Das Graue Trikot 2011 – Teil 4

Vom Grauen Star zur Werbe-Ikone?

Von Guido Scholl

Foto zu dem Text "Vom Grauen Star zur Werbe-Ikone?"
Das Graue Trikot | Foto: ROTH

19.07.2011  |  (rsn) - Tja, außer Spesen nix gewesen – Andreas „Hilde“ Klöden hat mit seiner Aufgabe auch das Graue Trikot des besten Tour-Seniors (Ü 35) abgegeben. Den armen Kerl hatte es aber auch derbe zerlegt. Kann es sein, dass da jemand am Straßenrand steht und den Fahrern von Radio Shack Schmierseife unter die Pneus kippt?

Man muss sich das ja mal genau vor Augen führen: Erste schwere Bergetappe, erster Berg der 2. Kategorie dieser Tour gerade absolviert, erste längere Abfahrt bei der Tour 2011. Und wer liegt im Graben? Klöden mit Winokourow. Dann die erste Hochgebirgsetappe, erster Berg der 1. Kategorie dieser Tour gerade bezwungen, erste Kurve der Abfahrt. Wen zerlegt es? Klöden. Diesmal ohne Wino, der hatte sich da ja schon mit Knochenbruch abgemeldet.

Im Alter werden Menschen leidensfähiger. Aber als sie den morsch geklopften Klöden im Ziel der ersten Pyrenäen-Etappe vom Fahrrad heben mussten, weil er vor lauter Blutergüssen versteifter war als jeder Carbon-Rahmen, wurde irgendwie klar, dass es mit dem ersten deutschen Sieg im Senioren-Klassement nichts werden würde. Die Quälerei könnte sich für „Hilde“ aber noch rentieren (in dem Wort steckt Rente drin): Bei den Bildern vom nahezu bewegungsunfähigen Klöden sind gleich mehrere Rollatoren-Hersteller auf einen potenziellen Werbeträger aufmerksam geworden. Glückwunsch, Andreas.

Aber der Deutsche hat einen Team-internen Nachfolger als Graue Eminenz der Tour. Levi Leipheimer, der jetzt solo in der RadioShack-Senioren-WG wohnt, hat den Stab vom tapferen Deutschen übernommen. Levi führt mit 4:18 Minuten vor Chrischi Vande Velde. Da David Moncoutié im Schlepptau des Hammer-Schwingers Thor Hushovd in den Alpen gleich bündelweise Minuten gut gemacht hat, ist auch der Franzose mit 5:09 Minuten Rückstand noch im Geschäft.

Schorse Hincapie bildet auf Platz vier, 28:54 Minuten zurück, das Bindeglied zum neun Fahrer umfassenden Tabellenkeller. Dort tummeln sich von Grischa Niermann (+41:10) bis Matteo Tosatto (+1:29:18) die Fahrer, die sich in Sachen Verspätung am Gebaren der Deutschen Bahn orientieren. Julian Dean schließt die Senioren-Grauzone mit 1:51:40 Rückstand ab. Die Graue Laterne scheint ihm gewiss.

Klar, der beste Tour-Senior spielt im großen Geschäft maximal eine Gastrolle, weil er mit fast 17 Minuten Respektsabstand zum Mann in Gelb schon einen Hilfsmotor bräuchte, um noch aufs Podest zu humpeln. Trotzdem mischen die Alten bei der Tour kräftig mit. Beispielsweise Alessandro Petacchi mit Platz drei im Massenspurt der 15. Etappe.

Nicht vergessen, der Ale-Jet fährt unter erschwerten Bedingungen: Selbst sein Anfahrer, Danilo Hondo, ist schon nah dran am Verfallsdatum für Radprofis. Und in den Pyrenäen glänzte der Sprinter, der bei der Tour früher an jeder asphaltierten Sanddüne abgehängt wurde, mit einem achten Tagesrang. Da düste der Alessandro über eine „Düne“ namens Col d’Aubisque.

Und dann wäre da noch Jens Voigt, der am Tourmalet seine vermeintliche deutsche Nachfolge-Generation in Person von Linus Gerdemann und Tony Martin aus den Puschen fuhr. „Da ist noch leben in dem alten Hund“, triumphierte Voigte, nachdem er sich mal wieder beim halben Fahrerfeld unbeliebt gemacht hatte. Dem Jens war das Ganze aber auch irgendwie unangenehm, weil Fahrer unter 30 Jahren bei ihm eigentlich Welpenschutz genießen.

Voigte ist auch der Grund, warum die Sache mit dem Hilfsmotor leider nicht umsetzbar ist. Denn unter dem Motto „Elektro statt Epo“ hatte es vor nicht allzu langer Zeit eine Initiative gegeben, die die Chancengleichheit greiser Rennfahrer herstellen sollte: 1,5 PS aus der Steckdose für jedes Lebensjahr über 34 sollten den Grauen Panthern auf die Sprünge helfen. Doch das entscheidende Gegenargument kam ausgerechnet aus dem Hause Leopard-Trek: „Mit 7,5 PS mehr unterm Hintern fährt Jens die beiden Schlecks aus dem Zeitlimit“, hieß es in der offiziellen Stellungnahme der Teamleitung.

Und außerdem: Wenn jedes Lebensjahr mit 1,5 Pferdestärken vergütet würde, dann führe der Jens mit Mitte 50 noch jede Ausreißergruppe zu Klump. Also müssen die Radsport-Opas weiter mit purer Muskelkraft die Berge hoch. Der Gedanke der Barrierefreiheit ist in Frankreich noch nicht angekommen.
In dem Sinne: Trotzdem locker bleiben.

Ü35-Gesamtwertung:

1. Levi Leipheimer (RSH)
2. Chrischi Vande Velde (GRM) +4:18
3. David Moncoutié (COF) +5:09
4. Schorse Hincapie (BMC) +28:54
5. Grischa Niermann (RAB) +41:10
6. Voigte (LEO) +47:23
7. Stu O'Grady (LEO) +1:04:55
8. Nicki Sörensen (SAX) +1:07:18
9. Sébastien Hinault (ALM) +1:21:14
10. Danilo Hondo (LAM) +1:21:50
11. Alessandro Petacchi (LAM) +1:22:59
12. Matteo Tosatto (SAX) +1:29:18
13. Julian Dean (GRM) +1:51:40

DNF: Klödi, Horner, Wino, Garate

Weitere Radsportnachrichten

12.12.2025Canyon spendiert van der Poel eine frische Lackierung

(rsn) - Laut Canyon geht die Geschichte folgendermaßen: 2017 hatte man zum ersten Mal ein Cyclocross-Carbonrad, das Canyon Inflite, entwickelt und wollten ein dazu passendes Cyclocross-Team. Ziemlic

12.12.2025Lidl-Trek-Neuzugang Ayuso will bei der Tour aufs Podium

(rsn) – Mit ziemlich genau einer halben Stunde Verspätung trat Juan Ayuso beim Medientag seiner neuen Mannschaft Lidl – Trek in Delia vor die anwesenden Journalisten. Die hatten zwar 30 Minuten a

12.12.2025Van der Poel: “Sollte reichen, um sofort um den Sieg mitzufahren“

(rsn) – Drei Monate nach seinem bisher letzten Renneinsatz – Platz 29 bei der Mountainbike-WM – brennt Mathieu van der Poel darauf, wieder in den Wettbewerbsmodus umzuschalten. “Ich fühle mic

12.12.2025Die Trikots der WorldTour-Teams für die Saison 2026

(rsn) - Wie sieht das Peloton 2026 aus? Welche Farben werden in der kommenden Saison vorherrschend sein? Nach und nach stellen die WorldTour-Rennställe ihre Trikots für das neue Jahr vor - den Anfan

12.12.2025Auf welchen Rädern sind die Frauen 2026 unterwegs?

(rsn) - Bei den Profiteams der Frauen fühlen sich offenbar alle Hersteller bei ihren aktuellen Partnern wohl. Zumindest wechselt oder verlässt keine Radmarke das Team. Veränderungen gibt es nur, we

12.12.202556 Fahrerinnen und Fahrer: Movistar stellt seine Teams vor

(rsn) – Insgesamt 56 Radsportler und Radsportlerinnen, verteilt auf das Männer-, das Frauen und das neu gegründete Nachwuchsteam, präsentierten sich am Donnerstag im Palau de les Arts von Valenci

12.12.2025Quereinsteigerin verdiente sich Respekt im WorldTour-Feld

(rsn) – Aus Bonaduz in der Nähe von Chur stammt Ginia Caluori, die in diesem Jahr nicht nur auf der Straße ihre ersten Topresultate einfahren konnte, sondern auch auf dem Mountainbike - und das al

12.12.2025Visma verlängert vorzeitig mit Top-Talent Brennan

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

12.12.2025Nur ein Sieg fehlte zur perfekten ersten Profisaison

(rsn) – 58 Renntage weist unser Statistikpartner firstcycling.com für Tim Torn Teutenbergs erstes Profijahr bei Lidl – Trek aus. 27 Mal landete er dabei unter den ersten Zehn. Eine herausragen

12.12.2025Die Radsport-News-Jahresrangliste der Frauen 2025

(rsn) – Seit dem Jahr 2013 blicken wir am Ende der Straßenradsaison neben der Jahresrangliste der Männer auch auf das Jahr der Frauen mit entsprechendem RSN-Ranking zurück. Berücksichtigt werden

12.12.2025Die Radsport-News-Jahresrangliste der Männer 2025

(rsn) – Es ist inzwischen RSN-Tradition. Und auch wenn sich mit Christoph Adamietz der Vater der Idee vor einem Jahr aus unserem Autoren-Team verabschiedet hat, so soll diese Tradition fortgesetzt w

12.12.2025Uijtdebroeks: Als klarer Leader endlich zum Glück?

(rsn) – Auf der Bühne bei der Teampräsentation seines neuen Movistar-Teams im Kunstpalat der Königin Sofia, einem architektonisch beeindruckenden Opernhaus in Valencia, wurde er erst einmal gefop

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Tour de Gyeongnam (2.2, KOR)