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04.12.2025 | (rsn) – Nachdem er 2024 mit seinem ersten Profisieg und dem Deutschen Meistertitel sowie seiner allgemeinen Entwicklung einen großen Schritt nach vorn machen konnte, hat das Jahr 2025 die Karriere von Marco Brenner (Tudor Pro Cycling) stark eingebremst – und beinahe sogar beendet. Ein schwerer Sturz in der Abfahrt vom Col Saint-Pantaléon auf der 19. Etappe des Giro d'Italia sorgte dafür, dass der da noch 22-Jährige sein Rad in der ersten Reaktion sogar an den Nagel hängen wollte.
Ein halbes Jahr später aber ist Brenner weiterhin Radprofi und bereitet sich auf die Saison 2026 vor – zunächst gemeinsam mit seiner Freundin Maud Rijnbeek (VolkerWessels) und seinem Bruder Mauro Brenner (ab Januar Rembe – rad-net) in Malaga, dann mit dem Tudor-Team in Moraira bei Calpe an der Costa Blanca.
"Schöne, ruhige Straßen zum Trainieren und nochmal wärmer als Calpe – man kann hier echt fast jeden Tag kurz-kurz fahren", erklärte Brenner radsport-news.com am Telefon, wieso es ihn schon das vierte Jahr in Folge im Winter zum privaten Trainingscamp nach Andalusien zieht. Trainieren könne er wieder ganz normal, "alles im grünen Bereich", so der gebürtige Augsburger. ___STEADY_PAYWALL___
Trotzdem: Der Horror-Unfall vom 30. Mai, und das Wort ist in diesem Fall nicht übertrieben, wirkt lange nach. "Mental ist es ein längerer Prozess", gab er im Gespräch zu, in dem Brenner eindrucksvoll offen sprach – sicher auch ein wichtiger Teil der Verarbeitung. "Ich denke, das ist auf einem guten Weg und ich habe mir auch Hilfe gesucht dafür. Aber so etwas erledigt sich natürlich nicht vom einen auf den anderen Tag."
Marco Brenner auf der 19. Etappe des Giro d'Italia 2025 – kurz vor seinem schweren Unfall. | Foto: Cor Vos
Schließlich hatte Brenner an jenem 30. Mai mit dunkelsten Gedanken zu kämpfen. "Die Erfahrung war brutal – eigentlich viel krasser, als die Verletzungen selbst", ordnete Brenner ein. Der Tudor-Profi war bei hoher Geschwindigkeit von der Straße abgekommen und über die Leitplanke "ein paar Meter" in die Tiefe gestürzt. Er zog sich einen Innenbandriss am Knie zu, zerrte sich Kreuz- und Außenband, kugelte sich die Schulter aus und musste am Kinn genäht werden. Außerdem, und jetzt sollten Zartbesaitete einen Satz überspringen, schnitt sich Brenner an der Leitplanke die Wade so tief auf, dass sein Wadenmuskel durchtrennt und der Knochen sichtbar wurde.
"Es war zum einen ekelhaft, das zu sehen, zum anderen hatte ich, als ich dort unten lag, aber vor allem auch einfach sehr viel Angst – Angst, das Bewusstsein zu verlieren und dann nicht gefunden zu werden", schilderte Brenner und erinnerte damit indirekt an den Tod der Schweizer Juniorin Muriel Furrer bei der Rad-WM 2024 in Zürich.
"Mein Zeitgefühl war auch komisch. Man denkt ja, das geht alles so schnell. Aber da schießen einem in zwei, drei Sekunden sehr viele Dinge in den Kopf. Glücklicherweise war aber ein Teamkollege ein paar Positionen hinter mir und hat sofort ins Radio geschrien, dass ich dort runtergefallen bin und man nach mir schauen soll. Das hat mich etwas beruhigt."
Als Brenner später im Krankenwagen lag, hatte er mit seiner Karriere abgeschlossen. "Ich habe sofort gesagt, dass ich nie wieder aufs Rad steigen werde. Da war ich mir total sicher", erzählte er RSN. "Mit ein, zwei Wochen Abstand hat es sich aber wieder etwas in die andere Richtung entwickelt. Ich habe Dinge, die ich noch erreichen möchte und nicht das Gefühl, dass ich schon das Beste von mir zeigen konnte. Das will ich auf jeden Fall noch tun!"
Marco Brenner blickt wieder positiver voraus. | Foto: Cor Vos
Deshalb trainiert Brenner nun eben wieder in Spanien, anstatt in seinem neuen Haus in Salzburg, das er mit Lebensgefährtin Rijnbeek im Sommer bezogen hat, den österreichischen Winter zu genießen. Dort hat er im Sommer, soweit es sein Körper zuließ, viel geheimwerkelt und gleichzeitig in der Reha an seinem Comeback gearbeitet, das sogar noch im September gelang.
103 Tage nach seinem Sturz bestritt Brenner mit dem Giro della Toscana (1.1) am 10. September wieder ein Rennen. Zwar kam er dort nicht ins Ziel, doch schon eine Woche später fuhr er bei der Skoda Tour de Luxembourg (2.Pro) sogar wieder bei den Besten mit. Auf der Königsetappe wurde Brenner Fünfter und vor der Schlussetappe war er Siebter in der Gesamtwertung. Dann aber stieg er am Schlusstag vom Rad. "Es hat dort geregnet und war technisch. In erster Linie lag es daran, dass es für mich nicht so gut ging an dem Tag", erklärte Brenner RSN nun. "Physisch ging es bei den Rennen im Herbst echt recht gut, aber es war immer noch Angst dabei, wenn es schnell bergrunter ging. Da hatte ich noch zu schaffen mit."
Trotzdem sei der Wiedereinstieg aber insgesamt positiv gewesen. "Gerade auch, weil ich in Luxemburg gut gefahren bin. Das hat mir mit Blick auf die Vorbereitung für die neue Saison geholfen", meinte er und glaubt auch aus der mentalen Herausforderung für die Zukunft Stärke zu ziehen: "Es hatten schon viele große Rennfahrer einen schweren Sturz – und ich glaube sogar, dass einem das irgendwie hilft. Denn da zurückzukommen, ist eine Leistung auf einer anderen Ebene. Man hat ständig die Auseinandersetzung mit sich selbst und ich glaube, da kann man viel Positives rausholen und daran wachsen."
Marco Brenner im Einzelzeitfahren der Skoda Tour de Luxembourg im September. | Foto: Cor Vos
Sich nach Rückschlägen auf weniger lebensbedrohlicher Ebene wieder zurück zu kämpfen, ist Brenner bereits gewohnt – nach all seinen Rückenproblemen der letzten Jahre und auch einem bereits vor dem Giro-Crash schweren Jahr 2025. Denn auch wenn er im Februar Neunter der Tour of Oman (2.Pro) sowie am 1. März Zweiter beim Faun-Ardèche Classic (1.Pro) und im April Sechster beim Giro d'Abruzzo (2.1) geworden war, so bilanzierte der 23-Jährige:
"Es gab immer wieder gute Momente am Anfang der Saison, aber dann kam immer wieder ein Rückschlag. Die Saison hatte von Anfang an mehr Tiefen als Höhen." Im Januar war Brenner viel krank und bei der Mallorca Challenge stürzte er. Im Oman kam Brenner Mitte Februar ins Rollen und wurde bei Puncheur-Ankünften zweimal Etappenfünfter, bei der Bergankunft am Green Mountain Zehnter und in der Gesamtwertung Neunter.
Anfang März folgte das Ardèche-Drome-Wochenende in Frankreich und Brenner kam am Samstag in der Ardèche als Zweiter ins Ziel, nachdem im Schlusskilometer ein Teil der Spitzengruppe, in der er sich mit Teamkollege Marc Hirschi befand, in einem Kreisverkehr falsch abgebogen war. "Klar, da braucht man nicht drum herum reden, wie der zweite Platz entstanden ist", so Brenner. "Aber ich hatte trotzdem einen starken Tag, bin die letzten Kilometer von vorne gefahren für Marc – und von daher habe ich mich trotz des Vorfalls über den zweiten Platz gefreut, weil ich das Gefühl hatte, ich habe ihn mir verdient."
Marco Brenner im Ziel der Tour of Oman am Jabal Al Akhdar. | Foto: Cor Vos
Bitter aber: "Am nächsten Tag bin ich wieder gestürzt und hatte einen Knochenriss im Ellenbogen. Deshalb war ich erstmal raus und wir mussten den ganzen Plan hin zum Giro etwas anpassen – der ja mein Saisonhighlight sein sollte, weil ich im Meistertrikot dort fahren wollte." Auf dem Weg zur Italien-Rundfahrt wurde Brenner zwar im April Sechster in den Abruzzen, doch so richtig in Top-Form kam er trotzdem nicht mehr für die erste Grand Tour der Saison. Brenner startete zwar, es war aber früh klar, dass er in die Helferrolle für Michael Storer schlüpfen würde. "Dann bin ich in der letzten Woche krank geworden – und dann kam auch schon der Sturz."
Für 2026 will Brenner nicht unbedingt zum Giro zurückkehren. Dabei geht es aber weniger um die schlechten Erinnerungen an die Italien-Rundfahrt an sich, als vielmehr um seinen Weg zurück von selbigen.
"Wir machen unsere genauen Pläne erst im Dezember jetzt im Camp, aber ich habe dem Team schon gesagt, dass ich nicht unbedingt Giro oder Tour fahren will, um in der Rennplanung im Frühjahr etwas freier zu sein", so Brenner. "Ich will natürlich schon WorldTour-Rennen fahren, aber etwas flexibler sein und versuchen, wieder Vertrauen aufzubauen und auf Ergebnisse zu fahren. Was dann später im Jahr kommt, mal sehen, vielleicht die Vuelta? Aber erstmal will ich reinkommen und gucken, wie es geht – ohne gleich in das klassische Giro- oder Tour-Vorbereitungsprogramm einzusteigen. Denn da muss das und das und das ja immer laufen. Und das ist mir, glaube ich, noch etwas zu viel."
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