Die Tour de France 2008 in zehn Tagen

Guido Kunze: Jungs, es geht auch sauber!

01.08.2008  |  (rsn) - Am 17. Juli startete Guido Kunze seine „Tour total“. Der 42-jährige Extremsportler fuhr die komplette Strecke der 95. Tour de France ab und traf nach zehn Tagen, am 27. Juli, kurz vor dem Tour-Tross in Paris auf den Champs-Elysées ein. Im Interview mit Radsport aktiv spricht der 42-jährige Extremsportler aus dem thüringischen Mühlhausen Kunze über die schönen und auch gefährliche Momente seiner "Tour total".

Guido, Du hast 3.500 Kilometer in zehn Tagen bewältigt. Wie geht es Dir?

Kunze: Mir geht es nach den Strapazen der Tour fantastisch!

Lief alles so wie geplant?

Kunze: Es lief alles nahezu perfekt. Körperlich und geistig war ich topfit und die Mannschaft hat super funktioniert, obwohl nur Leute dabei waren, die so ein Event noch nie begleitet hatten. Am meisten fehlten mir meine Freundin Gaby und mein Sohn Marvin, die sonst immer mit dabei sind. Gaby hatte aber das Team mit ihrer Erfahrung gut eingestellt, was Essen und Trinken angeht.

Bei solchen Extrembelastungen spielen sowohl die persönliche Erfahrung als auch das Material eine große Rolle. Wie fällt Dein Fazit in diesem Punkt aus?

Kunze: Absolut positiv. Bei der Tour konnte ich so einiges ausprobieren, was ich aus den letzten Events an Erfahrungen mitgenommen habe. So hatte ich mir z.B.eine spezielle Halterung für den Triavorsatz bauen lassen - was sich als genial herausgestellt hat. Ich hatte deshalb keine Rücken-, Schulter-, Nacken - oder Handprobleme. Ich glaube auch, dass ich mit dem SLR und dem Arione die richtigen Sättel gefunden habe. Die Räder von Ghost sind super gelaufen und mit dem Schuh von Diadora habe ich nun auch den richtigen gefunden.

Du und Dein Begleittross seid über "ganz normale", sprich - nicht abgesperrte Straßen gefahren. Wie hoch war das das Risiko für Leib und Leben?

Kunze: Insgesamt war das Risiko gering. Die Tour läuft ja sehr oft auf kleinen Straßen, die uns oft zur Verzweiflung brachten, weil die Wegfindung oft schwierig war. In den größeren Orten und Städten war das Navigieren auch nicht einfach. Da ich oft Umwege fahren mußte, kamen so einige Kilometer mehr auf den Tacho. Auf den Schnellstraßen, besonders auf den Überführungsetappen, war es allerdings oft lebensgefährlich. Als mich einmal der Spiegel eines PKW streifte, bin ich in das Begleitfahrzeug, bis es wieder sicher war.

Gab es Momente, in denen Du aufgeben wolltest?

Kunze: Auf der ganzen Tour gab es keinen Moment, in dem ich ans Aufgeben dachte! Ich hatte weder große Sitz- noch muskuläre Probleme. Das Wetter war auch fast immer top für so eine lange Tour. Die Telefongespräche mit Gaby und Marvin waren auch immer eine große Motivation. Es war eine fast perfekte Tour für mich.

Hattest Du unterwegs auch Gelegenheit, noch etwas von der "Tour-Stimmung" einzufangen?

Kunze: Richtige Tour-Stimmung kam erst beim Aufstieg nach L'Alpe-d'Huez auf. Erstens fuhren viele Hobbyradler und zweitens wurde ich vom ZDF begleitet und gefilmt. Mein Team hat mich dann oben würdig empfangen. Zumal ich mit 52 min nach den Strapazen ja gar nicht so schlecht war (lacht)…Richtig gut wurde es beim Zeitfahren. Hier hatte ich schon fünf Stunden Zeit, mir das Rennen anzuschauen. Ich habe dann gleich die Gelegenheit genutzt und bin sofort nach Carlos Sastre auf die abgesperrte Strecke drauf und los gefahren. Da schaute so mancher Zuschauer nicht schlecht, als ich dann noch kam, und so bekam ich auch noch ein wenig Beifall.

Welchen Tag - Moment - wirst Du bei dieser Tour total in ganz besonderer Erinnerung behalten?

Kunze: Ich glaube da muss ich nicht lange überlegen. Dass ich auf den abgesperrten Champs Elysées fahren durfte, war für mich das Größte - und die ARD hat alles aufgenommen. Sie hatten mir auch die Akkreditierung besorgt, damit ich auch offiziell fahren durfte.

Hast Du schon Reaktionen auf deine Tour total erhalten?

Kunze: Die Reaktion auf die Tour war super! Ich bekomme Anrufe und viele Mails. Leute kommen zu mir in den Laufladen, um mir zu gratulieren. Einfach gigantisch die Reaktion. Wir haben sehr viele Anfragen, warum nichts im Fernsehen zu sehen war. Das ist natürlich sehr schade, da die ARD und das ZDF ja gedreht haben. Die haben das Material dem MDR zur Verfügung gestellt und es wurde ein Bericht gesendet, aber leider bekommt ja nicht jeder diesen Sender. 

Du wolltest beweisen, dass man die Tour bzw. auch extreme Leistungen auch ohne verbotene Hilfsmittel bewältigen kann. Glaubst Du, dass Du damit etwas bewegen kannst bzw. gibt es Profis oder Teams, die von Dir und Deinem Versuch Notiz genommen haben?

Kunze: Ob Profis davon Notiz genommen haben, weiß ich nicht. Aber ich denke, gerade die deutschen Teams werden es wohl mitbekommen haben. Eventuell noch Team Garmin/Chipotle, da ich ja von Garmin Geräte zur Verfügung gestellt bekommen hatte. Auch das EON-Team hat es gewußt, da die Fa. Oßwald ein Hauptsponsor ist und mich bei der ganzen Sache super unterstützt hat. Aber mein großes Ziel ist ja nicht, die Profis zu verändern. Klar, ich will sie zum Nachdenken anregen. Aber vor allem will ich den Nachwuchs erreichen und ihnen zeigen: Wenn du eine Leistung bringen willst, dann mußt du trainieren und keine Pillen schlucken. Doping darf nicht salonfähig werden. Hier sehe ich meinen Ansatz beim Nachwuchs: "Jungs, es geht auch sauber!"

Was steht als nächstes auf Deinem Programm?

Kunze: Als nächstes steht der Weltrekordversuch von Sydney nach Perth an. Den werde ich im November angehen. Dazu war die Tour eine gute Generalprobe. Aber jetzt kommt als erstes der Umzug. Da wir unseren Laufladen vergrößern, ziehen wir hier in Mühlhausen in ein größeres Objekt in der Fußgängerzone. Deshalb ist Gaby auch diesmal hiergeblieben, um den Umzug vorzubereiten. Übrigens: Die Eröffnung ist am 08.08.2008 um 08:08 Uhr.

Die Fragen an Guido Kunze stellte Matthias Seng.

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