Konkurrenten würdigen besten Sprinter der Welt

Cavendish verlässt die größte Bühne im Krankenwagen

Von Kevin Kempf

Foto zu dem Text "Cavendish verlässt die größte Bühne im Krankenwagen "
Mark Cavendishs Träume und sein Schlüsselbein zerbrachen auf dem Asphalt. | Foto: Cor Vos

08.07.2023  |  (rsn) – Der wohl beste Sprinter aller Zeiten verließ am Samstagnachmittag die größte Bühne – allerdings nicht auf den Schultern jubelnder Fans, sondern im Krankenwagen. 60 Kilometer vor dem Ziel der 9. Tour-Etappe zerbrach wie sein rechtes Schlüsselbein Mark Cavendishs großer Traum vom 35. Tagessieg bei der Tour de France.

Mit leerem Blick, so, als ob er noch gar nicht realisieren könne, was ihm gerade widerfahren sei, stieg der 38-jährige Brite in einen Krankenwagen, der ihn in eine Klinik brachte, wo sich nicht nur der Verdacht auf eine Fraktur bestätigte. Wie Astana am Abend auf Twitter mitteilte, habe sich zudem die Schraube im Schulterblatt gelockert, die Cavendish seit seinem Sturz auf der 4. Etappe der Tour de France 2017 dort trägt.

Nach dem schmerzhaften Tour-Aus bleibt Cavendish nun gleichauf mit Eddy Merckx, der in seiner Karriere ebenfalls 34 Mal am Ende einer Etappe der Frankreich-Rundfahrt jubeln durfte. Während der Belgier schon seit 1978 seinen Radsport-Ruhestand genießt, wird Cavendish zum Saisonende das Rad an den Nagel hängen. Am Freitag noch hätte er sich fast den alleinigen Rekord geholt. Eine defekte Schaltung und Jasper Philipsen (Alpecin – Deceuninck) verhinderten den 35. Sieg des Manx Man - ausgerechnet in Bordeaux, wo Cavendish 2010 bei seiner zweiten Teilnahme seinen damals zehnten Tageserfolg bei der Tour feierte.

Der Belgier wurde, wie die meisten Profis, die im Ziel zum Gespräch gebeten wurden, auch zu Cavendishs Ausscheiden befragt. “Er war auf einem guten Weg, eine Etappe zu gewinnen und den Rekord von Merckx zu brechen, und es ist sehr bedauerlich, dass seine Geschichte bei der Tour de France auf diese Weise zu Ende geht. Er hat mich wirklich inspiriert, denn er ist der beste Sprinter aller Zeiten. Er ist eine Legende und ein großes Vorbild für mich", so Philipsen, der acht Jahre alt war, als Cavendish 2007 bei T-Mobile Profi wurde.

Teamkollege Moscon wurde Zeuge des Unfalls

Auch wenn Cavendishs Vertrag bis zum Jahresende läuft und noch nicht sicher ist, ob er nicht doch nochmal in den Rennsattel zurückkehrt, so fühlt sich dieses “DNF“ wie ein Abschied an. Sein Teamkollege Gianni Moscon wurde Zeuge des Unfalls. “Wir waren am Ende des Feldes nach dem Berg und vor uns war ein Sturz. Cav musste bremsen, jemand ist ihm vors Rad gefahren und er ist über das Hinterrad gestürzt“, beschrieb der Italiener die Szene.

“Ich blieb bei ihm, aber es sah gleich so aus, dass er nicht weiterfahren kann. Daher mussten wir ins Feld zurück. Da kannst du nicht viel machen. Er musste aufgeben. Es ist ein trauriger Tag für uns“, fügte Moscon an. Cavendishs ehemaliger Anfahrer und jetziger Coach Mark Renshaw machte deutlich: “Das tut heute mehr weh als gestern. Ich dachte nicht, dass das noch möglich ist. Wir wussten, dass seine Form gut genug für einen Sieg war. Er ist – wie das ganze Team – sehr enttäuscht, denn wir waren hier mit einem klaren Ziel. Ich werde nicht lügen. Ich habe geweint“, gab der Australier zu.

Die Kollegen leiden mit Cavendish

Als Renshaw am velon.cc-Mikrofon Rede und Antwort stand, war Cavendish auf dem Weg ins Krankenhaus. Gegenüber dem ZDF beschrieb derweil einer der wenigen Topsprinter, die den Briten zu dessen bester Zeit schlagen konnten, seine Gefühle angesichts der Bilder, die er zu kommentieren hatte. “Es ist absolut dramatisch, durch einen vermeintlich so kleinen Sturz die Tour beenden zu müssen, das hat mir weh getan. Die Enttäuschung sitzt tief bei ihm, aber auch bei seinen Fans. Jeder hat gehofft, dass er vielleicht doch noch den Merckx-Rekord bricht. Was bleibt ist ein großer Sportler, der viel erreicht hat“, sagte Marcel Kittel.

Deutlich weniger erfolgreich in seinen zahlreichen Duellen mit Cavendish war dagegen Peter Sagan (TotalEnergies), der ebenfalls seine letzte Saison als Straßenprofi bestreitet. “Ich habe ihn nur einmal geschlagen – und das war ein sehr wichtiges Rennen für mich!“, erinnerte sich der Slowake bei velon.cc an seinen damals zweiten WM-Titel in Doha 2016, den er sich im Sprint vor Cavendish sicherte.

Wie Sagan und Cavendish war auch Etappengewinner Mads Pedersen (Lidl – Trek) bereits Weltmeister. Außerdem verbindet den Dänen mit dem Briten noch eine Absprache, die sie nun nach der Tour in die Tat umsetzen müssen. “Er schuldet mir noch einen Trikotwechsel“, sagte Pedersen im Ziel-Interview. Das Tauschgeschäft war vermutlich von ihm initiiert worden, denn auch Pedersen sprach nur in den höchsten Tönen vom Astana-Profi: “Für mich war es immer ein Genuss, mit Mark zu fahren. Ich hatte ein gutes Verhältnis mit ihm. Es ist schade, wenn eine Legende die Tour so verlassen muss.“

Eine einmalige Karriere

Cavendish kam 2005 nach Deutschland zum Drittdivisionär Team Sparkasse. Zwei Jahre späterer wurde er Profi beim T-Mobile-Rennstall, der später Columbia und HTC als Hauptsponsoren hatte. Seine nächste Station war Sky, bevor er nach Belgien zum Quick-Step-Team wechselte. Es folgten vier Jahre bei Dimension Data und eine Saison bei Bahrain – McLaren. Nach einem erfolglosen Jahr kehrte Cavendish zurück zu Quick-Step. Am Ende seines Zweijahresvertrags schien Cavendish beim Zweitdivisionär B&B Hotels unterzukommen. Als der Rennstall am Jahresende dann aber Konkurs anmelden musste, ergriff Astana die Möglichkeit und verpflichtete Cavendish zu Beginn dieser Saison.

Für die Kasachen gewann er beim Giro d’Italia die Schlussetappe, es war sein 17. Tageserfolg bei der Italien-Rundfahrt. Neben diesen und den 34 Etappensiegen bei der Tour holte Cavendish sich auch drei Teilstücke der Vuelta Espana. In seiner Karriere stand er bei 164 UCI-Rennen ganz oben auf dem Podest. Aber nicht nur bei Etappenrennen sprintete Cavendish als Erster über den Zielstrich. In seinen Palmares stehen auch der WM-Titel (2011), Mailand-Sanremo (2009) und dreimal der Scheldepreis, die inoffizielle Weltmeisterschaft der Sprinter.

Auch auf der Bahn war Cavendish Weltklasse. Dreimal - davon zweimal mit Toursieger Bradley Wiggins - gewann er im Madison WM-Gold. In Rio de Janeiro sicherte er sich 2016 zudem Olympiasilber im Omnium.

Mehr Informationen zu diesem Thema

25.06.2024Tour de France im Rückblick: Die letzten zehn Jahre

(rsn) - Die Tour de France ist die wichtigste Rundfahrt im internationalen Radsportkalender. Vor der am 29. Juni im italienischen Florenz beginnenden 111. Ausgabe liefern wir einen Überblick über d

11.06.2024Cofidis setzt auf erfahrenes Tour-Team inklusive Geschke

(rsn) – Die französische WorldTour-Mannschaft Cofidis präsentierte am Dienstag die ersten sechs Fahrer ihres Tour-de-France-Kaders in einer Presseaussendung und verkündete dabei auch, dass Simon

10.01.2024“Wir brauchen keine vier Soßen“: Wie Roglic Bora besser macht

(rsn) – Primoz Roglic macht Bora – hansgrohe besser. Das lässt sich schon sagen, bevor der Slowene überhaupt ein einziges Rennen gefahren ist. Während sich das erst Anfang März ändern und Rog

07.10.2023Thomas: “Ineos Grenadiers ist ein Team im Wandel“

(rsn) – Der letzte Tour-de-France-Sieg liegt schon vier Jahre zurück und vor allem daran lässt sich ablesen, dass Ineos Grenadiers längst nicht mehr das beste Grand-Tour-Team der Welt ist. Dennoc

30.07.2023Niewiadoma machte ihre Hausübungen für die Pyrenäen

(rsn) – Als am Col d‘Aspin auf der 7. Etappe der Tour de France Femmes die beiden Favoritinnen Demi Vollering (SD Worx) und Annemiek Van Vleuten (Movistar) erstmals in die Offensive gingen, konnte

27.07.202320 Sekunden Zeitstrafe: Vollering und SD Worx entsetzt

(rsn) – Der Kampf um den Gesamtsieg bei der Tour de France Femmes, er war bislang einer um Sekunden. Lediglich deren acht hatte Demi Vollering (SD Worx) an den ersten vier Tagen mit großem Aufwand

27.07.2023Cofidis erfolgreich, aber Geschke “nicht so gut drauf“

(rsn) – Am Sonntag erwartete Simon Geschke (Cofidis) seine Teamkollegen in Paris zum großen Finale der 110. Tour de France, die er auf der 18. Etappe aufgrund heftiger Magenprobleme verlassen musst

26.07.2023Vingegaard euphorisch in Kopenhagen empfangen

(rsn) – Der Sieger der Tour de France, der Däne Jonas Vingegaard (Jumbo – Visma), wurde am Mittwochnachmittag in Kopenhagen von mehreren 10000 Menschen empfangen. Eine große Menge versammelte si

25.07.2023Buchmann zweifelt an seinem Comeback als GC-Fahrer

(rsn) - Für einen Moment war die Hoffnung wieder da. Die Hoffnung darauf, einen Emanuel Buchmann zu sehen, wie er sich im Juli 2019 bei der Tour de France präsentiert und dabei einen sensationellen

24.07.2023Tour-Achter Gall derzeit kein Thema für Bora - hansgrohe

(rsn) – Auch wenn ab August wieder Wechsel verkündet werden dürfen: Bora – hansgrohe und Felix Gall (AG2R - Citroën) werden nicht in einem Satz auftauchen. Nach der starken Vorstellung des Öst

24.07.2023Auch ohne Etappensiege imponieren Bauhaus und Zimmermann

(rsn) – Wie im Vorjahr kein Etappensieg und kein Fahrer in den vordersten Regionen des Klassements: Die Bilanz der nur sieben deutschen Starter bei der 110. Tour de France liest sich auf den ersten

24.07.2023Rückblick: Die 110. Tour de France in Zahlen

(rsn) – Drei hart umkämpfte Wochen, 21 Etappen und insgesamt 3405 Kilometer liegen hinter den Teilnehmern der diesjährigen Tour de France. Radsport-news.com blickt auf die 110. Frankreich-Rundfah

Weitere Radsportnachrichten

19.04.2025Martin auch Bester der Tour du Jura, Buchmann stark

(rsn) – Guillaume Martin (Groupama – FDJ) hat einen Tag nach seinem Sieg bei der Classic Grand Besançon Doubs (1.1) bei der Tour du Jura gleich noch einen draufgelegt. Er war im steilen Schlussan

19.04.2025“Rentenvertrag“ für Vos

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

19.04.2025Pogacar will in “Trebellins“ und Gilberts Fußstapfen treten

(rsn) – Am Sonntag findet die 59. Ausgabe des Amstel Gold Race (1.UWT) im Südosten der Niederlande statt. Und wie fast immer, wenn Tadej Pogacar (UAE – Emirates – XRG) am Start steht, sind alle

19.04.2025“Ausgequetschter“ van Aert verlor wieder den Sprint

(rsn) – Es war das Traumszenario der Belgier. Die beiden heimischen Topstars Remco Evenepoel (Soudal – Quick-Step) und Wout van Aert (Visma – Lease a Bike) hatten sich beim Pfeil von Brabant (1.

18.04.2025Evenepoel gelingt beim Brabantse Pijl perfektes Comeback

(rsn) – Nach seiner langen Verletzungspause ist Remco Evenepoel (Soudal – Quick-Step) vor heimischem Publikum ein perfektes Comeback geglückt. Der 25-jährige Belgier entschied nach 162,6 Kilomet

18.04.2025Highlight-Video des 65. Brabantse Pijl

(rsn) – Besser hätte das Comeback nach langer Verletzungspause nicht verlaufen können. Remco Evenepoel (Soudal – Quick-Step) hat vor heimischem Publikum den 65. Brabantse Pijl gewonnen und seine

18.04.2025Highlight-Video der Schlussetappe des Giro d´Abruzzo

(rsn) – Georg Zimmermann (Intermarché – Wanty) hat erstmals in seiner Karriere ein Mehretappenrennen für sich entschieden. Der 27-jährige Augsburger gewann nach einer starken Vorstellung den 7.

18.04.2025Ein großer Tag: Zimmermann gewinnt den Giro d´Abruzzo

(rsn) – Georg Zimmermann (Intermarché – Wanty) hat am Schlusstag des 7. Giro d’Abruzzo (2.1) nichts mehr anbrennen lassen und sich erstmals in seiner Karriere die Gesamtwertung eines Etappenren

18.04.2025Longo Borghini macht in Overijse ihren Sturz von der Ronde vergessen

(rsn) – Zwölf Tage nach ihrem Sturz bei der Flandern-Rundfahrt hat sich Elisa Longo Borghini (UAE Team ADQ) eindrucksvoll zurückgemeldet und beim 10. Brabantse Pijl (1.Pro) souverän die Titelvert

18.04.2025Niewiadoma hofft auf Solo-Szenario am Cauberg

(rsn) - “Einsam bist du klein“ gilt für Kasia Niewiadoma sicherlich nicht. Dennoch ist die Polin mit ihren Teamkolleginnen von Canyon – SRAM – zondacrypto “gemeinsam stark“. Bei der 11. A

18.04.2025Nys verzichtet auf Brabant und fordert in Huy Pogacar heraus

(rsn) – Während Wout van Aert (Visma – Lease a Bike) der vom Mittwoch auf den Freitag vor dem Amstel Race verschobene Termin des Brabantse Pijl so gut in den Plan passt, dass er sich zum zweiten

18.04.2025Van Aert peilt in Overijse seinen 50. Profisieg an

(rsn) – Beim 65. Brabantse Pijl (1.Pro) sind alle Augen auf Remco Evenepoel (Soudal – Quick-Step) gerichtet. Der Belgier gibt nach langer Verletzungspause seinen Saisoneinstand und wird prompt zu

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Tour du Maroc (2.2, MAR)
  • Tour du Loir et Cher (2.2, FRA)
  • Liege-Bastogne-Liege U23 (1.2u, BEL)
  • Tour du Jura (1.1, FRA)