12. bis 15. Okt. 24 - vom Vesuv zum Ätna - 1180 km

Two Volcano Sprint: Rennen zwischen zwei Vulkanen

Von Manivelle

Foto zu dem Text "Two Volcano Sprint: Rennen zwischen zwei Vulkanen"
| Foto: Charlotte Gamus

09.12.2023  |  Der "Two Volcano Sprint" ist ein Ultra-Ausdauer-Radrennen im Selbstversorger-Modus, das die Starter/innen auf 1180 Kilo- und über 26.000 Höhenmetern zwischen den beiden berüchtigtsten Vulkanen Italiens fahren. Das Rennen startet immer Mitte Oktober um fünf Uhr morgens in der Stadt Nicolosi am Fuß des Ätna und endete in Ercolano am Vesuv. Die Fahrer/innen müssen die Strecke innerhalb von 110 Stunden bewältigen, um bei der Finisher-Party dabei zu sein.

Das von der Ultra-Ausdauer-Radfahrerin Juliana Buhring organisierte Rennen findet 2024 bereits zum fünften Mal statt, voraussichtlich vom 12. bis 15. Oktober. Im Jahr 2021 wurde zum ersten Mal von Süden nach Norden gefahren - eine neue Strecke mit etwas mehr Kilometern und viel mehr Höhenmetern; schwerster Berg ist der Monte Gelbison (1705 m) im Cilento, ca 100 km südöstlich von Neapel. Hier ein Rennbericht aus dem Jahr 2022, vom Starter Manivelle aus Nizza.

Vier Tage, sieben Stunden und sechs Minuten - das ist die Zeit, die ich gebraucht habe, um die fast 1200 km und Anstiege von über 26.000 hm zu bewältigen; mein letztes Bikepacking-Rennens für diese Saison. Wenn man darüber nachdenkt, ist das nicht lang, verglichen mit der unglücklicherweise frei gewordenen Zeit in diesem Jahr. All die abgesagten und verschobenen Rennen, all die Öffnungen und Schließungen von Grenzen - das ließ diese vier Tage irgendwie kurz erscheinen.

Dennoch war die Tour lang und natürlich auch intensiv. Ein fantastisches Rennen, zusammen mit internationalen, erfahrenen Fahrer/innen, das hielt, was es versprach: rauchende Vulkane, guten Kaffee und tolle Pizzas.

Von Anfang an: Neapel ist so lebhaft wie jede Schmelztiegel-Metropole, mit einer chaotischen Fahrt durch die Vororte, um dem Trubel zu entrinnen - auf unförmigen, regennassen Pflastersteinen und zwischen Müllhaufen, bis man schließlich im Städtchen Ercolano ankommt, dem "richtigen" Startpunkt am Fuß des Vesuvs.

"Pizza Briefing" am Fuß des Vesuvs
Ercolano ist ein ruhiger Ort mit guten Gastwirtschaften, wo die Registrierungs-Prozedur und ein interessantes "Pizza Briefing" das bevorstehende Abenteuer einleiteten. Ich lerne berühmte Gravel-Rennfahrer kennen - James, Sofiane, Ulrich, Fanny, Adrien, Omar, sie alle sind fähig, dieses Rennen zu gewinnen, sind in anderen Wettbewerben konstant in den Top Ten. Ich sehe viele weitere bekannte Gesichter, Fahrer/innen, mit denen ich bereits etliche Transkontinental-Rennen und andere Langstrecken-Abenteuer geteilt habe.

Beim Aufbruch ist es immer noch dunkel. Der Vesuv ist ein relativ einfacher Anstieg, aber schon im zweiten Anstieg zum Monte Faito fängt das Peloton an, sich ein bisschen auseinanderzuziehen - es werden keine halben Sachen gemacht. Es herrscht von Anfang ein hohes Tempo, und nur ein kurzer Stop, um die Trinkflasche aufzufüllen kostet schon bis zu sieben Plätze - die man jedoch wieder aufholt, wenn die anderen Fahrer/innen Pause machen.

Das „Jo-Jo“ der Platzierungen hält über 24 Stunden konstant an, und kommt erst am zweiten Tag zur Ruhe. Diejenigen, die bis weit in den zweiten Tag durchhalten, werden es fast alle bis ins Ziel schaffen. Für mich ist das ein Signal, auf welchem Niveau sich die Teilnehmer/innen befinden: "Wenn man in Gang ist, darf man sich nicht kratzen", so ein altes südfranzösisches Rennfahrer-Sprichwort.

Kalabrien: Wenig Pizzas, viele Hunde
In Kalabrien hatte ich raues Gelände erwartet, eine unregelmäßige, harte Herausforderung - belohnt aber mit schönen Straßen, einladenden Cafés und viele Pizzerien. Leider war es nicht ganz so...

Es schlängeln sich kleine Straßen scheinbar endlos durch die Hügel und Berge, gelegentlich kommen Dörfer - wie ich es mit vorgestellt hatte. Jedoch ist die Atmosphäre rau und ärmlich, streunende Hunde tauchen zwischen umgekippten Mülltonnen auf und jagen die Radfahrer/innen. Auch hier hat Santa Corona ihre  Spuren hinterlassen, und nur wenige Gastwirtschaften haben geöffnet, meist ohne Pizzas.

Es Mitte Oktober, trotzdem herrschen milde Temperaturen, die Sonne scheint. Allerdings herrscht hohe Luftfeuchtigkeit, und der Wechsel zwischen heiß und kalt, je nachdem ob man klettert oder abfährt, macht einem zu schaffen.Zudem sind die schier endlosen Anstiege leicht demoralisierend, der latente Feind mit Namen „Zweifel“ tritt auf. Das Gegenmittel: einfach weiter fahren und alles Positive auf dem Weg genießen.

Und was man erklimmt, kann man wieder herunterfahren. Die Hunde? – einfach schneller zu fahren. Die Feuchtigkeit? – öfter mal Klamotten wechseln- Nicht zu vergessen: die köstlichen Panini... einen sofort essen, der zweite in die Tasche, für später. Was den Kaffee angeht: Wenn die Cafés geschlossen sind, bieten nicht selten Einheimischen gerne feinen Kaffee an.

Messina: Das Meer in Sicht
Dann am Ende des dritten Tages die letzte Teilstrecke auf dem italienischen Festland: Auf rund 1000 Metern kommt das Meer wieder in Sicht. Mit atemberaubender Geschwindigkeit geht es Vollgas herunter in die Meerenge von Messina, zur Fähre, um nach Sizilien zu gelangen.

Zwei Arancinis, leckere Reisbällchen mit Hackfleisch-Füllung, und drei Sodas – für mehr ist auf der Fähre keine Zeit. Ich muss die erste Strecke auf der Insel sofort nach der Ankunft in Angriff nehmen, weil ich die andere Seite der Insel erreichen will, bevor es dunkel wird. Dann geht's ein paar Kilometer am Meer entlang, in den Abend hinein.

Der nächste, der letzte Tag - alles ist da: Das Morgenlicht, belebte Dörfer, Anfeuerungen im Aufstieg zum Vulkan, der seit ein paar Tagen grollt und Rauch ausstößt. Der Ätna ist orange gefärbt von den Sonnenstrahlen und dann rau, schwarz wie sein Gipfel. Er ist genauso, wie ich es mir erträumt hatte: ein sanfter Schurke.

Harter Aufstieg zum Ätna
Die Südseite ist hart; der Giro ist hier nicht gefahren, die Veranstalter wählten die andere Seite. Der Untergrund ist hier und da aufgerissen und rau, das zehrt an den Kräften. Dann wird der Anstieg sanfter - als ob der Berg es einem danken würde, dass man ihn besucht. In der Abfahrt hat man die scharfkantigen Felsen zur Linken und die See zur Rechten - man fährt volles Tempo.

Mich empfangen an der Ziellinie: Jubel, Bier, Witze und Freunde. Am Ende erreichte ich Platz 26. Alles hatte seinen Rhythmus - und ich habe das Gefühl, dass ich jetzt schon nicht bis zur nächsten Saison warten kann...

Der Autor Manivelle ist Mitarbeiter der Radbekleidungs-Schneider Café du Cycliste aus Nizza. Besten Dank an CdC für die Übernahme des Artikels aus ihrem Web-Magazin "La Gazette" (siehe 2. Link); Übersetzung: DeepL/ W. Preß.

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