Eine Zusammenstellung der wichtigsten Punkte

CIRC-Bericht: Doping-Ärzte in der Schlüsselrolle

Von Felix Mattis, aus dem CIRC-Bericht zusammengefasst

Foto zu dem Text "CIRC-Bericht: Doping-Ärzte in der Schlüsselrolle "
Nach wie vor gibt es Mittel und Wege, um Dopingkontrollen wirkungslos zu machen. | Foto: Cor Vos

18.03.2015  |  (rsn) - Die unabhängige Reform-Kommission des Radsports (CIRC) um ihren Vorsitzenden Dick Marty hat im Verlauf der vergangenen zwölf Monate versucht, die Doping-Vergangenheit des Radsports aufzuarbeiten und ihren Bericht vergangene Woche veröffentlicht. Viel wurde seitdem darüber geschrieben, was dabei ans Licht gekommen ist – gerade in Deutschland aber hauptsächlich über Historisches zu Lance Armstrong und Co.

Doch Marty und seine Kollegen Thomas Haas und Peter Nicholson berichten in ihrem 227-seitigen Werk auch über die Gegenwart und zeigen auf, welche Schlüsse sie über den aktuellen Stand des Radsports in Sachen Dopingmissbrauch durch ihre unzähligen Befragungen verschiedenster Akteure – ob Fahrer, Teamchefs, Ärzte, UCI-und Nationalverbands-Mitarbeiter oder Angestellte von Anti-Doping-Agenturen sowie Sponsoren oder Journalisten – gezogen haben.

Das Bild, das sich dabei ergibt, dürfte diejenigen erschrecken, die trotz aller Erfahrungen der letzten 15 Jahre blind denen glauben, die behaupten, der Radsport oder Sport allgemein sei inzwischen sauber. Allerdings lässt es gleichzeitig auch zumindest stellenweise den Eindruck zu, die Situation habe sich verbessert.

Denn so unterschiedlich die Befragten, so unterschiedlich waren auch die Antworten, die die CIRC bekam. „Ein respektierter Rad-Profi hatte das Gefühl, dass auch heute noch 90 Prozent des Pelotons gedopt seien“, heißt es etwa auf Seite 56. „Ein anderer setzte bei etwa 20 Prozent an. Viele sagten einfach, sie würden nicht wissen, wer sauber sei und wer nicht.“

Hilfe durch „gut bekannte Doping-Ärzte“

Grund dafür sei, so spekuliert die CIRC, dass Dopingpraktiken heutzutage kaum mehr kollektiv von einem ganzen Team durchgeführt würden, sondern die Sportler dabei mehr auf sich gestellt seien und Hilfe von außerhalb der Teams in Anspruch nehmen müssten – etwa durch „gut bekannte Doping-Ärzte“, die laut CIRC-Bericht „weiterhin agieren, anscheinend durch Mittelsmänner und in anderen Ländern“. Namentlich werden dabei Michele Ferrari und der seit 2013 für vier Jahre als Sportmediziner gesperrte Frauenarzt Eufemiano Fuentes genannt.

So heißt es auf Seite 65: „Eine der signifikantesten Veränderungen ist, dass auf UCI WorldTour-Level die Doping-Programme nicht mehr systematisch von den Teams organisiert werden. Sie sind heute oft individuell organisiert, Geheim-Programme.“ Während die Fahrer ihre Dopingvergehen außerhalb der Teams in anderen gut vernetzten Umfeldern organisierten, wisse man innerhalb der Teams nicht viel davon, heißt es. Team-Manager hätten „vielleicht auch ein ‚Frag‘ nichts, sag‘ nichts‘-Mantra angenommen“, so der Bericht. Gerade in Mannschaften unterhalb des WorldTour-Levels sei aber auch vom Team organisiertes Doping weiterhin anzutreffen.

Sportler bräuchten, auch wenn gewisse Dopingmittel über das Internet gerade aus Osteuropa oder Asien heute leichter zu beschaffen sind, weiterhin externe Hilfe. „Eine Schlüsselrolle bleibt dabei die des Arztes“, heißt es im Bericht. „Durch den Biologischen Pass braucht es einen differenzierteren Ansatz in Sachen Doping, um positive Tests zu vermeiden.“ Der Arzt sei daher nötig, um zahlreiche Parameter stets zu kontrollieren.

Wenig Angst vor ‚Out-of-Competition‘-Tests

Durch Fortschritte in der Doping-Verfolgung mussten Sportler und ihre Dopinghelfer in den vergangenen Jahren immer wieder Wege finden, um bei den Tests „negativ“ zu bleiben. „Es scheint, dass dopende Fahrer weiterhin genaue Kenntnisse über Produkte haben und wissen, wann und wie sie sie einsetzen müssen. Zum Beispiel wissen sie, dass sie am Abend Mikrodosen nehmen sollten, um am nächsten Morgen in Ordnung zu sein, falls ein Tester kommen sollte.“ Deshalb sei die Angst vor ‚Out-of-Competition‘-Tests nicht mehr besonders hoch.

Ironischerweise helfe auch den Fahrern der Biologische Pass dabei, weil die Sportler ihre Blutwerte einsehen und so im erlaubten Rahmen halten können, erklärten Anti-Doping-Experten der CIRC. Dopende Sportler würden außerdem Höhentrainings ansetzen und Höhenluft-Zelte benutzen, um einen potenziellen Sprung in ihren Werten erklären zu können.

Auch das Whereabouts-System, in dem Sportler ihren Standort angeben müssen, um jederzeit getestet werden zu können, sei dabei kaum ein Hindernis – man müsse lediglich seine Aufenthaltsorte immer wieder so spät wie möglich ändern oder gleich nur vage Angaben machen, um schwerer zu finden zu sein. Und im Notfall fühle man sich ohnehin sicher, weil man sich ohne weiteres einen verpassten Test erlauben dürfe.

Kommen wir zwischendurch zu den Erkenntnissen des CIRC-Reports, die etwas Hoffnung machen. Denn so sehr der Biologische Pass auch den Sportlern einen besseren Überblick über ihre Werte gibt, so sehr soll er auch dem Sport geholfen haben. „Der Biologische Pass war ein Paradigmenwechsel und hat angefangen, den prozentualen Leistungszuwachs, den EPO bislang geboten hat, zu verringern“, heißt es im CIRC-Bericht. „Ein Leistungszuwachs von 10-15 Prozent gehört der Vergangenheit an. Es wurde berichtet, dass durch Mikrodosierungen von EPO nur noch vielleicht 3-5 Prozent möglich sind.“ Saubere Fahrer hätten dadurch nun wieder Chancen zu gewinnen, vor allem auf kürzeren Etappen. 

Doch EPO ist nicht alles, auch Blutdoping sei weiterhin möglich. Wie ein Fahrer der CIRC erklärte, habe ihn sein Arzt angewiesen, die Transfusionen weniger voluminös ausfallen zu lassen – „150-200 ml Blut, während die Größe der Blutbeutel früher bei US Postal und Team Telekom bis 500 ml umfassten“, heißt es auf Seite 58.

Experimente mit Mitteln, die für Pferde gedacht sind

Das Thema Mikrodosierung spiele auch bei der Benutzung von Steroiden zum Muskelwachstum eine Rolle. Anstatt von einem Produkt eine größere Menge zu benutzen, würden die Fahrer nun mehrere unterschiedliche Steroide in jeweils kleineren Dosen kombinieren. „Das macht das Entdecken deutlich schwieriger“, so der Bericht. Außerdem sei trotz des vor drei Jahren dafür eingeführten Tests weiterhin das Wachstumshormon HGH im Einsatz.

Hinzu kommen Substanzen, die offiziell noch überhaupt nicht auf dem Markt sind oder Mittel, deren Weiterentwicklung gestoppt wurde, weil sie die klinische Zulassung nicht bekommen haben – zum Beispiel GW1516, das die Sauerstoffversorgung der Muskeln sowie die Fettverbrennung verbessern, aber auch krebserregend sein soll. Ein Fahrer erzählte außerdem von Experimenten mit Mitteln, die eigentlich für Pferde hergestellt wurden.

Einige der Mittel, die sonst noch erwähnt werden sind Aicar, Xenon-Gas, Ozon, Actovegin, ITPP, Gas6, EPO-Varianten wie CERA, Eprex,EPO Zeta oder EPO Retacrit und das Muskelwachstum fördernde Substanzen wie Kryptocur, Lutrelef, Gonasi, TB-500, Glucagone, Geref, Menogon, Proviron, Deca Durabolin, Testovis, Triacana, Dynatrope, Monores und Hypertropin.

Eine besondere Bedeutung lässt der CIRC-Bericht dem Missbrauch von Ausnahmegenehmigungen für sonst verbotene Substanzen, den sogenannten Therapeutical Use Exemptions (TUE) zukommen. „Insgesamt entstand das Gefühl, dass es zu einfach ist, eine TUE zu bekommen“, heißt es auf Seite 60. Das System werde regelmäßig missbraucht, weil das nun sogar einfacher sei als früher, als man die Benutzung eines verbotenen Mittels aus therapeutischen Gründen erst im Nachhinein anzeigen und erklären musste. Ein Fahrer erklärte der CIRC, dass „90 Prozent der TUEs zur Leistungssteigerung benutzt“ würden.

Festzuhalten bleibt, dass der CIRC-Bericht viele erschreckende Beispiele hervorbringt, meist basierend auf Aussagen einzelner Fahrer. Verlässlich einschätzen, welche Produkte und Praktiken nur in Einzelfällen benutzt werden oder wurden und welche weit verbreitet sind, lässt sich anhand des Berichtes nicht.

Trotzdem scheint er als Bestandsaufnahme und zur Sensibilisierung für das Ausmaß des Dopings hilfreich, das Laien oft nur an den Begriffen EPO und Anabolika festmachen. Es ist nun an den Anti-Doping-Agenturen und den internationalen Verbänden des Sports, die Verfolgung der vielen aufgedeckten Spuren aufzunehmen.

Mehr Informationen zu diesem Thema

24.06.2017Prozess gegen Armstrong beginnt im November

Washington (dpa) - Der Prozess gegen den früheren Tour-de-France-Seriensieger Lance Armstrong soll nach Informationen der Nachrichtenagentur AP im November in Washington beginnen. In der jurist

14.02.2017Armstrong-Prozess wird nicht eingestellt

(dpa) - Ein Bundesgericht in Washington hat die Einstellung des Prozesses gegen Lance Armstrong abgelehnt. In der anstehenden juristischen Auseinandersetzung, in der das US-Justizministerium und Floyd

29.04.2016Armstrong will Aufhebung des Verfahrens wegen Steuerbetrugs

(dpa) - Lance Armstrong hat die Einstellung des Verfahrens wegen Steuerbetrugs beantragt. In dem Antrag an ein Bundesgericht in Washington heißt es, die Klage sei "reich an Spekulation und Übertreib

08.03.2016Armstrong muss keine Sponsorengelder zurückzahlen

(rsn) – Lance Armstrong hat im sogenannten Whistleblower-Prozess einen weiteren Teilerfolg einfahren können. Wie die Zeitung USA Today meldete, hat im Prozess um von der US-Regierung angestoßenen

27.09.2015Armstrong zahlt Versicherung SCA zehn Millionen Dollar

Dallas (dpa) - Mit einer Zahlung von rund zehn Millionen Dollar und einer Entschuldigung hat der lebenslang gesperrte Lance Armstrong einen Rechtsstreit mit der Versicherung SCA Promotions beigelegt.

05.05.2015Studie: Mikrodosierungen machen Biologischen Pass wirkungslos

(rsn) – Mikrodosierungen gelten mittlerweile als größte Gefahr für den Anti-Dopingkampf. Das stellte bereits die vom Radsportweltverband UCI ins Leben gerufene unabhängige Reform-Kommission CIRC

21.04.2015Verbruggen will UCI-Ehrenvorsitz nicht abgeben

(rsn) – Der ehemalige UCI-Präsident Hein Verbruggen hat Forderungen seines Nachfolgers Brian Cookson zurückgewiesen, vom Ehrenvorsitz des Radsportweltverbandes zurückzutreten. In einem langen B

09.03.2015Die Verstöße und Verfehlungen der UCI

Aigle (dpa) - Der Bericht der unabhängigen Untersuchungskommission CIRC zur Doping-Problematik im Radsport erhebt schwere Anschuldigungen gegen die frühere Spitze des Weltverbandes UCI. Eine Auflist

09.03.2015Verbruggen soll UCI-Ehrenvorsitz abgeben

Aigle (dpa) - Hein Verbruggen soll nach dem Untersuchungsbericht über schwere Versäumnisse des Radsportweltverbandes UCI im Anti-Dopingkampf seinen Ehrenvorsitz abgeben. Präsident Brian Cooks

09.03.2015CIRC: „Kampf gegen Doping ist noch lange nicht gewonnen“

Aigle (dpa) - Bevorzugte Behandlung seiner Stars Lance Armstrong und Alberto Contador, viele Verfehlungen im Anti-DopingkKampf und weitere fragwürdige Vorgänge in der dunklen Zeit des Radsports wirf

09.03.2015Armstrong entschuldigt sich und hofft auf bessere Zukunft

Aigle (dpa) - Lance Armstrong setzt nach dem Untersuchungsbericht über schwere Versäumnisse des Radsport-Weltverbands UCI im Anti-Doping-Kampf auf eine bessere Zukunft. „Ich hoffe, dass di

09.03.2015CIRC: Auch Contador erfuhr eine Vorzugsbehandlung

Aigle (dpa) - Neben Lance Armstrong hat offenbar auch der zweimalige Tour-de-France-Gewinner Alberto Contador eine bevorzugte Behandlung durch die frühere Führung des Radsport-Weltverbandes UCI erha

Weitere Radsportnachrichten

21.01.2025Teutenberg sprintet nach Beinahe-Sturz noch auf Platz vier

(rsn) – Nachdem er als Sechster der Villawood Men´s Classic, einem nationalen Rennen drei Tage vor dem Start der 25. Tour Down Under, bereits bei den Besten hatte mitmischen können, hat Tim Torn T

21.01.2025Alle Etappen im Detail: Strecke der UAE Tour 2025

(rsn) – Auch bei ihrer siebten Auflage bleibt die UAE Tour (2.UWT) ihrem Konzept aus den vergangenen Jahren treu: Die siebentägige Rundfahrt durch die Vereinigten Arabischen Emirate bietet auf offi

21.01.2025Zum Saisonstart erlebt van Baarle einen schweren Rückschlag

(rsn) – Nach zwei schweren Verletzungen im vergangenen Jahr – Schlüsselbeinbruch beim Critérium du Dauphiné, Hüftbruch bei der Vuelta a Espana – sollte es für Dylan van Baarle in der Saison

21.01.2025Emirate setzen für ihre Frauen-Rundfahrt auf bewährtes Konzept

(rsn) – Ohne viele Neuerungen geht die UAE Tour Women (6. bis 9. Februar) in ihre dritte Auflage. Die zweite WorldTour-Rundfahrt des Jahres, die das Abu Dhabi Sports Council unter Mithilfe von Giro-

21.01.2025In dieser Saison heißt es: Die Position behaupten!

(rsn) – Auch im vergangenen Jahr war Elisa Longo Borghini eine der Protagonistinnen in den größten Rennen des internationalen Frauen-Radsport. Die 33-jährige Italienerin gewann für ihr Team Lidl

21.01.2025Classic Loire Atlantique muss abgesagt werden

(rsn) – Aufgrund finanzieller Probleme wird das für den 22. März geplante Eintagesrennen Classic Loire Atlantique (1.1) nicht stattfinden können. Wie die Organisatoren in den Sozialen Medien mitt

21.01.2025Welsford bleibt ´Down Under´ der Sprinter Nummer 1

(rsn) – Sam Welsford macht bei der 25. Tour Down Under da weiter, wo er im vergangenen Jahr aufgehört hat: beim Gewinnen. Der australische Sprinter von Red Bull – Bora – hansgrohe vollendete au

21.01.2025Im Überblick: Die Transfers der Frauen-Profiteams für 2025

(rsn) – Nachdem zahlreiche Transfergerüchte seit Monaten in der Radsportwelt zirkulieren, dürfen die Profiteam seit dem 1. August ihre Transfers offiziell bekanntgeben. Radsport-news.com samme

20.01.2025Van Empel will auch in Zukunft den Schwerpunkt auf Cross legen

(rsn) - Anders als Teamkollege Wout van Aert (Visma – Lease a Bike), der in diesem Winter seine Cross-Kampagne auf vier Einsätze reduziert hat, weil er sich auf die Klassikersaison fokussieren will

20.01.2025Tendenziell stärker als im Vorjahr

(rsn) – Echte Abstiegssorgen werden sich Teambesitzer Gerry Ryan und Manager Brent Copeland vermutlich nicht machen. Nach zwei Dritteln des aktuellen Dreijahreszyklus‘ zur Vergabe der WorldTour-Li

20.01.2025Einbrecher raubten Molanos Haus aus

(rsn) – Juan Sebastián Molano bereitet sich derzeit mit seinem Team UAE Emirates – XRG in Dubai auf die neue Saison vor. Die Abwesenheit des Kolumbianers nutzten laut einer Meldung der Zeitung â€

20.01.2025Tour of Norway fügt Frauen- zur Männer-Rundfahrt hinzu

(rsn) - Nicht nur die Leistungsdichte im internationalen Frauen-Radsport nimmt zusehends zu, auch der Rennkalender füllt sich immer mehr. Nun gaben auch die Veranstalter der Tour of Norway (2. Pro) d

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Santos Tour Down Under (2.UWT, AUS)