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13.10.2010 | Am 23. Juli 2011 startet in Hemsedal in Süd-Norwegen die siebte Ausgabe der "VikingTour", ein Jedermannrennen, das über acht Etappen durch die Provinz Telemark führt. Über 200 Fahrer absolvieren insgesamt 780 Kilometer und 13 400 Höhenmeter. Sie passieren neun Fjorde und neun Berge, darunter Vikafjell, Osafjell und Gaustatoppen.
Die Anmeldung zur Viking Tour 2011 läuft seit 10. September.
Radsport-aktiv.de hat einen exklusiven Bericht zweier Teilnehmerinnen der Viking Tour 2010: Susanne Gnauk (Fotos) und Marlene Seifert (Text) nahmen vom 24. bis 30. Juli an der langen Runde durch den Süden Norwegens teil. Die Erfahrungen der beiden "Wikingerinnen" lesen Sie hier:
Was hat mich geritten, bei diesem Wahnsinn mitzumachen? Seit Stunden zieht sich vor mir eine einsame Straße immer weiter in die Länge. Sie führt mit bis zu 20 Prozent Steigung scheinbar direkt in den Himmel. Ich verschwinde im Wolkennebel und komme auf der anderen Seite wieder raus, richte den Blick auf das graue Band vor mir – es geht weiter bergauf. Ab und zu schiebt sich ein anderer Rennradler Zentimeter um Zentimeter an mir vorbei. Für einen Wortwechsel wäre genug Zeit, aber keine Luft. Sonst würde ich mich mal erkundigen, wie man eigentlich eine Wand hochfährt.
Mit Fragen wie diesen kämpfe ich mich Stück für Stück zum Dach der Viking Tour 2010.
Von diesem Jedermannrennen in Norwegen habe ich vor zwei, drei Jahren gelesen – mehr eine Notiz als ein Artikel. Aber die Bilder im Internet waren so verlockend, dass ich nun bei der sechsten Austragung dieser einwöchigen Tour selbst im Sattel sitze und jeden Tag aufs Neue zwischen Leid und Lust, Genuss und Verzweiflung hin- und hergerissen bin. 780 Kilometer und 13.391 Höhenmeter lang.
Familiäres Miteinander
Manchmal scheint es mir ein sonderbares Vergnügen, täglich viel zu früh aufzustehen, mit dem Rennrad die Berge hochzukriechen, einen Schlafplatz in der Turnhalle zu beziehen und jeden Abend müder auf die Isomatte zu plumpsen. Aber wenn die Gedanken die vergangene Etappe umkreisen, bin ich doch sehr froh. Das liegt an dem familiären Miteinander und der persönlichen Atmosphäre. Alle Fahrer teilen sich Duschen und Toiletten der komfortablen Sporthallen, wir sitzen gemeinsam beim Abendessen, schaufeln Nudeln in uns hinein und analysieren dabei die zurückgelegten Kilometer. Man hilft sich mit Schläuchen, Pumpen, Verpflegung oder guten Worten.
Manchmal kommt es zu komischen Missverständnissen. Auf der der ersten Etappe ereilt mich ein Plattfuß und ich mühe mich mit meiner Mini-Pumpe vergeblich, acht Bar in den Reifen zu bekommen. Neben einem Fahrer, der mir eine rettende Kartusche anbietet, hält ein weiterer. Er hatte mein „No power…“ ganz anders verstanden und bietet mir sofort eine Banane an. Keine schlechte Idee. Schließlich kommt nun keine der Verpflegungsstellen mehr, an denen die sympathische Viking-Crew den Fahrern mit Cola, liebevoll geschmierten Marmeladenbrötchen, Keksen und Schokolade die Weiterfahrt erleichtert.
Berauschende Landschaft
Wieder allein am Berg lenke ich mich beim Anstieg mit dem Ausblick auf die berauschende Landschaft ab. Die einsame Schönheit der Bergriesen ist beeindruckend. Wasserfälle stürzen aus Abhängen in malerische Täler. Der tosende Dampf von Milliarden Tropfen legt einen sanften Nebel über grüne Schluchten. Die Sonne taucht die weiten Täler in kräftige Farben. An einem Tag erwärmt sie die Luft so sehr, dass es mich und meine neuen und alten Rennradfreunde zum Baden ins Fjord zieht. Herrlich, das kühle Nass und um uns ein Panorama aus bis zu 1.800 Meter hohen Bergen.
Das Fatale bei diesen Klettertouren ist, dass es in Norwegen sehr geradlinig zugeht. Die Straßen haben kaum Kurven, sie sind endlos lang und steil. Ich sehne mich nach Serpentinen. Sie würden mir wenigstens zeitweise den Blick auf das ersparen, was noch vor mir liegt. Doch es gibt kaum Erbarmen. Manchmal macht mich diese Kletterei wütend, dann trete ich völlig gedankenlos auf den Pedalen herum.
Irgendwann muss es ja mal vorbei sein. Kann ja nicht ewig so weitergehen – oder doch? Blick nach oben. Doch. Also weiter und weiter und weiter… Aber was aufwärts so viel Mühe macht, bringt bergab richtig Spaß und Speed. Bei den Abfahrten komme ich auf knapp 80 Sachen und das ohne Mühe und angstfrei, denn die wenigen Kurven lassen sich sehr gut einsehen.
Keine Angst vorm Besenwagen
So erklimmt in dieser meist sonnigen Juliwoche jeden Tag ein gut gelaunter 200-köpfiger Tross mit Rennradlern aus Norwegen, Schweden, Dänemark, den Niederlanden, Belgien und Deutschland die Berge im Süden Norwegens. Ein Großteil absolviert das Rennen auch als solches, aber ohne Zeitlimit. So bleibt neben den Duellen an der Spitze noch genug Zeit für die kleinen Wettrennen um die hinteren Plätze. Keiner muss hier Angst vor dem Besenwagen haben.
Außerdem gibt es ja noch die Touristengruppe: Diese Fahrer starten jeden Morgen eine halbe Stunde vor dem Rennen. Sie fahren den gleichen Kurs und haben auch alle einen Transponder für die Zeitnahme am Fuß. Langsamer gefahren wird hier nicht unbedingt, doch es bleibt Zeit für Kaffee- und Fotostopps zwischendurch. Und sie können die Positionskämpfe an der Spitze für einige Momente live mitverfolgen, wenn die Ersten der Rennwertung an ihnen vorbeirauschen – ein Erlebnis, das ich verpasse.
Touren- und Rennfahrer treffen sich jeden Abend bei der Siegerehrung. Gemeinsam beklatschen wir die Sieger und Träger der Sprint- und Bergtrikots. Doch die eigentlichen Heldengeschichten spielen sich am Ende des Feldes ab. Da, wo Anne aus Schweden jeden Tag um Anschluss kämpft und meist weit hinter allen anderen das Ziel erreicht. Wo sich die Letzten zu Fuß und im strömenden Regen zum Gipfel des Osafjell kämpfen oder trotz Leiden, Pech und Pannen immer weiterfahren und ankommen, wenn andere schon beim Essen sitzen.
Am Ende der Tour kommen wir beladen mit neuen Eindrücken und Glücksgefühlen nach Hause – wir sind alle Wikinger.
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