Heikos WM

Boonen: Von Diesel auf Turbo

Von Heiko Salzwedel

26.09.2005  |  Ein Ergebnis wie erwartert, möchte man sagen angesichts des von vielen als Sprinterkurs bezeichneten WM-Parcours von Madrid. Allerdings gab es vor dem Rennen auch andere Meinungen. Erik Zabel etwa bezeichnete die Strecke als schwer und hatte Alexander Winokurow ganz oben auf seiner Liste. Die Wahrheit liegt, wie so oft, auch hier in der Mitte. Auch wenn am Ende ein Sprinter vorne war – dieser Kurs war nicht ausschließlich etwas für die schnellen Männer. Er hatte seine Schwierigkeiten und war einer Weltmeisterschaft durchaus würdig.

Der neue Weltmeister Tom Boonen ist schon mit 24 Jahren ein ganz Großer. Mit seiner herzerfrischenden Fahrweise und seiner unkomplizierten Art erobert Boonen nicht nur in seinem Heimatland Belgien die Herzen der Fans im Sturm.

Neben der unbestreitbaren Klasse des neuen Weltmeisters gibt es einen weiteren Grund für seinen Triumph: die Vorbereitung. Boonen stieg nach zwei Wochen aus der Spanien-Rundfahrt aus und bereitete sich dann speziell auf die WM vor. Das erwies sich als der richtige Weg. Zwischen einer Mehretappenfahrt und einem Eintagesrennen sollten mindestens zehn Tage Pause liegen, um dem Körper genug Zeit zur Regeneration zu geben. Das hat Boonen so gemacht und auch Paolo Bettini, der ebenfalls eine gute Rolle im Rennen spielte. Boonens Ausstieg auf der 14. Vuelta-Etappe, Bettinis Rückzug nach der 18. gab beiden ausreichend Zeit, von Diesel auf Turbo umzuschalten und sich auf die Besonderheiten eines Eintagesrennens vorzubereiten.

Dagegen sind Top-Favorit Alessandro Petacchi und Erik Zabel die Vuelta voll durchgefahren, Petacchi gewann sogar noch die Abschlussetappe. Gestern konnten beide bei der Medaillenvergabe nicht mitreden. Sechs Tage Pause zwischen zwei so wichtigen, aber völlig gegensätzlichen Wettkämpfen sind meiner Ansicht nach zu wenig.

Robbie McEwen dagegen fehlte vor dem Großereignis Weltmeisterschaft die nötige Belastung. Die Eintagesrennen, die er als Vorbereitung bestritt, waren nicht hart genug. Der „Belastungsreiz“ einer langen Rundfahrt hat gefehlt. Vielleicht haben Robbie seine leichten Siege in den letzten Wochen auch zu selbstsicher gemacht. Nach dem Rennen erwies sich McEwen aber als fairer Verlierer und zollte Tom Bonnen seinen Respekt.

Neben Boonen hat mich auch der Silbermedaillengewinner Alejandro Valverde einmal mehr begeistert. Der 24 jährige Spanier zählt wie der Weltmeister zur Garde der „Jungen Wilden“, die in den nächsten Jahren die schon begonnene Wachablösung im internationalen Radsport vollenden werden. Valverde, nicht mehr nur ein außergewöhnliches Talent, sondern ebenfalls schon ein großer Rennfahrer, wird den Spaniern, seinem Team und uns allen in den kommenden Jahren noch viel Freude bereiten. Ebenso wie Fabian Wegmann: Der junge Freiburger ist ein ganz engagiertes Rennen gefahren und hat in Madrid seine Qualitäten einmal mehr unter Beweis gestellt.

Ein Blick auf das Klassement dieses Tages zeigt, dass die ersten Zehn dieser WM aus zehn verschiedenen Ländern kommen. Das belegt wieder meine Einschätzung, dass der Radsport ist auf dem besten Weg ist, zu einer weltumspannenden Sportart zu werden. Der Schwede Marcus Ljungqvist auf Rang vier, der Brasilianer Murilo Fischer auf Platz fünf, der Neuseeländer Julien Dean als Neunter – so viel Abwechslung war selten und es sind längst nicht mehr nur die klassischen Radsportländer, aus denen die Topfahrer kommen.

Zum Abschluss ein Wort zu Erik Zabels Favoriten, Alexander Winokurow. Beim Kasachen deutete, von seinem Giant-Rad abgesehen, sowohl beim Einzelzeitfahren als auch beim Straßenrennen äußerlich nichts mehr darauf hin, dass er ja noch bei T-Mobile unter Vertrag steht. Werden wir Alexander Winokurow in dieser Saison bei einem Rennen noch sehen oder hat er sich bereits von Magenta verabschiedet?

Zur Person

Heiko Salzwedel ist einer der erfolgreichsten deutschen Radsporttrainer. Er führte im Jahr 1989 als Nationaltrainer der DDR-Bahnradfahrer den Vierer zu WM-Gold. Nach der Auflösung der DDR wurde er australischer Nationaltrainer und betreute Fahrer wie Robbie McEwen, Henk Vogels, Mathew White, Patrick Jonker und Kathy Watt. In seiner Profi-Mannschaft ZVVZ-GIANT-A.I.S. begannen Sportler wie Jens Voigt, Tomas Konecny, Jan Hruska, Nick Gates oder die beiden älteren Brüder von Michael Rogers (Deane und Peter) ihre erfolgreiche internationale Karriere.

Weitere Stationen des 48 jährigen Globetrotters aus dem thüringischen Schmalkalden waren das Amt des Leistungssportreferent beim Bund Deutscher Radfahrer, Teammanager im Britischen Radsportverband sowie Chef-Trainer der deutschen Frauen-Profimannschaft Equipe Nürnberger. Derzeit ist Salzwedel für die Nachwuchsförderung bei T-Mobile zuständig und Nationaltrainer der dänischen Bahn-Radsportler.

Heiko Salzwedel im Internet:

Weitere Radsportnachrichten

04.07.2025Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir über die w

04.07.2025Nach Grün in Nizza hofft Girmay auf Gelb in Lille

(rsn) – Erstmals seit 2020, als Alexander Kristoff in Nizza den Grand Départ für sich entscheiden konnte, bietet sich zum Auftakt der Tour de France den Sprintern die große Chance auf das Gelbe T

04.07.2025Zum Auftakt im Norden stehen die Zeichen auf Sprint Royal

(rsn / ProCycling) – Im Norden Frankreichs beginnt die Tour de France 2025. Knapp 185 Kilometer absolviert das Peloton in einer langen Schleife rund um Lille, das nach 1960 und 1995 bereits zum drit

04.07.2025Lipowitz will die Tour genießen und Roglic “bestmöglich unterstützen“

(rsn) – Spätestens nach seinem dritten Platz beim Critérium du Dauphiné (2.UWT) sind die Erwartungen an Florian Lipowitz nochmals gestiegen. Die Tour-Generalprobe hatte sein Team Red Bull – Bor

04.07.2025Aldag: “Wir haben alles gemacht, um die Tour zu gewinnen“

(rsn) - Red Bull – Bora – hansgrohe nimmt den zweiten Anlauf, um mit Primoz Roglic die Tour de France zu gewinnen. Darauf hat sich das einzige deutsche WorldTour-Team vorbereitet. Was die Raublin

04.07.2025Wechselt Groenewegen zu Unibet - Tietema Rockets?

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

04.07.2025Statt dem Duell gegen Vingegaard erneut eine Pogacar-Show?

(rsn) – Im Grunde ist die Geschichte schnell erzählt: Seit 2021, also seit Tadej Pogacar (UAE – Emirates – XRG) und Jonas Vingegaard (Visma – Lease a Bike) gemeinsam die Tour de France bestri

04.07.2025Bauhaus will im ´Freestyle´ an die richtigen Hinterräder

(rsn) – Fünf Top-5-Platzierungen hat Phil Bauhaus (Bahrain Victorious) bei seinen zwei Tour-de-France-Teilnahmen bislang ersprintet – drei 2023, zwei 2024. Im dritten Anlauf sollen noch ein paar

04.07.2025Teams packen zur Tour wieder Sondertrikots aus

(rsn) – Es ist inzwischen ein jährlich wiederkehrendes Ritual: Kurz vor der Tour de France präsentieren einige Mannschaften Sondertrikots für die drei Wochen in Frankreich. Weil zum Saison-Highli

04.07.2025Brilliert Milan bei seiner Tour-Premiere?

(rsn) – Der diesjährige Grand Départ bietet erstmals seit 2020 wieder den Sprintern die Chance, das Gelbe Trikot zu erobern, denn gleich in Lille stehen die Zeichen am Ende der 1. Etappe auf Masse

04.07.2025Die Aufgebote für den 36. Giro d´Italia Women

(rsn) – Mit dem Giro d’Italia Women (6. – 13. Juli / 2.WWT) steht einen Tag nach dem Start der Tour de France der Männer die zweite Grand Tour der Frauen an. Die 36. Ausgabe der Italien-Rundfa

03.07.2025Die zehn deutschen Starter bei der 112. Tour de France

(rsn) – Zehn deutsche Radprofis und damit so viele wie zuletzt 2021, als noch Tony Martin oder André Greipel am Start waren, werden am 5. Juli in Lille die Tour de France 2025 in Angriff nehmen. Im

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Course de Solidarnosc (2.2, POL)
  • Sibiu Tour (2.1, ROU)