Australier nach Platz sieben in Colmar deprimiert

Matthews: Nach perfekter Vorarbeit im Sprintchaos verloren

Von Felix Mattis aus Colmar

Foto zu dem Text "Matthews: Nach perfekter Vorarbeit im Sprintchaos verloren"
Niedergeschlagen auf der Rolle: Michael Matthews (Sunweb) im Ziel der 5. Tour-Etappe | Foto: Cor Vos

11.07.2019  |  (rsn) - Die Enttäuschung saß extrem tief. Als sich Michael Matthews (Sunweb) in Colmar von der Ziellinie der 5. Tour-Etappe in Richtung Mannschaftsbus bewegte, rollte er kaum noch in Schrittgeschwindigkeit. Den Blick starr auf den Boden gerichtet, hörte man den 28-Jährigen immer wieder schniefen. Matthews nahm kaum war, was um ihn herum geschah, rollte sogar beinahe auf einen stehenden Kollegen auf, der gerade ein Interview gab.

Am Sunweb-Teambus stoppte er nicht, sondern fuhr vorbei bis zum letzten Bus in der Reihe, um dort umzudrehen und genauso langsam zurück zu kommen. Der Australier schien zu weinen, so nah ging ihm die verpasste Chance auf den Tageserfolg, nachdem seine Teamkollegen den ganzen Tag für ihn gearbeitet hatten.

"Der Tag ist genau so verlaufen, wie wir ihn uns erträumt hätten: Wir sind viele Sprinter losgeworden", erklärte Matthews knapp 20 Minuten nach der Zielankunft auf der Rolle vor dem Mannschaftsbus - immer noch mit nach unten gerichtetem Blick. Davor hatte er bereits zehn Minuten auf der Rolle gesessen und weiter seine Gedanken kreisen lassen, an Interviews war noch nicht zu denken. Tröstende Worte und Streicheleinheiten von Wilco Kelderman, Lennard Kämna und Nicolas Roche schienen wirkungslos abzuprallen.

Matthews musste verdauen, dass sein Team alles richtig gemacht und er sich auf dem Schlusskilometer in Colmar dann aber von der Konkurrenz hatte wegdrängen lassen, um schließlich nur Siebter zu werden. "Ich denke, ich war eigentlich ganz gut positioniert, aber alle haben irgendwelche verrückten Bewegungen gemacht vor diesem letzten Kreisverkehr. Dadurch bin ich viele Plätze zurückgefallen und dann war es nur noch wie in der Waschmaschine", schilderte Matthews das Finale.

"Ich muss meinen Kopf wieder geraderücken"

An vierter Stelle kam er an die Flamme Rouge, doch 600 Meter vor dem Ziel blieb zogen zwei, drei Gegner an ihm vorbei - darunter auch der spätere Sieger Peter Sagan (Bora - hansgrohe) - und von da an war Matthews im Sprintchaos verloren. Seite an Seite mit Omar Fraile (Astana) ging er in den Kreisverkehr, und während der Spanier vorher links von ihm war, kam Matthews rechts von ihm aus der Kurvenkombination heraus. Der Sunweb-Kapitän hatte offensichtlich sogar bremsen müssen, um nicht zu kollidieren, weshalb er nun nur noch an etwa 15. Stelle fuhr - und von da an tat sich bis zur Ziellinie vor ihm einfach keine Lücke mehr auf.

"Ich weiß nicht, was die Anderen da draußen zu tun versuchen. Die meisten sollten eher im Boxring stehen als in einem Radrennen", sagte er frustriert. "Aber das ist eben sprinten, es ist ein Teil davon. Ich wünschte einfach, ich hätte noch eine Lücke gefunden, um wirklich zu zeigen, wie viel PS ich habe. Unglücklicherweise habe ich das nicht."

Dass er aus dieser Position bis zur Linie noch auf Rang sieben vorstieß, zeigte, dass der nötige Punch auf jeden Fall da gewesen wäre. Doch Matthews haderte: "Momentan bin ich etwas verwirrt. Ich weiß nicht, ob ich lieber jemand an meiner Seite habe oder es lieber alleine mache. An manchen Tagen so, an anderen so. Ich weiß momentan selbst nicht, was am besten für mich ist. Ich muss versuchen, meinen Kopf wieder gerade zu rücken", meinte er.

Dabei helfen konnte am Mittwochabend sicher sein Zimmerkollege Nikias Arndt. Das Sunweb-Duo, das sich vor der Tour 2017 gefunden hat, kommt trotz oder gerade wegen großen Unterschieden im Charakter sehr gut miteinander zurecht. Arndts ruhige Art dürfte den emotionalen Australier wieder in die Spur bekommen.

2017 begann auch stotternd

"Vielleicht muss ich mit ihm einfach etwas zurückblicken. Als wir 2017 das Grüne Trikot gewonnen haben, mussten wir am Anfang auch einige Enttäuschungen erleben und hinten raus lief es umso besser", meinte der Norddeutsche gegenüber radsport-news.com und eurosport.de. Damals dauerte es bis zur 14. Etappe in Rodez, bis Matthews endlich gewann.

Zwei Tage später folgte Sieg Nummer zwei und einen weiteren Tag danach übernahm er das Grüne Trikot vom ausgeschiedenen Marcel Kittel, um es bis nach Paris zu tragen. "Unser Vorteil kann ja sein, dass wir von Tag zu Tag gucken und bei der nächsten Etappe für Michael wieder bei 0 neu ansetzen, weil wir eben nicht um Grün kämpfen."

Die Punktewertung soll in diesem Jahr angeblich keine Rolle spielen - das behauptet man bei Sunweb bereits seit Tour-Beginn. Mit 47 Zählern ist Matthews' Rückstand auf Sagan auch bereits groß, doch der Australier ist trotzdem der erste Verfolger des Slowaken. Und er weiß von 2017 genau, wie schnell Kontrahenten im Verlauf der Tour de France ausscheiden können.

Sicherheitshalber trotzdem Punkte sammeln

So ganz 100-prozentig ignorieren will er das Trikot daher ganz offensichtlich auch nicht. Immerhin greift Matthews bislang bei jedem Zwischensprint Punkte mit ab. Er, Sagan, Elia Viviani (Deceuninck - Quick-Step) und Sonny Colbrelli (Bahrain - Merida) sowie Matteo Trentin (Mitchelton - Scott) beteiligen sich dort bislang an der Punktejagd. Wirklich kein Interesse an Grün zeigen von den Top-Sprintern nur Dylan Groenewegen (Jumbo - Visma), Caleb Ewan (Lotto Soudal) und André Greipel (Arkéa - Samsic).

Trotzdem: "Es geht hauptsächlich darum, den Sieg verpasst zu haben. Es war eine große Chance, für die wir viel investiert haben. Und wenn man die verpasst, ist die Enttäuschung umso größer", wusste Arndt, dass die verlorenen Punkte nicht der Grund für die Emotionen waren. "Aber man gewinnt zusammen und verliert zusammen, und dann müssen wir eben woanders unseren Sieg holen."

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