22. September - Köln - 111 Kilometer - Rennbericht

Tour de Magellan: Ulle und der Bergfloh

Von Magnus Günther

Foto zu dem Text "Tour de Magellan: Ulle und der Bergfloh"
"Tour-Teufel" Didi Senft | Foto: tour-de-magellan.de

28.09.2012  |  „So fit möchte ich mit 75 auch noch sein…“ – das hat sich wohl so mancher der gut 200 Teilnehmer der „Tour de Magellan“ am vergangenen Samstag gedacht, als Karl-Heinz Kunde an einem Anstieg mal wieder locker davonzog. Und der „Bergfloh“, 1,59 groß und immer noch gut 50 Kilo leicht, war nicht der einzige „Rad-Rentner“, der es auf der Ausfahrt rund um Köln noch krachen ließ…

Der „Kölsche Rad-Klüngel“ war mal wieder gut vertreten: Rudi Altig, ebenfalls 75, und sein zwei Jahre älterer Bruder Willi, Hennes Junkermann (78), „Rund um Köln“-Organisator Artur Tabat (70), Wilfried Peffgen (70), Klaus Bugdahl (77) - alle noch beneidenswert agil für ihr Alter, immer zu trocken-kölschen Witzchen aufgelegt, und immer für einen überraschenden Antritt gut.

Aber der Reihe nach. Samstag, 10 Uhr 30 im Eltzhof, Köln-Wahn. Der schön renovierte Backstein-Vierseithof bildet die imposante Kulisse für den Auftakt der zweiten „Tour de Magellan“.

„Tour-Teufel“ Didi Senft hat sein neuestes Riesen-Rad mitgebracht, verziert mit Dutzenden bei den großen Rundfahrten persönlich vom Straßenrand aufgesammelten, echten Profi-Trinkflaschen. So mancher Teilnehmer posiert mit dem immer bereitwilligen Didi vor dem kuriosen Alu-Gefährt; auch Star-Gast Jan Ullrich kommt nicht dran vorbei.

Bei durchwachsenem Wetter (mal Niesel, mal Sonne) springt schließlich Moderator Rene Hiepen auf die Bühne, und präsentiert die Mannschaften. Das führt zu so mancher Überraschung im Publikum: „Ist der Gregor jetzt bei der Ranzen-Garde“, heißt es etwas despektierlich, als Bahn-Olympia-Sieger Gregor Braun trotz seines Leibesumfangs recht behende auf die Bühne hüpft.

Rudi Altig und das alte Rennrad von Bruder Willi
Rudi Altig hat seinen Bruder mitgebracht – und seinen rheinischen Witz: „Der Willi, der hat mich ja damals zum Radfahren gebracht. Eigentlich war ich ja Fußballer“, erzählt der Straßenweltmeister von 1966: „Der Willi hat ein neues Rad gebraucht. Deswegen sollte ich den Eltern sagen, ich will jetzt auch Rennradfahren.“ So war das damals halt: Der Rudi bekam das abgenudelte Rad des großen Bruders – und der ein neues…

Heute darf der Rudi natürlich mit seinem eigenen Rad an den Start. Aber so manchem Teilnehmer der „Tour de Magellan“ sieht man doch an, dass er nicht mit dem eigenen Renner unterwegs ist: Die „Turnschuh-Quote“ ist doch deutlich höher als in sonstigen Jedermann-Rennen. Aber das ist ja auch kein Rennen heute, sondern eine Ausfahrt für einen guten Zweck.

Moderator Rene Hiepen schickt die gut 200 Fahrer an den Start, und kurz nach halb eins kracht der Startschuss. Wenige Minuten zuvor ist auch noch die Sonne rausgekommen, und ich bereue es schon, mit gegen die Weste und für meine Jacke entschieden zu haben: Mir ist schon warm, bevor es überhaupt losgeht.

Als wir dann so langsam ins Rollen kommen, bin ich doch nicht so unglücklich über mein knallgelbes Softshell-Teil: Trotz Sonne ist es durchaus frisch, vor allem im Schatten, und das Tempo ist eher gemütlich. Zudem gibt es immer wieder meist unverhoffte Stops, wenn die Führungsfahrzeuge bei Gegenverkehr langsamer werden: Da macht sich oft der berüchtigte Rückstau-Effekt bemerkbar, und etliche Karbon-Laufräder quietschen jedesmal recht grausam.

Der "Express" in Turnschuhen
In Niederkassel kommen wir allmählich raus aus den Industriegebieten, und die Strecke wird freier. Ich fahre ein wenig nach vorn, und komme mit einem „Turnschuh-Fahrer“ ins Gespräch: ein Reporter des Kölner Boulevard-Blatts „Express“, der mit Jan Ullrich gestartet ist, und eine Geschichte über ihn macht. Wie isser denn so, der Jan, frage ich. „Angekommen“, meint Thomas: „Der hat jetzt sein Leben gefunden. Keinen Druck mehr.“

Hm. Kein Druck, ok. Aber ist „Ulle“ wirklich mit seinem Leben zufrieden: Von einem Jedermann-Rennen zum nächsten tingeln, und vermutlich immer die gleichen Fragen beantworten? Vor allem immer wieder die „D“-Frage? Ich beschließe, ihn das einfach mal selber zu fragen: Ist er mit seinem Leben jetzt zufrieden? Eine lockere Ausfahrt wie heute ist wohl die ideale Gelegenheit dazu.

Aber vertrackt. Ist garnicht so leicht, an Jan ranzukommen. Ich sehe ihn zwar immer wieder im Feld hin- und herfliegen – er ist beileibe nicht nur vorn unterwegs. Aber immer wenn er mal gemütlich mitrollt, bildet sich sofort eine Traube von Fans um ihn. Zweimal versuche ich, mich da einfach mal reinzudrängeln. Aber da wird mit Haken und Ösen gearbeitet: Freiwillig Platz macht keiner.

Als dann mal wieder die Bremsen kreischen, kann ich nur knapp einen Sturz vermeiden: Der Fahrer vor mir kramte freihändig in den Trikottaschen, und kommt bei der Notbremsung schwer ins Schlingern. So verschiebe ich meine Frage an Jan auf die Pause in Niederkassel – ist nicht mehr weit.

Der "Bergfloh" tritt an
Inzwischen sind wir ein wenig aus den Vorstädten rausgekommen; es geht über Land an Bonn vorbei. Als ich mich aus der Spitze zurückfallen lasse, passiere ich an einer kurzen Steigung den „Bergfloh“ Kunde, der eben heftig antritt – mit 75, wohlgemerkt. „Alles klar, Karl“, ruft Rudi Altig (im langärmeligen WM-Trikot unter dem „offiziellen“ Sponsor-Leiberl) von der anderen Seite herüber, und die beiden alten Kämpen grinsen sich an.

Irgendwann rollt Artur Tabat neben mir, der umtriebige Organisator von „Rund um Köln“. Im Januar ist er 70 geworden, und immer noch flott unterwegs – auf dem Renner, und auch sonst. Wir plaudern über den Wandel der Jedermann-Szene, und Artur verrät mir eine interessante Neuerung bei seinem Rennen – die ich hier aber leider noch nicht verraten darf. Oder vielleicht doch? Ich versuch's einfach mal: Also, das Rennen findet heuer am - STOP - das geht doch nicht! Klappe! Na gut, schade…

Weiter im Rennen: Ständig im Feld auf und ab fliegt Björn Thurau. Als einer der wenigen ist er nicht mit dem weißen „Magellan“-Helm unterwegs, sondern im Grün seines aktuellen „Europcar“-Teams. „Hat's der Björn jetzt an der Blase“, fragt etwas respektlos ein Teilnehmer ins Feld, als Thurau zum wiederholten Mal rechts ranfährt. „Nö, der hat ne neue Freundin, der muss telefonieren“, kommt's zurück. Achso? Das muss ich doch mal nachrecherchieren (mehr dazu in Kürze;-)…

Schleißlich geht's in einen Golf-Club. Hä? Falsch abgebogen? Frage nicht nur ich mich angesichts etlicher Golfwägelchen-schiebender, etwas entgeistert guckender gesetzter Damen und Herren in karierten Klamotten. Die Auflösung: Wir sind am Clostermanns Hof, wo ein leckeres Pausen-Büffet auf uns wartet.

Drago und die Schmitzebud
Bei alkoholfreiem Weißbier (soll beim Sport ja fast das ideale Getränk sein) und Kirschkuchen (interessante Kombi) komme ich ins Gespräch mit Ralph Dräger, einst Team-Telekom-Mechaniker, heute Inhaber von „Ralphs Radwelt“ in Köln, und einer der Retter des legendären Radtreffs „Schmitzebud“.

Ralph ist begeistert von der Tour. „Da sind ja wirklich alle bei, dat is schon toll: Ulle, Lude, Rudi, Wese, Gregor, Willi, Artur, Mario, Andi, Hennes, Rolf, Klaus, Wilfried...“, schwärmt „Drago“, wie ihn hier die meisten nennen: „Hab ich jemand vergessen? Bestimmt. Schon mal Sorry dafür. Aber es macht einfach Spaß, mit dem ganzen Pack mal gesammelt unterwegs zu sein!“

Dann noch schnell das Erinnerungs-Foto mit allen Teilnehmern, und weiter geht's. Nun kommt die Sonne endgültig raus, und mir wird mit doch etwas warm mit meiner Jacke. Also runter damit. Als ich sie im Fahren ausziehe, verursache diesmal ich fast einen Crash: Vorne wird gebremst, ich komme natürlich nur mit Verzögerung in die Eisen, und muss entsprechend hat ran. Mein Hintermann schafft's gerade noch so, aber danach wird's eng. Ich höre einige Flüche, aber immerhin kein Scheppern. Glück gehabt.

Nun rollen wir entlang hoher Maisfelder auf Köln zu. Bald sind wir am Rhein, und die imposante Deutzer Hängebrücke rückt ins Bild. Etliche Telefone werden gezückt, und es wird eifrig geknipst. Wenig später taucht die Silhouette des Doms auf: Wieder klicken die Händis.

Auf den Trambahn-Gleisen am Rheinufer passierts's dann leider doch noch: Eine Teilnehmerin gerät in die Ritzen einer Weiche, und stürzt. Schlüsselbeinbruch, heißt es später (alles Gute!). Immerhin bleibt das die einzige gravierende Verletzung bei der Tour.

Flach durchs Bergische Land
Dann kommt die angedrohte Schleife durchs Bergische Land. Allerdings bleibt es erstaunlich flach – so habe ich das Kölner Hinterland noch nicht erlebt: Da haben die Strecken-Scouts ganze Arbeit geleistet, um die Runde auch für weniger Trainierte nach 80 km noch bequem zu gestalten.

Bald sind wir in Rath, und nun kommt die große Didi-Show: Der „Tour-Teufel“ wirft sich, weit aus dem Fenster des Führungs-BMW gelehnt in Positur. Dann steigt er aufs Dach, lässt den Umhang flattern, fuchtelt mit dem Dreizack, und grinst teuflisch in die Kameras.

Didi sucht übrigens einen neuen Sponsor. Hat er mir nach dem Rennen verraten. Der schwäbische Kupplungs-Hersteller, mit dem Didi über 25 Jahre zusammengearbeitet hat, will nicht weitermachen. Neuer Marketing-Mann… Wenn Sie eine Idee für Didi haben: Kontaktieren Sie ihn doch, über seine Netz-Seite (zweiter Link hier unten).

Schließlich der Endspurt zum Elshof. So mancher, nicht nur die Turnschuh-Radler, atmet nach den gefahrenen 111 Kilometern auf. „Mein armer Hintern“ höre ich nicht nur einmal. Jans Kommentar nach dem Rennen dazu: „Da wächst einfach keine Hornhaut, da muss man durch!“ Ein frisches Kölsch hat sich nun jeder der gut 200 Teilnehmer verdient (oder auch zwei. Oder fünf? Ist ja nicht so viel drin.). Bis zum nächsten Jahr – in alter Frische…

Hier noch die Liste der prominenten Teilnehmer der „Tour de Magellan“ 2012:
Jan Ullrich
Jörg Ludewig
Rudi Altig
Steffen Wesemann
Christoph Lörcks
Gregor Braun
Willi Altig
Artur Tabat
Mario Kummer
Alexander Aeschbach
Andreas Kappes
Manuel Reuter
Björn Thurau
Stefan Schlie
Klaus Bugdahl
Karl-Heinz Kunde
Hennes Junkermann
Wilfried Peffgen
Rolf Wolfshohl
Stefan Steinweg
Till Schramm (Triathlon-Profi)
René Hiepen (Moderator)
Thomas Maximilian Held (Schauspieler)

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