ihm um 2011 herum erklärt haben, dass "bei den Klassikern Fahrer um den Sieg fahren würden, die in dieser Zeit mit Hilfe einer TUE Kortikosteroide nahmen. Er hatte das Gefühl, dass es dabei nicht um eine originäre TUE ging, sondern einfach nur darum ihnen zu helfen."

Das Interview führte cyclingnews.com-Chefredakteur Daniel Benson mit McQuaid vor dem Hintergrund der durch das Hackerteam "Fancy Bear" geleakten Informationen über TUEs für Allergien der Tour-de-France-Sieger Bradley Wiggins und Chris Froome. Im Fall von Wiggins handelte es sich dabei um drei Injektionen des zur Gruppe der Glukokortikoide gehörigen Triamcinolonacetonids vor den Frankreich-Rundfahrten 2011 und 2012 sowie dem Giro d'Italia 2013, die er alle drei im Trikot des Teams Sky gewinnen wollte.

Im Bezug darauf sagte McQuaid über das Team Sky: "Ihre Attitüde ist, dass 'marginal gains'(*) alles ist, was innerhalb der Regeln möglich ist. TUEs an sich sind innerhalb der Regeln. Wenn man versucht Ethik und so weiter zu predigen und dann die Regeln so zu verbiegen scheint, ist das etwas heuchlerisch, ehrlich gesagt."

Benson sprach auch mit Zorzoli über die therapeutischen Ausnahmegenehmigungen, die während dessen Amtszeit durch ihn und den Weltverband abgesegnet werden mussten. "Es ist eine Grauzone. Man kann die Erlaubnis bekommen, Testosteron oder andere Drogen wie Amphetamine zu nehmen. Aber man kann durch Anti-Doping-Tests praktisch nicht herausfinden, ob die Dosierung, die der Athlet genommen hat, die erlaubte ist oder ob er mehr genommen hat, um einen leistungssteigernden Effekt zu erzeugen", erklärte der Italiener.

"Ich hatte nie das Gefühl, dass die TUEs im Bezug auf die Injektion von Kortikosteroiden missbraucht wurden, nachdem die 'No Needle Policy' eingeführt wurde", ergänzte Zorzoli allerdings auch. Durch die Einführung der 'No Needle Policy' dürfen seit Mai 2011 im Radsport keine Injektionen von Substanzen mehr gegeben werden, die medizinisch nicht eindeutig benötigt werden.

Ein nicht namentlich genannter, aber seit den 1990er Jahren im Radsport arbeitender, dritter Gesprächspartner erklärte Benson, dass der Missbrauch von Sondergenehmigungen im Radsport in den 2000er Jahren allgegenwertig gewesen sei. "Damals hat man Kortison definitiv ausgenutzt. Ich weiß von einem Team, das Mitte der 2000er Jahre für jeden einzelnen Fahrer bei allen drei Grand Tours eine TUE hatte. Das ist etwa zehn Jahre her und man brauchte nur einen Arzt, der irgendwo am Körper eine Entzündung bestätigte und schon hatte man die TUE", so der Anonyme.

In der heutigen Zeit seien zwar immer noch einige Ärzte von damals rund ums Peloton unterwegs, doch die Zahl der TUEs habe sich angeblich von über 200 im Jahr 2009 auf nur noch 13 in 2016 verringert. In den 1990ern seien noch nicht einmal TUEs nötig gewesen. Die Fahrer konnten Kortison für jedes Rennen nehmen, wenn sie wollten.

 

(*)Den Begriff 'marginal gains' prägt das Team Sky seit dem Tour-Sieg von Bradley Wiggins 2012. Er beschreibt die detailverliebte Arbeit des britischen Rennstalls, durch die viele marginale, also kleine Verbesserungen geschaffen werden, die in Summe den Unterschied über Sieg oder Niederlage machen.

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