Österreicher auf Tuchfühlung mit der Weltspitze

Gall: “Was mache ich überhaupt hier?“

Von Joachim Logisch (Morzine)

Foto zu dem Text "Gall: “Was mache ich überhaupt hier?“"
Felix Gall (AG2R Citroën) kämpft sich in die Top Ten der Tour de France vor | Foto: Cor Vos

15.07.2023  |  (rsn) - Die Selektion unter den Klassementfahrern hinauf zum Col de Joux Plane ließ nicht lange auf sich warten. Ein Fahrer nach dem anderen musste beim Tempo von Jumbo – Visma abreißen lassen, nach wenigen Kilometern im Anstieg bestand die Favoritengruppe nur noch aus den vier Podiumsanwärtern, den Edelhelfern Adam Yates (UAE Team Emirates) und Sepp Kuss (Jumbo – Visma) sowie einem wehrhaften Österreicher, der sich nicht abschütteln ließ: Felix Gall (Ag2r – Citroën). Für den 25-Jährigen war es das endgültige Zeichen, dass er im Kreis der besten Klassementfahrer bei dieser Tour de France angekommen ist.

Erst 5,5 Kilometer vor dem Gipfel musste Gall die Gruppe ziehen lassen und erreichte nach der Abfahrt das Ziel der 14. Etappe in Morzine zusammen mit Jai Hindley (Bora – hansgrohe) schließlich mit 1:46 Minuten Rückstand. Da andere Klassementfahrer jedoch deutlich mehr Zeit einbüßten, verbesserte sich Gall in der Gesamtwertung um fünf Plätze auf Rang neun (+ 12:26 Minuten).

"Es war nicht der Plan, dass ich mich bei der Tour auf das Klassement konzentriere, aber es läuft gut bislang. Heute war ich am letzten Berg echt überrascht, als ich mich umdrehte und sah, wer noch um mich war. Da habe ich mich gefragt, was mache ich überhaupt hier?“, sagte Gall nach Etappenende zu radsport-news. Dass sein Leistungsvermögen ein neues Niveau erreicht hat, bewies Gall zuletzt bei der Tour de Suisse, bei der er eine Etappe gewann, für einen Tag das Führungstrikot trug und erst im flachen Abschlusszeitfahren – nicht seine Paradisziplin – einen Podestplatz im Gesamtklassement gegen Rang acht eintauschen musste. Für eine gute Tour de France musste man Gall daher auf dem Zettel haben – auf einen Top-Ten-Platz hat ihn aber kaum jemand gesetzt.

Am Col de Ramaz wollte sich Gall schon zurückfallen lassen

Die Tour bleibt jedoch bis zur letzten Etappe ein Drahtseilakt, dafür braucht Gall nur auf die Konkurrenz zu schauen, die er an diesem Tag durch Stürze oder größere Zeiteinbußen im Klassement überholte. Und auch der Österreicher hatte während der 14. Etappe seine Höhen und Tiefen. Insbesondere die Anfangsphase mit dem Massensturz und dem erneut hohen Tempo setzte ihm zu.

"Der Start war ziemlich verrückt. Ich war hinter dem Sturz und hatte echt Angst. Es gab keinen Moment zum Verschnaufen, weil immer Vollgas gefahren wurde“, sagte Gall und fügte an: "Ich fühlte mich zu Beginn nicht so gut und am zweiten Berg war das Tempo schon so hoch, dass ich mich zurückfallen lassen wollte.“ Dann sah er jedoch, dass unter dem Tempodiktat von Jumbo – Visma am Col de la Ramaz (1. Kategorie) auch Fahrer wie Emanuel Buchmann (Bora – hansgrohe) und Thomas Pidcock (Ineos Grenadiers) Probleme hatten. "Da fand ich dann noch ein paar Prozent, um mich festzubeißen“, so Gall. Zwar fiel er in der Abfahrt ebenfalls kurzzeitig aus der Gruppe heraus, kämpfte sich anschließend unter anderem mit Simon Yates (Jayco – AlUla) aber wieder heran.

Kann Gall einen Top-Ten-Platz bis Paris verteidigen?

"Am letzten Anstieg (dem Col de Joux Plane, Anm. d. Red.) fühlte ich mich besser. Und da war ich mir sicher, dass ich einen guten Tag habe. Aber ich musste extrem tief gehen“, sagte Gall. Die Mühen haben sich jedoch gelohnt: Er steht nun erstmals in seiner Karriere in den Top Ten einer Grand Tour – und hat gute Chancen, diesen Status bis zum Ende der Tour zu behalten. Zwar steht nach dem zweiten Ruhetag noch ein Einzelzeitfahren an, Galls Wackeldisziplin, allerdings ist dieses mit nur 22,7 Kilometern überschaubar lang und teilweise für Bergfahrer konzipiert – sein Zeitverlust könnte sich daher in Grenzen halten. Und für die noch anstehenden Bergetappen hat Gall am Col de Joux Plane gezeigt, dass er im Hochgebirge mehr als konkurrenzfähig ist.

Dennoch spürt auch Debütant Gall, der in der ersten Woche für einen Tag das Bergtrikot trug, inzwischen die Anstrengungen der Tour. "Ich bin jetzt leer, war komplett am Limit, aber wer ist das nicht“, sagte er im Ziel der 14. Etappe. "Es sind noch ein paar harte Tage, aber wir können, egal wie das ausgeht, ganz zufrieden sein.“ Den Top-Ten-Platz dürfte er aber trotzdem nur noch ungern hergeben.

Mehr Informationen zu diesem Thema

11.06.2024Cofidis setzt auf erfahrenes Tour-Team inklusive Geschke

(rsn) – Die französische WorldTour-Mannschaft Cofidis präsentierte am Dienstag die ersten sechs Fahrer ihres Tour-de-France-Kaders in einer Presseaussendung und verkündete dabei auch, dass Simon

10.01.2024“Wir brauchen keine vier Soßen“: Wie Roglic Bora besser macht

(rsn) – Primoz Roglic macht Bora – hansgrohe besser. Das lässt sich schon sagen, bevor der Slowene überhaupt ein einziges Rennen gefahren ist. Während sich das erst Anfang März ändern und Rog

07.10.2023Thomas: “Ineos Grenadiers ist ein Team im Wandel“

(rsn) – Der letzte Tour-de-France-Sieg liegt schon vier Jahre zurück und vor allem daran lässt sich ablesen, dass Ineos Grenadiers längst nicht mehr das beste Grand-Tour-Team der Welt ist. Dennoc

30.07.2023Niewiadoma machte ihre Hausübungen für die Pyrenäen

(rsn) – Als am Col d‘Aspin auf der 7. Etappe der Tour de France Femmes die beiden Favoritinnen Demi Vollering (SD Worx) und Annemiek Van Vleuten (Movistar) erstmals in die Offensive gingen, konnte

27.07.202320 Sekunden Zeitstrafe: Vollering und SD Worx entsetzt

(rsn) – Der Kampf um den Gesamtsieg bei der Tour de France Femmes, er war bislang einer um Sekunden. Lediglich deren acht hatte Demi Vollering (SD Worx) an den ersten vier Tagen mit großem Aufwand

27.07.2023Cofidis erfolgreich, aber Geschke “nicht so gut drauf“

(rsn) – Am Sonntag erwartete Simon Geschke (Cofidis) seine Teamkollegen in Paris zum großen Finale der 110. Tour de France, die er auf der 18. Etappe aufgrund heftiger Magenprobleme verlassen musst

26.07.2023Vingegaard euphorisch in Kopenhagen empfangen

(rsn) – Der Sieger der Tour de France, der Däne Jonas Vingegaard (Jumbo – Visma), wurde am Mittwochnachmittag in Kopenhagen von mehreren 10000 Menschen empfangen. Eine große Menge versammelte si

25.07.2023Buchmann zweifelt an seinem Comeback als GC-Fahrer

(rsn) - Für einen Moment war die Hoffnung wieder da. Die Hoffnung darauf, einen Emanuel Buchmann zu sehen, wie er sich im Juli 2019 bei der Tour de France präsentiert und dabei einen sensationellen

24.07.2023Tour-Achter Gall derzeit kein Thema für Bora - hansgrohe

(rsn) – Auch wenn ab August wieder Wechsel verkündet werden dürfen: Bora – hansgrohe und Felix Gall (AG2R - Citroën) werden nicht in einem Satz auftauchen. Nach der starken Vorstellung des Öst

24.07.2023Auch ohne Etappensiege imponieren Bauhaus und Zimmermann

(rsn) – Wie im Vorjahr kein Etappensieg und kein Fahrer in den vordersten Regionen des Klassements: Die Bilanz der nur sieben deutschen Starter bei der 110. Tour de France liest sich auf den ersten

24.07.2023Rückblick: Die 110. Tour de France in Zahlen

(rsn) – Drei hart umkämpfte Wochen, 21 Etappen und insgesamt 3405 Kilometer liegen hinter den Teilnehmern der diesjährigen Tour de France. Radsport-news.com blickt auf die 110. Frankreich-Rundfah

24.07.2023Pogacar vs. Vingegaard: Wer ist der beste Rundfahrer?

(rsn) – Wer ist der beste Rundfahrer der Welt? Für diesen inoffiziellen Titel kommen derzeit nur zwei Profis in Betracht: Jonas Vingegaard (Jumbo – Visma) und Tadej Pogacar (UAE Team Emirates). D

Weitere Radsportnachrichten

23.12.2025Del Grosso schlägt van Aert in Heusden-Zolder im Sprintduell

(rsn) – Tibor del Grosso (Alpecin – Deceuninck) hat in Heusden-Zolder seinen ersten internationalen Profisieg im Cross gefeiert. Bei der Superprestige war er im Sprintduell schneller als Wout van

23.12.202517.600 Fans beim Comeback: Hofstade reif für eine WM?

(rsn) – Erstmals seit 17 Jahren wurde in Hofstade wieder ein Crossrennen ausgetragen – und die Rückkehr in den Kalender war ein voller Erfolg. Nach Angaben der Veranstalter sahen 17.600 Zuschauer

23.12.2025Fouquenet feiert in Heusden-Zolder ihren bisher größten Sieg

(rsn) – Erstmals in ihrer Karriere hat Amandine Fouquenet (Arkéa – B&B Hotels) ein Rennen einer der drei großen Crosserien gewonnen. Bei der Superprestige in Heusden-Zolder kam die Französin a

23.12.2025HLN: Van Aert startet bei Strade Bianche in die Straßensaison 2026

(rsn) – Wout van Aert (Visma – Lease a Bike) wird laut einer Meldung der belgischen Tageszeitung bei Strade Bianche und Mailand-Sanremo in seine Straßensaison 2026 starten. Der Belgier hatte die

23.12.2025Manche Dinge “stimmten voll zufrieden, manche halt gar nicht“

(rsn) – Seit Jahren gehört Christina Schweinberger (Fenix – Deceuninck) zu den Aushängeschildern des österreichischen Radsports. Sie sorgt für Topergebnisse in der WorldTour, aber auch im Trik

23.12.2025Italien: Autofahrer schießt auf Trainingsgruppe eines KT-Teams

(rsn) – Die Aggressionen gegen auf öffentlichen Straßen fahrende Radsportler haben offensichtlich eine neue, schockierende Stufe erreicht. Wie das italienische Kontinental-Team S.C. Padovani Polo

23.12.2025Van der Poel nach weiterer Attacke: “Schon besser als Bier“

(rsn) – Mathieu van der Poel (Alpecin – Deceuninck) ist in seiner Karriere schon öfter an der Strecke angepöbelt und attackiert worden – unter anderem mit Bierbechern. Beim diesjährigen Paris

23.12.2025Weltmeisterin Vallières verlängert mit EF Education - Oatly

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

23.12.2025Die Radsport-News-Jahresrangliste der Frauen 2025

(rsn) – Seit dem Jahr 2013 blicken wir am Ende der Straßenradsaison neben der Jahresrangliste der Männer auch auf das Jahr der Frauen mit entsprechendem RSN-Ranking zurück. Berücksichtigt werden

23.12.2025Unscheinbare Größe mit starker Saison und viel Grund zum Jubeln

(rsn) – 29 Saisonsiege durfte Felix Großschartner in der Saison 2025 mit seiner Mannschaft feiern und erstmals seit 2021 war auch ein eigener erster Platz außerhalb von Österreichischen Meistersc

23.12.2025Die Radsport-News-Jahresrangliste der Männer 2025

(rsn) – Es ist inzwischen RSN-Tradition. Und auch wenn sich mit Christoph Adamietz der Vater der Idee vor einem Jahr aus unserem Autoren-Team verabschiedet hat, so soll diese Tradition fortgesetzt w

22.12.2025Van der Poel macht den Sand-Hattrick in Hofstade perfekt

(rsn) - Antwerpen, Koksijde und Hofstade – Mathieu van der Poel (Alpecin – Deceuninck) hat drei Sandrennen in drei Tagen gewonnen und seinen vierten Saisonsieg bei seinem vierten Einsatz gefeiert.

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Tour de Gyeongnam (2.2, KOR)