Interview mit Bora-Sportdirektor Enrico Poitschke

“Wir brauchen drei Wochen, um uns auf Rennen vorzubereiten“

Von Joachim Logisch

Foto zu dem Text "“Wir brauchen drei Wochen, um uns auf Rennen vorzubereiten“"
Bora-hansgrohe-Sportdirektor Enrico Poitschke | Foto: Cor Vos

11.04.2020  |  (rsn) - Was macht ein Sportdirektor in Zeiten der Corona-Pandemie? Wie funktioniert die Zusammenarbeit seiner Sportlichen Leiter und Trainer mit den Profis? Wie bereitet er sein WorldTour-Team auf den Restart vor? Das wollten wir von Enrico Poitschke wissen. Poitschke, "Head of Sport Directors“ des Bora-hansgrohe-Teams, kam gerade von einer Trainingsfahrt zurück, als radsport-news.com den Görlitzer erreichte.

Wie lange sind Sie gefahren?
Enrico Poitschke: Nicht lange! Ich bin nur eineinhalb Stunden um die Seen gefahren.

Alleine oder zu zweit? Beziehungsweise, zu wievielt darf man in Sachsen fahren?
Poitschke: Hier kann man noch zu zweit trainieren.

Wie viele Kilometer sind Sie pro Jahr im Auto bei Rennen und für Trainingsfahrten unterwegs?
Poitschke: Wenn man alles zusammen nimmt, so 40 000 bis 50 000 Kilometer. Zu den Rennen fliegen wir ja meistens und werden dann abgeholt.

Wie fühlen Sie sich jetzt, wo Sie zuhause bleiben müssen, weil es keine Rennen gibt?
Poitschke: Das ist für alle eine besondere Situation. Damit ist niemand glücklich. Aber im Moment gibt es Sachen, die wichtiger als Radrennen sind. Jetzt geht es erst mal um die Gesundheit. Da muss man die Vorschriften der Behörden akzeptieren. Deshalb ist es völlig normal, dass man zuerst versucht, die Pandemie abzuschwächen oder sogar in naher Zukunft zu beenden.

Wie halten Sie Kontakt zu ihren Fahrern und ihren Sportlichen Leitern?
Poitschke: Wir machen jede Woche eine Telefonkonferenz. Die Sportlichen Leiter haben jetzt natürlich einen sehr engen Kontakt zu ihren Fahrern, versuchen oft mit ihnen zu sprechen. So versuchen wir, die Jungs immer auf den neusten Stand zu bringen und auch zum trainieren zu motivieren. Das ist in einigen Ländern ja nicht so einfach.

Haben Sie schon überlegt, die Profis in ein Land zu holen, wo Outdoor-Training erlaubt ist? In Italien darf man ja zurzeit nur drinnen trainieren.
Poitschke: Ja, auch in Spanien oder Monaco darf man gar nicht raus. Da gibt es natürlich Überlegungen, wie wir die Sportler dort am besten unterstützen können. Oder ob wir sie irgendwo hinholen, wo sie trainieren können. Aber das ist im Moment wegen den Reisebeschränkungen nicht so einfach. Wir versuchen, behördliche Vorgaben zu akzeptieren und einzuhalten. In naher Zukunft hoffen wir aber, hier Lösungen zu finden.

Die Tour soll eventuell einen Monat später stattfinden. Wie finden Sie das?
Poitschke: Wichtig für den gesamten Radsport ist, dass die Tour stattfindet und dass wir wieder Rennen fahren können. Wann, ist uns eigentlich, ich will nicht sagen egal, aber der Zeitpunkt selbst ist nebensächlich. Wichtig ist, dass Radrennen stattfinden können. Das hoffen wir natürlich!

Planen Sie dann, mit einem Allstar-Team an den Tourstart zu gehen, damit die großen Namen ihre Einsätze bekommen? Oder stellt man ein Team auf, dass auch gut zusammenarbeitet?
Poitschke: Natürlich will jeder die Tour fahren. Wir haben einen großen Kandidatenkreis im Kopf. Da muss man schauen, wie konnten sich die Fahrer vorbereiten? Konnten Sie vorher Radrennen fahren? Dann hätte man einen Leistungsstand, den man einschätzen kann. Wenn nicht, müssen wir über die Trainingsdaten und die Einschätzung der Trainer und Sportlichen Leiter nominieren. Aber bis dahin ist noch ein Stück. Wir analysieren jede Woche.

Trainingsdaten bedeutet, dass Sie die Werte der Rolle nehmen?
Poitschke: Richtig, auch! In einigen Ländern wird auf der Rolle trainiert. Aber viele können auch draußen fahren. Da kann man auch diese Werte nehmen.

Wie viel Vorlauf brauchen Sie, damit die Mannschaft in guter Form beim ersten Rennen nach der Pause antreten kann?
Poitschke: Wir bereiten uns ja schon jetzt langfristig darauf vor. Um wieder wettkampffähig zu sein, braucht man sicher zwei, drei Wochen. Wenn man weiß, in drei Wochen finden wieder Rennen statt, wird viel, viel intensiver trainiert. Diese Zeit braucht man auch, um sich wieder optimal vorzubereiten, sofern die Umstände das zulassen.

Sind die Profis zurzeit sich selbst überlassen? Besuchen dürfen Sie die Athleten ja nicht.
Poitschke: Besuchen dürfen wir sie nicht. Deshalb wird viel telefoniert. Und es werden Konferenzen abgehalten.

Haben Sie die Möglichkeit zu überprüfen, wie intensiv die Fahrer trainieren, welche Leistungswerte sie erreichen?
Poitschke: Ja. Jedes Training wird hochgeladen und jeder Trainier wertet das aus. Er sieht genau, was und wie viel trainiert wird. Die Fahrer haben ja auch Vorgaben, was sie trainieren wollen und sollen. Deshalb haben wir die Werte und können gut einschätzen, wie der jeweilige Leistungsstand ist.

Wie hilfreich ist dabei das Rollentraining?
Poitschke: Fahrer, die nur auf der Rolle trainieren können, fahren natürlich nicht so lange. Mehr als zwei, drei Stunden sind kaum umsetzbar und auch nicht zielführend. Deshalb hoffen wir, dass alle so schnell wie möglich wieder draußen trainieren können. Dann macht es auch erst wirklich Sinn, Werte in Richtung einer Wettkampfvorbereitung zu nehmen. Sich auf der Rolle auf ein größeres Rennen vorzubereiten ist schwierig. Sehr schwierig.

Mehr Informationen zu diesem Thema

18.01.2022Sport in Frankreich nur mit vollständigem Impfschutz erlaubt

(rsn) - Das französische Parlament hat wegen der hochansteckenden Omikron-Variante am vergangenen Wochenende ein neues Gesetz zum vollständigen Impfschutz bei öffentlichen Veranstaltungen verabschi

06.11.2021Pozzato wegen Corona-Infektion im Krankenhaus

(rsn) – Filippo Pozzato, der Mailand-Sanremo-Sieger von 2006, liegt aufgrund einer Infektion mit dem Coronavirus im Krankenhaus. Das bestätigte der Italiener, der seine Profi-Karriere Ende 2018 bee

05.11.2021Santos Festival of Cycling ersetzt Tour Down Under 2022

(rsn) – Auch 2022 wird die Tour Down Under aufgrund der Corona-Pandemie im Kalender der UCI WorldTour fehlen. Der traditionelle Auftakt in die wichtigste Rennserie des Radsport-Kalenders wird desha

30.09.2021Auch 2022 gibt es keinen WorldTour-Auftakt in Australien

(rsn) – Lange Zeit stand im UCI-Kalender ein ´to be confirmed´ hinter den Terminen der Tour Down Under und des Cadel Evans Great Ocean Road Race als Startpunkte der WorldTour-Saison 2022. Nun ist

10.06.2021AG2R benennt sechs seiner Tour-Starter

(rsn) - Die französische AG2R-Equipe hat die ersten sechs Tour-Starter benannt. Angeführt wird das Aufgebot bei der am 26. Juni in Brest beginnenden 108. Frankreich-Rundfahrt von Olympiaseiger Greg

23.03.2021Team DSM: Roche und Pedersen müssen in Quarantäne

(rsn) – Das Team DSM muss zwei seiner Profis für die nächsten Tage in Isolation schicken: Nicolas Roche und Casper Pedersen. Beide waren jüngst in Kontakt mit einer Person aus dem Mitarbeiterstab

13.03.2021Paris-Nizza: Königsetappe ohne Walscheid, Bevin und Philipsen

(rsn) - Ohne Maximilian Walscheid (Qhubeka Assos), Patrick Bevin (Israel Start-Up Nation) und Jasper Philipsen (Alpecin - Fenix) ist die Königsetappe von Paris-Nizza gestartet worden. Die Sprinter Wa

27.02.2021Lappartient: “Die hohen Standards müssen beibehalten werden“

(rsn) - Der Radsportweltverband hat das Corona-Protokoll für alle UCI-Wettbewerbe für 2021 aktualisiert. Das Dokument ähnelt weitgehend dem Protokoll 2020, enthält jedoch Anpassungen an die Entwic

22.02.2021Alpecin - Fenix muss die UAE Tour verlassen

(rsn) - Gestern noch als Auftaktsieger gejubelt, heute ist die UAE Tour für Mathieu van der Poel und das Team Alpecin - Fenix bereits vorbei. Wie die Veranstalter der ersten WorldTour-Rundfahrt des J

16.02.2021Women´s Tour kann im Juni erneut nicht stattfinden

(rsn) - Die Women´s Tour wird nach ihrer Absage 2020 auch im Juni 2021 aufgrund der Corona-Pandemie nicht stattfinden können. Das hat der Veranstalter Sweetspot am Dienstag bekanntgegeben. Das sechs

15.02.2021Sagan muss auf das Opening Weekend verzichten

(rsn) - Der Ende Januar positiv auf Corona getestete Peter Sagan muss seinen Saisoneinstieg verschieben. Wie sein Team Bora - hansgrohe gegenüber radsport-news.com bestätigte, wird der dreimalige We

09.02.2021IOC bestätigt: Keine Quarantänepflicht vor Olympia-Start

(rsn) - Gut ein halbes Jahr vor dem Beginn der Olympischen Sommerspiele in Tokio ist eine vorsorgliche Quarantäne der Sportler offenbar vom Tisch. Das legt ein veröffentlichtes IOC-Skript nahe.Berei

Weitere Radsportnachrichten

14.11.2024Bardet: “Sinnlos, an ethischen Radsport zu glauben“

(rsn) - Es war ein durchaus ungewöhnlicher Zeitpunkt, als Romain Bardet im Sommer, kurz vor der Tour de France, sein Karriereende ankündigte. Mindestens genauso ungewöhnlich ist das Rennen, das sei

14.11.2024Quintana beendet Spekulationen, Bonnamour gibt Kampf gegen Dopingsperre auf

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

14.11.2024Rhodos-Prolog-Experte mit Sturzpech im stärksten Rennen

(rsn) – Seine elfte Saison auf KT-Niveau ragt zwar nicht als seine beste heraus, dennoch zeigte Lukas Meiler (Team Vorarlberg) auch 2024, was er drauf hat. Seine beste Platzierung gelang ihm dabei

14.11.2024Die Radsport-News-Jahresrangliste 2024

(rsn) - Auch diesmal starten wir am 1. November mit unserer Jahresrangliste. Wir haben alle UCI-Rennen der vergangenen zwölf Monate (1. November 2023 bis 31. Oktober 2024) ausgewertet - nach unserem

14.11.2024Schädlich übernimmt die deutschen Ausdauer-Spezialisten

(rsn) – Der Bund Deutscher Radfahrer hat einen neuen Nationaltrainer auf der Bahn für den Bereich Ausdauer. Lucas Schädlich, der seit 2019 die deutschen Juniorinnen unter seinen Fittichen hatte, Ã

14.11.2024Im Überblick: Die Transfers der Männer-Profiteams für 2025

(rsn) – Nachdem zahlreiche Transfergerüchte seit Monaten in der Radsportwelt zirkulieren, dürfen die Profimannschaften seit dem 1. August ihre Zu- und Abgänge offiziell bekanntgeben. Radsport

14.11.2024Schär wird Schweizer Nationaltrainer

(rsn) – Marc Hirschi, Stefan Küng und Co. haben einen neuen Nationaltrainer. Michael Schär wird mit Jahresbeginn 2025 die Verantwortung für die Schweizer Männer in den Bereichen Elite und U23 ü

14.11.2024Lotto Kern - Haus wird Development-Team von Ineos Grenadiers

(rsn) – In den vergangenen beiden Jahren war das deutsche Kontinental-Team Lotto Kern - Haus PSD Bank sogenannter Development-Partner von Red Bull – Bora – hansgrohe. Ab der kommenden Saison wi

14.11.2024Meisen kündigt baldiges Karriereende an

(rsn) – “Spätestens im Januar ist Schluss“, kündigte Marcel Meisen (Stevens) gegenüber RSN an. Der 35-Jährige ist in seine letzte Cross-Saison gestartet und will diese nicht mehr ganz zu End

14.11.2024Traumszenario mit kurzem Anfangsschock

(rsn) – Unverhofft kommt oft – dieser Spruch traf in dieser Saison auch auf Meo Amann zu. Mit dem Elite-Team Embrace The World in die Saison gestartet, bewarb er sich im Sommer auf einen Platz bei

13.11.2024Auch ein kurioser erster UCI-Sieg reichte nicht zum Profivertrag

(rsn) – Auch wenn er in dieser Saison seinen ersten UCI-Sieg einfahren konnte, so gelang Roman Duckert (Storck – Metropol) am Ende seiner U23-Zeit nicht der Sprung in ein Profiteam. Deshalb wird e

13.11.2024Ein Jahr geprägt von Stürzen und viel Unglück

(rsn) – Eigentlich wollte Mikà Heming (Tudor Pro Cycling) 2024 so richtig durchstarten. Die Klassikerkampagne in Belgien hatte er sich als erstes Saisonhighlight gesetzt, doch diese endete für den

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine