Vingegaard & Co. machten fast alles richtig

Wie Jumbos perfekter Plan an grandiosem Pogacar scheiterte

Von Kevin Kempf

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Da lag Jumbo - Visma noch im Plan: Wout van Aert (vorn) führt Jonas Vingegaard und Tadej Pogacr (UAE Team Emirates, halb verdeckt) den Schlussanstieg der 6. Tour-Etappe hinauf, | Foto: Cor Vos

06.07.2023  |  (rsn) – Das Gelbe Trikot geholt, aber Zeit auf Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) verloren. So lautet, kurz zusammengefasst, das Fazit der überragenden Mannschaftsleistung von Jumbo – Visma auf der 6. Etappe der 110. Tour de France. Am Col du Tourmalet übernahmen die Helfer von Jonas Vingegaard das Kommando und wenig später waren er, Pogacar und seine beiden Helfer Wilco Kelderman und Sepp Kuss auf und davon gezogen. Der Etappensieg aber ging an den Slowenen, der den Dänen im Schlussanstieg deutlich distanzieren konnte.

Jumbo – Visma hatte einen Plan, so viel war deutlich. Zwischendurch sorgte der für Verwunderung und Stirnrunzeln, letztendlich ging er fast auf – aber eben auch nur fast. Alles begann mit der Gruppe des Tages. ”Wir wollten jemanden in der Flucht haben“, erklärte Nathan van Hooydonck im Ziel vor den Mikrofonen belgischer Journalisten. Ein Fahrer hatte besonders viel Lust auf einen Tag vor dem Peloton. “Wout hat sich wie gestern schon vor dem offiziellen Start in der ersten Reihe positioniert. Da wusste ich, dass er volle Kanne von der Stoßstange wegfahren wird“, erklärte van Hooydonck. “Wenn man dann nicht an seinem Hinterrad sitzt, ist er gleich weg. Und Bora war zufrieden mit der Gruppe”, fügte der Belgier an.

Jumbo – Visma gegen Jumbo - VIsma?

Dank van Aerts früher Attacke war Phase 1 des Plans gelungen. “In der Spitzengruppe waren keine gefährlichen Fahrer, deswegen wurde uns ein etwas größerer Vorsprung gewährt“, meinte der neunmalige Tour-Etappensieger gegenüber Sporza. Fünf Minuten erhielten er und seine Begleiter zugestanden. Am Tourmalet geschah dann, was zunächst niemand verstand. Im Feld übernahm Jumbo das Kommando, das Tempo schoss in die Höhe. Bei den Ausreißern führte zugleich fast nur noch van Aert, der vor seinen Teamkollegen zu flüchten schien.

“Wir wollten den Tourmalet schnell fahren und Wout sollte vor uns über den Gipfel fahren“, erläuterte Sepp Kuss im Eurosport-Interview. Van Aert spielte auch in der nächsten Phase des Plans einen essenziellen Part: “Jonas wollte dann solo an ihn ranfahren“, so der US-Amerikaner. Doch dieser Teil klappte nicht ganz. “Sie waren zu zweit. Wie immer“, resümierte Kuss und meinte damit Vingegaard und Pogacar, der hinter dem Jumbo-Kapitän Kräfte sparen konnte.

So erreichte Vingegaard mit seinem schärfsten Widersacher im Schlepptau seinen Teamkollegen, der dann bis weit in den Schlussanstieg hinein Tempo machte. “Zum Glück bin ich über den Tourmalet gekommen, um Jonas zu helfen. Im Zwischenstück konnte er sich an meinem Hinterrad ausruhen“, beschrieb van Aert die Passage zwischen der Bergwertung am Tourmalet und dem Beginn der Schlusssteigung nach Cauterets-Cambasque. “Beim letzten Anstieg konnte ich noch ein letztes Mal beschleunigen, aber danach hatte ich nicht mehr viel übrig. Danach war es ein Duell Mann gegen Mann“, berichtete van Aert.

Am letzten Berg das erwartete Duell

Die entscheidende Phase eröffnete Vingegaard mit einer Attacke, der Pogacar aber im Sitzen folgen konnte. Danach fuhr der Titelverteidiger stur und ohne “Blick in den Rückspiegel“ mit seinem Kontrahenten den Berg hinauf, ehe Pogacar mit noch 2,7 zu fahrenden Kilometern angriff und Vingegaard distanzierte.

Der konnte die Lücke nicht mehr schließen und handelte sich im Finale noch 24 Sekunden Rückstand ein. “Tadej war wirklich stark. Er hat den Etappensieg verdient. Ich war überhaupt nicht überrascht, dass er nach dem gestrigen Tag wieder so gut in Form ist. Das wird eine spannende Tour de France für die verbleibende Zeit“, bilanzierte Vingegaard laut letour.fr.

Im Klassement büßte der 26-Jährige rund die Hälfte seiner 53 Sekunden Vorsprung auf den UAE-Profi ein. “Mir wären zwei Minuten Vorsprung lieber gewesen als fünfundzwanzig Sekunden, aber es ist immer besser, vorne zu sein und das Gelbe Trikot zu haben“, urteilte er. Kuss schlug einen ähnlichen Ton an: “Man will nie Sekunden verlieren, aber wir sind zufrieden über unsere Fahrweise. In solchen Situationen kann es auch mal andersrum laufen. Es ist nicht gelaufen, wie wir wollten. Aber das lag an kleinen Details.“

Vingegaard back in yellow

Welche kleinen Details Kuss meinte, ließ er offen. Letztendlich hatte Jumbo aber mit einer überragenden Mannschaftsleistung den schärfsten Widersacher Pogacar zum Etappensieg und Zeitgewinn auf den eigenen Kapitän verholfen. Dennoch zeigte man sich bei den Niederländern zufrieden: “Ich habe eine superstarke Mannschaft gesehen und jeder konnte sehen, dass wir den Plan hatten anzugreifen. Ich freue mich sehr, dass Jonas das Gelbe trägt“, sagte van Aert, und sein Kapitän sah es ähnlich. "Ich bin überglücklich, wieder im Gelben Trikot zu sein“, verriet Vingegaard.

Das Team der Stunde ist bereit, die Gesamtführung zu verteidigen. Dabei kann Vingegaard nicht nur auf seine Luxushelfer van Aert, Kuss und Kelderman zählen. ”Er freut sich, zurück in seinem Gelben Trikot zu sein und wir werden alles daran setzen, es zu verteidigen”, kündigte van Hooydonck an. Auch Tiesj Benoot, Christophe Laporte und Dylan van Baarle werden versuchen, dem Rennen wieder den gelb-schwarzen Stempel aufzudrücken. Dieses Mal mit einem in kleinen Details verbesserten Plan und vielleicht deutlich besseren Ausgang für den Mann in Gelb.

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