Tour-Zweiter Roglic muss jetzt mentale Stärke zeigen

Herausforderung für den Krisenbewältiger

Von Tom Mustroph

Foto zu dem Text "Herausforderung für den Krisenbewältiger"
Am Boden zerstört: Primoz Roglic (Jumbo - Visma) nach dem Tour-Zeitfahren an der Planche des Belles Filles | Foto: Cor Vos

21.09.2020  |  (rsn) - Primoz Roglic hat es gelernt, Tiefschläge wegzustecken. Auf die überraschende Niederlage beim Giro d'Italia 2019, als er den späteren Sieger Richard Carapaz unterschätzte und in der letzten Woche leicht abbaute, antwortete er mit dem Vuelta-Triumph.

Als er vor 13 Jahren auf dem Riesenbakken von Planica stürzte und danach nichts mehr war wie früher in seinem Skispringerleben, betrieb er konsequent weiter Sport, wechselte dann komplett aufs Rad und wurde dort zu einem der Weltbesten. Das ist er selbstverständlich, trotz des Zeitfahrdebakels am Samstag, und obwohl es "nur" zu Platz 2 in Paris reichte. "Ich bin froh, dass ich wenigstens Zweiter und nicht noch Dritter geworden bin", bilanzierte Roglic trocken.

Zerstören wird ihn diese Niederlage nicht. "Ich kennen keinen Menschen, der so fokussiert ist und so hart an sich arbeitet wie Primoz", erzählte Matej Mohoric, Landsmann von Roglic, und der erste der aktuellen Profigeneration, der im Radsport auf sich aufmerksam machte. Mohoric war 2012 Weltmeister bei den Junioren, da saß Roglic zwar schon mehrere Stunden am Tag auf dem Rad und fraß sich durch Radsportbücher, um Wissen zu akkumulieren, aber mit dem Fahren im Peloton hatte er noch keine praktische Erfahrung gemacht.

Kommt Roglic stärker zurück?

2013, als Roglic seinen ersten Vertrag beim unterklassigen Rennstall Adria Mobil erhielt, wurde Mohoric Weltmeister bei den U23. Bislang gab es niemand anderen, dem dieser Doppelschlag gelang. Mohoric' Nachwuchserfolge mag man als Beleg für die ziemlich konsequente Aufbauarbeit im slowenischen Radsport besehen. Dass der heute 25jährige, der mit 19 einen ersten Profivertrag erhielt - er war damit noch jünger als "Wunderkind" Pogacar bei dessen Einstieg in die Profiwelt - trotz extrem guter Anlagen als Zeitfahrer und immer noch guter Anlagen als Kletterer nur als Helfer des Tourfünften Mikel Landa fungiert, zeigt aber auch, dass gute Vorleistungen nicht ausreichen, um zum Kapitän zu werden.

Mohoric wurde bei seinem ersten Rennstall Cannondale als Helfer verheizt und eben nicht als Leader aufgebaut, wie es dem jüngeren Pogacar wiederfuhr und auch dem spät in den Radsport gekommenen Ex-Skispringer Roglic. Dass Mohoric einst nur drittbester Slowene im Profibetrieb sein werde, hatte er selbst nicht erwartet, sagte er schmunzelnd radsport-news.com.

Glaubt man Mohoric, dann wird Roglic wiederkommen, stärker vielleicht, fokussierter auf jeden Fall. So sieht es auch sein erster Rennstallmanager Bogdan Fink. "Am Anfang wusste er wirklich noch wenig darüber, wie man im Peloton fährt. Er stürzte auch ziemlich oft. Aber das Beeindruckende an ihm ist, dass er keinen Fehler zwei Mal macht", erzählte Fink, Chef von Adria Mobil, bei dem Roglic von 2013 bis 2015 fuhr, radsport-news.com.

Dinge, die er nach dieser Beobachtung nicht ein zweites Mal machen wird, gibt es einige im Zuge dieser Frankreich-Rundfahrt. Pogacar als Zeitfahrer nicht zu unterschätzen, ist vielleicht die größte Lehre. Daraus folgt, doch extra Kraft aufzuwenden, um den jungen Landsmann bei Attacken zurückzuholen. Die 40 Sekunden, die Pogacar auf der 8. Etappe auf Roglic & Co. herausfuhr, hätten arithmetisch zwar keinen Unterschied gemacht. Roglic hatte am Ende 59 Sekunden Rückstand auf Pogacar. Psychologisch hätte es vielleicht aber doch einen Effekt gehabt, weil der junge Slowene vor der Riesenaufgabe zurückgeschreckt wäre und Roglic, der auf den letzten Kilometern des Zeitfahrens wohl auch aus Enttäuschung regelrecht einbrach, hätte vielleicht doch noch ein paar Kräfte mehr zur Gegenwehr mobilisiert.

Keine (technischen) Experimente das künftige Motto?

Weitere Dinge, die der 30-Jährge in Zukunft vielleicht bleiben lassen wird, sind unausgereifte technische Experimente. Auf die Frage, ob der neue Helm geholfen habe, meinte er nur trocken: "Wohl eher nicht." Und seine Position sowohl auf dem Zeitfahrrad als auch auf dem normalen Straßenrand schien verändert. Jedenfalls war sein Tritt so unrund, wie man es von dem streberhaften Späteinsteiger nie gesehen hat, seit Kameras länger auf ihn gerichtet sind.

Das Straßenrad hatte bei der hitzigen UCI-Kontrolle, in deren Folge der Sportliche Leiter Merijn Zeeman von der Tour verbannt wurde, offenbar einen Schaden abbekommen. Und beim Zeitfahrrad soll laut einem - inzwischen allerdings gelöschten - Tweed des belgischen Sportblatts "Sporza" - angeblich der Sattel nicht vorschriftsmäßig fünf Zentimeter hinter der Sattelachse geendet haben, woraufhin das Team nachjustieren musste. Bestätigen wollte niemand die Geschichte. Und Roglic schob seine Niederlage auch nicht auf das Material. Da war er noch ganz Skispringer. Die meckern auch eher selten übers schlecht gewachste Brett, sie wachsen das nächste Mal eben einfach besser.

Möglicherweise testete Roglic sein neues Zeitfahrrad auch zu wenig unter Wettkampfbedingungen. In Slowenien führte man seine Niederlage bei den nationalen Zeitfahrmeisterschaften gegen Pogacar auch auf Anpassungsschwierigkeiten mit dem neuen Rad zurück. Der auf technische Perfektion getrimmte Rennstall Jumbo - Visma muss in Zukunft vielleicht die Daniel Düsentriebs der eigenen Entwicklungsabteilung nicht unbedingt bremsen, bei der Einführung neuer Gadgets in den Rennbetrieb aber eine längere Testphase einplanen. Das sagt sich freilich einfach in einer durch die Pandemie radikal verkürzten Saison.

Als nächstes steht für Roglic die Straßen-WM in Imola an, gemeinsam mit seinem Bezwinger Pogacar. Dann kommen Fleche Wallonne und Lüttich - Bastogne - Lüttich, das dann wieder gegen Pogacar. Er muss sich also wieder mächtig schnell fokussieren.

Mehr Informationen zu diesem Thema

16.06.2021Madiot: “Wir hätten Pinot früher aus der Tour nehmen sollen“

(rsn) - Sein bisher letztes Rennen bestritt Thibaut Pinot (Groupama - FDJ) vor mittlerweile zwei Monaten, als er die Tour of the Alps unter ferner liefen auf Rang 60 beendete. Danach entschied der Fra

23.12.2020Bernal wieder schmerzfrei auf dem Rad

(rsn) - Egan Bernals Genesung macht offensichtlich deutliche Fortschritte. Wie der Tour-de-France-Sieger von 2019 gegenüber dem Internetportal primertiempo.co sagte, könne er wieder schmerzfrei trai

11.12.2020Dumoulin zuversichtlich: “Mir fehlt nur noch ein Prozent“

(rsn) - 2020 war für Tom Dumoulin ein Jahr mit vielen Tiefen und nur wenigen Hochs. Nach dem mit großen Hoffnungen verbundenen Wechsel von Sunweb zu Jumbo - Visma warf zunächst ein bakterieller Dar

15.11.2020Pogacar lobt Roglic als slowenischen Vorreiter

(rsn) - Tadej Pogacar (UAE - Team Emirates) hätte seinem Landsmann Primoz Roglic (Jumbo - Visma) den Tour-de-France-Sieg gegönnt. Das sagte der 22-jährige Slowene im Gespräch mit der spanischen Sp

27.10.2020Bernals Genesung dauert länger als gedacht

(rsn) - Egan Bernals Rückenprobleme, die ihn zum Ausstieg bei der Tour de France und zum vorzeitigen Saisonende zwangen, sind offensichtlich ernsthafter als bisher angenommen. Wie der Kolumbianer geg

10.10.2020Bernal: “Ich hatte eine schwierige Zeit“

(rsn) - Der bei der Tour de France vorzeitig ausgestiegene Egan Bernal (Ineos Grenadiers) wird in diesem Jahr keine Rennen mehr bestreiten. Das kündigte der Kolumbianer auf Instagram an und bestätig

03.10.2020War der Toursieg für Roglic im Zeitfahren unmöglich?

(rsn) - Radsportjournalist Thijs Zonneveld von der niederländischen Zeitung AD hat nach eigenen Angaben Einblick in die Leistungswerte des Tour-Zeitfahrens von Primoz Roglic (Jumbo – Visma) erhalte

24.09.2020Pogacar: “Die Saison ist noch lange nicht vorbei“

(rsn) - Nach seinem Tour-de-France-Triumph hat Tadej Pogacar (UEA - Team Emirates) schon die nächsten großen Ziel im Blick. "Ich muss konzentriert und fit bleiben für die Weltmeisterschaft und die

23.09.2020Viviani: Beim Giro zurück in die Erfolgsspur?

(rsn) - Im letzten Jahr gewann Elia Viviani im Trikot von Deceuninck - Quick-Step  bei der Tour de France eine Etappe und fuhr auf drei weiteren Teilstücken aufs Podium. Die 107. Austragung lief fÃ

22.09.2020UAE Emirates streicht das mit Abstand meiste Preisgeld ein

(rsn) - Kein Wunder: Durch den Gesamtsieg von Tadej Pogacar, der auch das Weiße Trikot als bester Jungprofi sowie die Bergwertung und drei Etappen gewann, sowie den Etappensieg von Alexander Kristoff

21.09.2020Phänomen Pogacar - zu schnell, um wahr zu sein?

(rsn) - Tadej Pogacar hat mit seinem Toursieg nicht nur Rekorde gebrochen, sondern damit auch Fragen aufgeworfen. Ist der Slowene einfach ein Jahrhunderttalent, für den die üblichen Maßstäbe nicht

21.09.2020Die Tour-Bubbles werden aufgelöst

(rsn) - Die Tour de France ist beendet. Die Bubbles werden aufgelöst. Neue werden errichtet, für die WM, die BinckBank Tour, den Giro d´Italia und die großen Klassiker. Primoz Roglic kann jetzt Tr

Weitere Radsportnachrichten

29.04.2024Sparkassen Giro führt am 3. Oktober 2024 durchs West-Münsterland

(rsn) – Der Sparkassen Münsterland Giro ist eines jener Eintagesrennen, die nahezu bei jeder Austragung mit einer neuen Strecke aufwarten. Nachdem der Herbstklassiker am Tag der deutschen Einheit i

29.04.2024Eschborn - Frankfurt: Die letzten zehn Jahre im Rückblick

(rsn) – Über Jahrzehnte hin als Rund um den Henninger Turm ausgetragen, wurde der hessische Frühjahrsklassiker nach dem Rückzug des Sponsors zum 1. Mai 2009 zunächst in Eschborn Frankfurt City L

29.04.2024Lipowitz voller Selbstbewusstsein zum Giro-Debüt

(rsn) – Das Gelbe Trikot von Carlos Rodriguez (Ineos Grenadiers) konnten Aleksandr Vlasov und Florian Lipowitz auf der Schlussetappe der Tour de Romandie nicht mehr gefährden. Doch das Duo von Bora

29.04.2024Mit Stichen am Kinn: Van Dijk startet zur 2. Vuelta-Etappe

(rsn) – Die im Finale des Auftaktzeitfahrens zur 10. Vuelta Femenina gestürzte Ellen van Dijk (Lidl – Trek) wird zur 2. Etappe in Bunol antreten können. Wie ihr Team auf dem Portal X meldete, ha

29.04.2024In der Übersicht: Die Aufgebote für den 107. Giro d´Italia

(rsn) – Am 4. Mai beginnt in Venaria Reale nördlich von Turin mit dem Giro d’Italia (2.UWT) die erste Grand Tour des Jahres. Insgesamt 176 Fahrer aus 22 Teams nehmen die 107. Ausgabe der Italien-

29.04.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morg

28.04.2024Highlight-Video der 1. Etappe der Vuelta Femenina

(rsn) – Mit einer beeindruckenden Vorstellung hat Lidl – Trek das Teamzeitfahren zum Auftakt der 10. Vuelta Femenina (2.WWT) für sich entscheiden können. Das von der Italienerin Elisa Longo Borg

28.04.2024Dorn in der Türkei am Berg und beim Zwischensprint der Stärkste

(rsn) - Vor allem für die Teams Bike Aid und rad-net - Oßwald verlief die zurückliegende Woche erfolgreich. Santic - Wibatech, MYVELO und Rembe Sauerland konnten gegen WorldTour-Konkurrenz zuminde

28.04.2024Famenne Classic: De Lie feiert seinen ersten Saisonsieg

(rsn) - Arnaud De Lie (Lotto - Dstny) hat bei der Famenne Ardeche Classic (1.1) seinen ersten Saisonsieg eingefahren. Der Belgier setzte sich nach hügeligen 195 Kilometern rund um Marche-en-Famenne

28.04.2024Lidl - Trek gewinnt trotz Stürzen Auftakt der Vuelta Femenina

(rsn) – Trotz eines Sturzes in der letzten Kurve hat Lidl – Trek das Teamzeitfahren zum Auftakt der 10. Vuelta Femenina (2.WWT) für sich entscheiden können. Obwohl Ellen van Dijk und Eleanor Bac

28.04.2024Highlight-Video der 5. Etappe der Tour de Romandie

(rsn) – Dorian Godon (Decathlon – AG2R La Mondiale) hat zum Abschluss der 77. Tour de Romandie (2.UWT) seinen zweiten Tagessieg eingefahren. Der Franzose entschied bei regnerischem Wetter die 5. E

28.04.2024Zangerle verpasst für sein Team nur knapp den Heimsieg

(rsn) –Lukas Kubis (Elkov – Kasper) hat in Österreich das 62. Kirschblütenrennen gewonnen, das erstmals als UCI-Rennen der Kategorie 1.2 ausgetragen wurde und zugleich der zweite Stopp der Road

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Tour de Bretagne (2.2, FRA)