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21.07.2017 | (rsn) - Sollte der Sportsfreund Thomas "The Duracell Hase“ De Gendt am Sonntag in Paris NICHT die rote Nummer für den angriffslustigsten Fahrer gewinnen, dann läuft irgendwas falsch - und zwar gewaltig! Dann fordere ich einen Untersuchungsausschuss! Ist Euch aufgefallen, dass der Typ heute schon wieder in der Spitze war, genauso wie gestern und vorgestern und gefühlt die andern 2000 Kilometer davor auch?
Der Junge hat wirklich irgend ein Gen, das wir anderen alle nicht haben. Es fällt mir ja schon schwer, zu verstehen, dass er nur drei oder vier Mal im Jahr zur Massage will, aber dass er anscheinend auch keine Böcke hat, wenigstens ab und zu mal im Feld zu fahren… Das erschließt sich mir einfach nicht. Also: Gebt dem Mann die Rote Nummer, am besten schon morgen. …Aber das nur mal am Rande…
Zum Glück haben sie uns heute auf dieser letzten super schweren Alpenetappe einen "vernünftigen“ Start spendiert und wir mussten nicht direkt vom Kilometer 0 weg auf irgend einen reudigen Pass mit schlechtem Asphalt und Seitenwind hochfahren. Erfreulicherweise ging es erst einigermaßen menschlich durch ein Tal hindurch, so dass man zumindest die Chance hatte, kurz mal das geniale Panorama zu genießen.
Denn ohne den obligatorischen Laktatüberschuss ist das im Rennen sogar tatsächlich sehenswert.
In unserem täglichen Meeting vor dem Start wurde heute, wie an jedem Tag, eine Taktik verkündet - und die hieß "Ruhetag“ für alle. Auch das war schön. Nun könnte man wieder sagen - wie soll das denn auf einer solchen Etappe mit gefühlten 5000 Höhenmetern funktionieren? Aber es bedeutet im Prinzip vor allem, dass wir so kraftschonend und so defensiv wie möglich ins Ziel kommen sollen, ohne unnötig Körner zu verschießen. In den nächsten Tagen werden wir nämlich unsere letzten Kräfte noch mal brauchen, auch wenn dies natürlich grundsätzlich erst mal voraussetzt, dass wir (mich eingeschlossen) noch welche haben.
Ich fasse zusammen: Vom Ding her erst mal eine angenehme Ansage zum Tagesbeginn. Diese täglichen Meetings werden von unseren SpoLeis (Sportlichen Leitern) übrigens immer akkurat vorbereitet und wir sehen im Bus dazu sogar auch jedes mal eine eigens angefertigte PowerPoint-Präsentation mit allen Details und Erwartungen sowie Schlüsselstellen der Etappe. Ein paar Worte zur Umsetzung des am Vortag Gepredigten gibt es auch immer noch und somit war das Meeting heute von der Grundstimmung her ebenfalls schon mal eines der besseren.
Gut gelaunt ging es folglich los mit Etappe 18 und ich muss sagen, die Jungs vom Team Sky sind schon auch echt richtig cool. Natürlich sind sie sowieso eh schon cool, weil sie schnell fahren und weil sie das Gelbe Trikot in Ihren Reihe haben - aber sie strahlen so eine gewisse Coolness aus, die ich einfach erwähnen muss. Diese Coolness kommt einfach nicht so aggressiv rüber wie bei anderen, sondern schwingt vielmehr im Subtext mit: Da ging heute nach ein paar Kilometern wieder eine größere Gruppe weg und den Jungs war das einfach mal total Latte! Ob da jetzt 10 oder 20 oder auch mal 30 Mann vorne sind - absolut Wurst. Und dass es heute sogar 50 Mann waren? Auch egal! Jeder weiß bei denen anscheinend: "Hinten kackt die Ente“ und auf einer solchen Etappe sollen sich die Kinder vorne mal ruhig so richtig austoben…
Sky machte also das, was sie am besten können und ließ Kneesi zusammen mit Luke Rowe das Ding im Feld von vorne nehmen. Für mich und unser Team war das wirklich ideal, da es somit schön gleichmäßig und kontrolliert über die ersten Höhenmeter ging. Und auch heute muss ich wieder meinen Hut ziehen vor Kneesi und seinen Jungs, denn es war einmal mehr sehr windig und ich wäre da nur sehr ungern an der Spitze gefahren.
Daher ist es auch absolut gerechtfertigt, dass Christian Knees grade erst seinen Vertrag bei Sky um weitere zwe Jahre verlängert hat. Er ist für mich unumstritten ein ganz wichtiger Mann in diesem Team und das, was er leistet, ist mehr als top!
Der Tag verlief also schön und wir kamen sogar "ohne“ Stress bis zur Verpflegungszone bei Kilometer 100 (von 179 insgesamt). Dort mussten wir aber dann definitiv die Fast Food Variante spielen, denn die Jungs von BORA mit Marcus Burghardt dachten sich in dem leicht ansteigenden Tal plötzlich, dass sie für Emanuel Buchmann noch mal eben ein kurzes Feuerwerk zur Feier des Tages abbrennen müssen. Alter, tat das wieder weh. Wie gesagt - zum Glück hatten wir schnell wieder die Hände frei, denn der Rennlenker wollte da direkt wieder schön "auf und zu gebogen“ werden! Zum Glück war das Thema dann aber auch bald wieder erledigt!
Am Beginn des Anstiegs zum Col de Vars bei Kilometer 121 gingen wir eigentlich alle davon aus, dass das mit dem Gruppetto sich direkt mal selbstständig organisiert, da an diesem Anstieg alles explodieren wird. Allerdings lagen wir da falsch. Die Exit-Strategie musste erst mal wieder
verschoben werden, da sich BORA wohl recht schnell ausgepowert hatte und somit durften Kneesi und Rowe wieder zurück in Amt und Würden.
Jeder ekelte sich also noch eine Weile mit und versuchte dranzubleiben. Ich ließ mich dazu hinreißen, das Spiel ungefähr noch drei bis vier Kilometer mitzuspielen und klinkte mich dann aber mit ganz viel Routine aus. Blöd war, dass die meisten es noch ein bisschen länger aushielten und somit erst mal kein richtiges Gruppetto entstand. Ich fragte mich, ob das "früher“ auch so war, denn aus dem Fernsehen habe ich das irgendwie anders in Erinnerung. Aber vielleicht liegt es auch daran, das einige der Top-Sprinter ja inzwischen auch die Tour vor der Glotze verfolgen.
Ich befand mich also in der allerletzten Gruppe und hatte dort mit dem Kollegen Gogl und mit Dege sowie mit unserem Dylan Groenewegen immerhin ein paar nette Jungs um mich herum. Mit Ihnen kamen wir dem Gipfel des Anstiegs ein gutes Stück näher und irgendwann gab es dann auch noch ein richtiges Gruppetto für alle. So wie ich das jetzt im Nachhinein gelesen habe, musste sich der Gogler heute sehr gequält haben, da er auch nicht mehr ganz gesund ist. Deshalb auch für ihn noch mal einen Extra-Daumen nach oben!
Im Ziel waren wir dann mit 28 Minuten Rückstand richtig gut dabei und wenn ich sehe, dass wir 45 Minuten hätten haben können, dann behaupte ich mal, dass ich für einen Ruhetag gar nicht so lahm war. Das hohe Grundtempo hat die Karenzzeit also ordentlich angehoben.
Das Hotel, in dem wir jetzt hier zwe Nächte wohnen, muss übrigens ein Siegerhotel sein. Gestern waren wir dran und konnten Champagner schlürfen, heute war es bei den Jungs von Sunweb "mal wieder“ so weit.
Die Jungs radeln hier wirklich auf der Sonnenseite und ich gönne ihnen das. Aus meiner Zeit bei Skil-Shimano (dem Ursprungsteam von Sunweb) kenne ich noch einige der Jungs und auch ein paar vom Betreuerstab. Alles ganz feine Kerle! Und wer sich auch freut hier, ist definitiv die Hotel-Rezeption, da dort immer die schönen Blumen landen. Es gibt Blumen für die Trikots (also Grün und Berg) und natürlich auch für den Etappensieger. Das macht vier Mal Blumen in zwei Tagen - auf jeden Fall ein guter Schnitt!
Wenn vorne 50 Mann wegfahren, dann darf unser Titi Voeckler natürlich nicht fehlen und ich habe ihn daher heute leider gar nicht gesehen. Aber: Ihr müsst mal gucken - ich habe dafür ein schönes Video bei Facebook über ihn und seine Abschieds-Tour gefunden. Auf der Seite der UCI könnt ihr das anschauen und der Film beginnt schon super cool, weil sie diverse Leute seine Gesichts-Eskapaden nachmachen lassen. Das ist quasi mein TV-Tipp zum Freitag.
Dass auch der andere Thomas mit vorne war, habe ich zwar bereits eingangs erwähnt, kann das aber auch nicht oft genug tun.
So - und was war nun am Ziel los? Richtig, trotz zwischenzeitlich acht Minuten Rückstand hat am Ende einer "aus dem Feld“ gewonnen. Blöd natürlich für den Atapuma, der Zweiter wird - aber so ist das eben manchmal, selbst wenn es verdient wäre.
Im Übrigen sollte unser Primož Roglič heute auch im Gruppetto fahren, aber das ging nicht, da seine Beine so langsam nicht treten können. Diese Probleme möchte ich mal haben.
Morgen dann mit 220 Kilometern die längste Etappe dieser Tour- und das an Tag 19! Was das werden wird, müssen wir abwarten, da es am Anfang schon noch sehr bergig ist und da, wie erwähnt, viele Sprinterteams nicht mehr als solche agieren. Wir Jumbos hätten natürlich gegen einen Sprint nichts einzuwenden.
Für unser Gewinnspiel dürft Ihr bei mir also heute noch mal 28 Minuten addieren und wenn ich den Tipp geben darf: Es wird definitiv noch was dazukommen! Die Deadline ist Sonntag um 15 Uhr - also nehmt gerne noch Teil, denn wir verlosen unter anderem ein Trikot von mir und zwei "DNF“-Bücher von Paddi.
Ich werde übrigens immer wieder angesprochen, ob ich nach der Radkarriere nicht als Journalist anfangen möchte, weil meine Texte immer so interessant sind. Das ehrt mich natürlich wahnsinnig, aber bitte vergesst nicht, dass ich den ganzen Spaß zwar erlebe und abends immer versuche,
mich an das meiste zu erinnern…
Den kreativen Job des Schreibens allerdings bekleidet mein Freund Paddi. Und wenn ich das so sagen darf, auch der freut sich auf Paris, da er dann wieder in einen normalen Tagesablauf kommt. Er sitzt nämlich abends immer zu Hause und wartet, bis ich irgendwann anrufe. Das kann mal um 19 Uhr sein - manchmal ist es aber auch erst um 22 Uhr 30 - und da ist noch nichts geschrieben. Aber wie heißt es so schön? Augen auf bei der Berufswahl!
Zum Schluss noch eine sehr traurige Nachricht, die hier im Peloton wirklich viele Fahrer beschäftigt. Werner Lenk, langjähriger und sehr anerkannter Mechaniker aus Leipzig, ist leider verstorben. Er war in dieser Saison beim Team Dimension Data als Mechaniker dabei und viele von uns kennen Ihn inzwischen seit langen Jahren. Ich habe ihn während meiner Zeit im Team Leopard kennen und schätzen lernen dürfen und er war unter anderem auch für den Bund Deutscher Radfahrer tätig sowie bereits zu DDR-Zeiten ein stets gern gesehener Begleiter auf vielen Wegen.
Mein aufrichtiges Beileid gilt seiner Familie und seinen Freunden. Mach's Gut Werner!
Wagi und Paddi
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