Interview mit dem Israel-Neuzugang

Politt: “Wir haben eine ganz gute Klassikertruppe beisammen“

Von Joachim Logisch aus Tel Aviv

Foto zu dem Text "Politt: “Wir haben eine ganz gute Klassikertruppe beisammen“"
Nils Politt (Israel Start-Up Nation) bei der Teampräsentation | Foto: Mattis

12.12.2019  |  (rsn) - Im Sommer begann für Nils Politt nach dem zum Saisonende angekündigten Rückzug des Sponsors Alpecin vom Katusha-Rennstall eine Zeit der Ungewissheit. Erst im Herbst herrschte für den Zweiten von Paris-Roubaix Klarheit. Politt, Rick Zabel und fünf weitere Katusha-Fahrer werden 2020 für die Israel Start-Up Nation fahren. Am Rande der Teampräsentation in Tel Aviv sprach radsport-news.com mit dem 25-jährigen Klassikerspezialisten darüber, wie es zum Wechsel kam, weshalb er André Greipel im Team dabei haben wollte und welche Ziele er im kommenden Jahr verfolgt.

Herr Politt, Sie mussten bis Oktober warten, bis sie wussten, dass sie zur Israel Start -Up Nation wechseln dürfen. Hat das gezehrt?
Nils Politt: Ja, es war eine lange Wartezeit. Ich war froh, dass Sylvan Adams (Teambesitzer Israel Start -Up Nation) bei der WM auf mich zu kam. Es war nach dem Rennen vielleicht nicht die beste Zeit. Es war kalt, aber wir haben uns telefonisch verabredet, um zu reden und vielleicht auch noch das eine oder andere Missverständnis auszuräumen. Das haben wir gemacht. Nach dem Telefonat habe ich aufgelegt und mir gedacht: ja, da ist ein Projekt. Das begleitet mich jetzt, seit wir in Israel angekommen sind. Man spürt, wie er hinter dem Team steht. Wir haben mit Kjell Callström auch einen super Manager. Bisher gefällt mir alles sehr gut hier.

Von Katusha kam auch der ehemalige Klassikerspezialist Dirk Demol als Sportlicher Leiter mit. Ihr Wunsch?
Politt: Dirk hatte ja auch noch einen Vertrag bei Katusha. Da haben wir gesagt, dass es gut wäre, wenn er mitkommen könnte, ebenso Sportdirektor Claudio Cozzi und mein Mechaniker Roger Theel. Das finde ich gut. Ich fühle mich wohl im Team.

Konnten Sie sich ein Team zusammenstellen?
Politt: Ich hatte Wünsche. Ich muss echt sagen, dass alle erfüllt wurden. Das zeigt mir, dass Kjell und Sylvan mir vertrauen. Das macht mich stolz und das will ich dem Team zurückgeben.

Spielt es auch eine Rolle, dass ihr Freund und Trainingspartner André Greipel verpflichtet wurde?
Politt: Na klar! Es war mein Wunsch, mit André noch mal in einem Team zu fahren. Ich hatte nicht gedacht, dass das noch mal klappt. Aber nachdem er mir mitgeteilt hatte, dass er den Vertrag mit Arkea - Samsic auflösen wird, haben wir gemeint, dass es cool sei, wenn wir noch mal zusammenkommen würden. Dann ergab sich die Israel-Option. Ich bin ihm dankbar, dass er das mitmacht.

Greipel dachte ernsthaft ans Aufhören, mussten Sie ihn überreden?
Politt: Klar, war er in keiner schönen Situation. Das haben wir im Training gespürt. Aber Rick und ich haben ihm immer gesagt: Junge, du machst weiter und wenn wir dich zum Rad tragen müssen. Es geht nicht, dass du aufhörst. Er ist jetzt super motiviert. Er muss das letzte Jahr hinter sich lassen. Da er uns Jungs wieder dabei hat, kommt der Spaß wieder und damit auch der Erfolg. André kann noch immer Rennen gewinnen. Daran glaube ich!

Bei Paris – Roubaix sehen Sie ihn als ganz wichtige Stütze an, die auch gewinnen kann?
Politt: Ja, das gilt für alle Klassiker. Ich finde es gut, mit zwei Leadern in die Rennen zu gehen, auch wenn er das nicht gerne hört. Aber man kann immer einen schlechten Tag haben. Die Klassiker gehen nur über zwei Wochen. Wenn man da nicht top auf Level ist, dann hat man ein Jahr danebengegriffen. Gut ist, wenn dann der andere angreift. Ich denke, wir sind eine gute Speerspitze, die sich gegenseitig helfen kann. Klar nehme ich die Leaderrolle erst mal auf mich. Wir haben aber auch Tom Van Asbroeck, Jente Biermanns und Hugo Hofstetter, die auch noch auf Ergebnis fahren können. Viele werden sagen, dass Israel keine Klassikermannschaft ist, aber ich denke, für das nächste Jahr haben wir eine ganz gute Klassikertruppe beisammen.

Movistar wollte Sie verpflichten?
Politt: Ja, ich hatte aber auch noch meinen Vertrag mit Katusha. Klar, dass die mich nicht gehen lassen wollten. Deshalb ist es jetzt so gekommen. Wie schon gesagt, bin ich jetzt sehr froh, dass ich hier bin. Alles hat sich ins Positive gewendet. Auch wenn ich zwischendrin sehr genervt von Katusha war, weil nichts vom Management kam und alles sich immer weiter hinauszog.

Wenn man an Israel denkt, denkt man auch immer an den Sicherheitsaspekt…
Politt: Natürlich haben wir vor drei Wochen die Raketenangriffe mitverfolgt, und im Netz stand irgendwo: 250 Bomben auf Gaza geschossen. Der eine oder andere hatte Bedenken, aber meine Gegenfrage: Fühlen Sie sich hier unsicher?

Nein!
Politt: Das meine ich. Wenn man hier trainieren fährt, denkt man, man ist in Europa. Das finde ich so krass. Man sieht nicht viel Militär, hier in Tel Aviv zumindest. Man sieht keine Jets rumrasen. Man hört vielleicht mal den einen oder anderen. Das ist aber bei mir zuhause um Nörvenich (dort ist ein Fliegerhorst gelegen, Anm. d. Red.) genauso. Von daher bin ich das gewohnt. Ich habe null Bedenken.

Gab es Reaktionen, als bekannt wurde, dass Sie für Israel starten werden?
Politt: Es kamen nur positive Reaktionen, was ich auch gut finde. Ich finde es auch wichtig, zu erfahren, was damals zwischen Deutschen und Juden war. André, Rick und ich haben da auch recherchiert. Wir waren damals nicht dabei, und ich hätte das damals auch niemals unterstützt und unterstütze die auch jetzt nicht. Wir sind ganz offen damit umgegangen. Und hier trägt uns das keiner nach. Wir haben auch von unserem Pressesprecher erfahren, dass die Reaktionen hier in Israel auf die Verpflichtung von André und mir nur positiv waren. Sport verbindet. Da ist auch schön, so ein Zeichen zu setzen.

Ihre Ziele in der kommenden Saison?
Politt: Natürlich stehen die Klassiker Paris – Roubaix und die Flandern-Rundfahrt ganz oben. Wenn ich davor schon mal das eine oder andere Top-Ten-Ergebnis einfahren könnte, wäre das super. Ich mache mir keinen Druck. Ich weiß, was ich in den Beinen habe, das habe ich in diesem Jahr bewiesen.

Sie haben sich bisher jedes Jahr gesteigert, wie geht es weiter?
Politt: Ich sage jedes Jahr, diese Saison ist nicht zu toppen. Warten wir es mal ab. Ein zweiter Platz in Roubaix und ein fünfter in Flandern sind schwer zu toppen. Ich werde mein Bestes geben und dann sehen, was herauskommt.

Sie nehmen auch am Sechstagerennen in Bremen teil?
Politt: Ja, ich trainiere ja immer noch gerne auf der Bahn. Sechstagerennen haben mir als Jugendfahrer schon Spaß gemacht. Als U23-Fahrer bin ich gerne die UIV-Cup (Nachwuchswettbewerb für Sechstagefahrer) gefahren. Und in Bremen und Berlin auch bei den Profis. Ich sprach mit Erik Weißpfennig (Sportlicher Leiter in Bremen), dass die Sixdays gut in mein Aufbauprogramm passen könnten. Wir sind auf einen Nenner gekommen und jetzt freue ich mich, in Bremen zu fahren.

Da passt es ja, dass es hier in Tel Aviv die einzige Bahn im Nahen Osten gibt.
Politt (lacht): Ich habe mein Bahnrad gar nicht mit. Ich hoffe, dass mich meine Bremer Partner Kenny De Ketele die ersten beiden Nächte durchschleppt. Aber dann sollte ich im Tritt sein.

Wie sieht Ihr Saisonprogramm aus?
Politt: Ich werde nach dem Trainingslager auf Mallorca in die Mallorca-Challenge einsteigen. Welche Tage und wie viele es werden, kann ich noch nicht sagen. Das machen wir davon anhängig, wie intensiv ich das Trainingslager davor gestalte. Wir sind mit genügend Leuten da, damit auch andere einsteigen können. Danach fahre ich Almeria und die Algarve-Rundfahrt. Also das gleiche Programm wie in diesem Jahr.

Die Tour de France bestimmt auch?
Politt: Wir haben bisher nur die Zeit bis zum Ende der Klassiker besprochen. Aber klar, die vierte Tour für mich wäre schon schön.

Mehr Informationen zu diesem Thema

05.01.2020“Sehe mich als Helfer und nicht als Konkurrent von Politt“

(rsn) - Das Karriereende stand im Raum! Doch André Greipel wagte mit 37 Jahren noch mal einen Neuanfang und unterschrieb beim neuen WorldTour-Team Israel Start-up Nation und stieg damit gleich wieder

15.12.2019Zabel: “Wir haben ein tolles Jahr vor uns!“

(rsn) - Rick Zabel wird auch 2020 an der Seite von Nils Politt unterwegs sein. Gemeinsam mit dem Zweiten von Paris-Roubaix wechselte der Sprintspezialist von Katusha - Alpecin zur Israel Cycling Acade

12.12.2019Greipel & Co. in der Wüste von Sandsturm und Regen überrascht

(rsn) - Nach der Teampräsentation hat bei der Israel Start-Up Nation wieder die Arbeit begonnen – unter extrem erschwerten Bedingungen. Denn die 30 Profis um Nils Politt, André Greipel und Rick Za

11.12.2019Greipel, Politt und Zabel besuchten Gedenkstätte Yad Vashem

(rsn) - Es gehört zur Tradition, dass die Fahrer der Israel Cycling Academy (seit heute Israel Start-Up Nation) einmal im Jahr die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem besuchen. Ein ganz b

11.12.2019Greipel gibt Anschubhilfe auf der Crossstrecke

(rsn) - André Greipel und Rick Zabel (Israel Start-Up Nation) präsentieren in Israel nicht nur ihr neues Team. Zusammen mit Mannschaftskollegen und Kindern der Bartali Youth Leadership School in Ben

11.12.2019Greipel will “in den Sprints wieder zurück zu alter Stärke“

(rsn) - André Greipel wird in Australien sein Debüt im Trikot des Teams Israel Start-Up Nation geben. Das kündigte der 37-jährige Sprinter im Interview mit Eurosport am Rande der Teampräsentation

11.12.2019Sagiv: “Der Hunger auf Radsport ist in Israel groß“

(rsn) - Vor zwei Jahren füllte der Giro d’Italia mit dem Start in Israel einen weißen Flecken auf der Karte des Weltradsports. Seit Montag nun Montag ist es fix, dass das Land im Nahen Osten ab 20

11.12.2019Israel Cycling Academy: Mit Greipel und Politt zur Start-Up Nation

(rsn) - Plötzlich ging es Schlag auf Schlag! Gerade noch rechtzeitig verkündete der Radsportweltverband UCI gestern, dass die Israel Cycling Academy die WorldTour-Lizenz von Katusha erhält. Heute w

Weitere Radsportnachrichten

04.07.2025Zum Auftakt im Norden stehen die Zeichen auf Sprint Royal

(rsn / ProCycling) – Im Norden Frankreichs beginnt die Tour de France 2025. Knapp 185 Kilometer absolviert das Peloton in einer langen Schleife rund um Lille, das nach 1960 und 1995 bereits zum drit

04.07.2025Lipowitz will die Tour genießen und Roglic “bestmöglich unterstützen“

(rsn) – Spätestens nach seinem dritten Platz beim Critérium du Dauphiné (2.UWT) sind die Erwartungen an Florian Lipowitz nochmals gestiegen. Die Tour-Generalprobe hatte sein Team Red Bull – Bor

04.07.2025Aldag: “Wir haben alles gemacht, um die Tour zu gewinnen“

(rsn) - Red Bull – Bora – hansgrohe nimmt den zweiten Anlauf, um mit Primoz Roglic die Tour de France zu gewinnen. Darauf hat sich das einzige deutsche WorldTour-Team vorbereitet. Was die Raublin

04.07.2025Wechselt Groenewegen zu Unibet - Tietema Rockets?

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

04.07.2025Statt dem Duell gegen Vingegaard erneut eine Pogacar-Show?

(rsn) – Im Grunde ist die Geschichte schnell erzählt: Seit 2021, also seit Tadej Pogacar (UAE – Emirates – XRG) und Jonas Vingegaard (Visma – Lease a Bike) gemeinsam die Tour de France bestri

04.07.2025Bauhaus will im ´Freestyle´ an die richtigen Hinterräder

(rsn) – Fünf Top-5-Platzierungen hat Phil Bauhaus (Bahrain Victorious) bei seinen zwei Tour-de-France-Teilnahmen bislang ersprintet – drei 2023, zwei 2024. Im dritten Anlauf sollen noch ein paar

04.07.2025Teams packen zur Tour wieder Sondertrikots aus

(rsn) – Es ist inzwischen ein jährlich wiederkehrendes Ritual: Kurz vor der Tour de France präsentieren einige Mannschaften Sondertrikots für die drei Wochen in Frankreich. Weil zum Saison-Highli

04.07.2025Brilliert Milan bei seiner Tour-Premiere?

(rsn) – Der diesjährige Grand Départ bietet erstmals seit 2020 wieder den Sprintern die Chance, das Gelbe Trikot zu erobern, denn gleich in Lille stehen die Zeichen am Ende der 1. Etappe auf Masse

04.07.2025Die Aufgebote für den 36. Giro d´Italia Women

(rsn) – Mit dem Giro d’Italia Women (6. – 13. Juli / 2.WWT) steht einen Tag nach dem Start der Tour de France der Männer die zweite Grand Tour der Frauen an. Die 36. Ausgabe der Italien-Rundfa

03.07.2025Die zehn deutschen Starter bei der 112. Tour de France

(rsn) – Zehn deutsche Radprofis und damit so viele wie zuletzt 2021, als noch Tony Martin oder André Greipel am Start waren, werden am 5. Juli in Lille die Tour de France 2025 in Angriff nehmen. Im

03.07.2025“Misserfolge schärfen dich“: Roglic lacht seine Dämonen an

(rsn) – Zum siebten Mal in seiner beeindruckenden Karriere geht Primoz Roglic (Red Bull – Bora – hansgrohe) bei der Tour de France an den Start. Die einzige deutsche Équipe im Peloton will von

03.07.2025Van der Poel sieht Chancen für eine erfolgreiche Tour

(rsn) – Mathieu van der Poel (Alpecin – Deceuninck) gehört einmal mehr zu den Top-Stars, die bei der Tour de France an den Start gehen. Wirklich in Erscheinung treten konnte er in den letzten dre

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Course de Solidarnosc (2.2, POL)
  • Sibiu Tour (2.1, ROU)