Triathlon um die Welt - das Interview - neue Bilder

Jonas Deichmann: “Am Ende ist alles Kopfsache“

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| Foto: Markus Weinberg

03.12.2021  |  Der Extrem-Sportler Jonas Deichmann hat am Sonntag nachmittag seine Weltumrundung per Triathlon nach 429 Tagen und vier Stunden auf dem Odeonsplatz in München beendet (rsn berichtete). Der 34 Jahre alte gebürtige Stuttgarter war am 26. September 2020 um 12 Uhr dort gestartet, und er hat in den vergangenen 14 Monaten die 120-fache Ironman-Distanz zurückgelegt: 21.600 Kilometer auf dem Rad, 5060 Kilometer Laufen und 460 Kilometer Schwimmen. radsport-news.com-Redakteur Wolfgang Preß hat sich mit Jonas Deichmann gestern in einem kleinen Büro-Café in München-Sendling zum Gespräch getroffen.

Jonas, erstmal Glückwunsch zum Umrunden der Erde! Wie waren deine Gefühle, als Du am Sonntag nachmittag wieder da angekommen bist, wo Du vor 429 Tagen gestartet warst?
Es war unglaublich! Ich hatte es mir in den vergangenen 14 Monaten so oft vorgestellt, wie ich auf den Odeonsplatz rolle, es immer wieder visualisiert, um mich in allen möglichen schwierigen Situationen zu motivieren – und dann war es soweit! Meine Familie war da, viele Freundinnen und Freunde, die ich alle so lange nicht mehr gesehen hatte... Schwer zu beschreiben, ein sehr emotionaler Moment, aber ganz, ganz toll.

Du hast unterwegs sicher unzählige Eindrücke gesammelt. Was ist dir besonders in Erinnerung geblieben?
Die letzten 4000 Kilometer mit dem Renner von Lissabon nach München, das war für mich als Rennrad-Spezialist fast schon wie ausrollen, vor allem nach den 120 Lauf-Marathons durch Mexiko. Aber der Mont Ventoux, mit dem ersten Schnee am Gipfel, das ist für jeden Radler natürlich immer was besonderes. Und auch der Besuch bei meinem Vater in der Schweiz, nach so langer Zeit. Die hatte da ein Riesen-Fest für mich organisiert, mit Blaskapelle und allem drum und dran. 

Fangen wir doch von vorne an: Du bist 460 Kilometer entlang der Adria-Küste geschwommen, hast am 22. November nach 54 Tagen im Meer Dubrovnik erreicht. Besondere Vorkommnisse?
Am Tag fünf stand eine Querung zur Insel Pak an. Es wurde schon langsam dunkel, und ich war noch ein ganzes Stück vom Land entfernt. Da beginnt dann schon das Kopf-Kino: Was ist in dieser totalen Schwärze unter dir? Findest Du noch einen Strand zum Übernachten, bevor es komplett finster ist? Gibt's hier nicht vielleicht doch Haie? Dann noch der Wellengang, ich kam nur langsam voran. Das war schon ein komisches Gefühl...
Auf dem Rad habe ich immer gewußt, es geht weiter, ich schaffe das – so war bisher einfach meine Erfahrung. Aber im Meer ist das komplett anders. Da merkt man schnell, wie klein man ist im Vergleich zur Natur, und dass man vielleicht doch nicht immer alles schafft.

Du bist ja noch nie zuvor eine längere Strecke geschwommen. Wie schafft man dann 460 Kilometer?
Tatsächlich war schwimmen für mich völlig neu. Ich bin immer auch gelaufen, vor allem Trail Running, aber Wasser war bis letzten Herbst nicht wirklich mein Element. Letztlich ist dann aber doch alles Kopfsache, wenn man einigermaßen vorbereitet ist. Das ist auch der Tenor und Titel meines Buchs über meinen Welt-Triathlon: Das Limit bin nur ich.

Du hast seit 2017 drei große Kontinental-Durchquerungen absolviert: 2017 "Eurasien" von Portugal nach Wladiwostok in 64 Tagen, 2018 die legendäre "Panamericana" von Alaska nach Feuerland in 97 Tagen und 2019 "Cape2Cape", vom Nordkap nach Kapstadt in 72 Tagen – alles per Rennrad, und alles in Rekordzeit. Seit 2017 hast Du keine eigene Wohnung mehr, warst fast permanent unterwegs. Bist Du mittlerweile Weltbürger – oder fühlst Du dich noch irgendwo in der Heimat?
Ich komme ja ursprünglich aus Stuttgart. Und ich kann mich noch sehr genau an einen Moment erinnern, als ich wieder in Deutschland angekommen war, und durch das Allgäu kurbelte. Ich kam durch ein Dorf, das weihnachtlich beleuchtet war, es wurde langsam dunkel, und die Kirchenglocken begannen zu läuten – das gibt es so ja nur in Süddeutschland. Da hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, das kenne ich, ich bin wieder in der Heimat. Auch wenn ich mich sonst durchaus in meinem Zelt zuhause fühle, wenn ich unterwegs bin.

Wie bist Du darauf gekommen, die Erde per Triathlon zu umrunden?
Die Idee hatte ich bei 'Cape2Cape' in der Sahara. Ich erinnere mich genau: Ich hatte eine Lebensmittelvergiftung, mir ging's echt schlecht, aber ich wußte als Optimist, mir geht’s bald wieder besser. Da dachte ich mir, ist ja eigentlich schon ganz cool alles – aber was mache ich als nächstes? Die Panamericana und Cape to Cape sind so ziemlich das schwerste, was man mit dem Rad machen kann. Ich wollte schon immer einmal um die Welt, aber mit einer neuen Herausforderung. So kam ich auf eine für mich neue Disziplin: Triathlon. Das hatte zudem noch keiner gemacht, die Erde per Triathlon umrunden, wie ich später herausgefunden habe.

Nochmal zurück zum Odeonsplatz: Was hast Du am Sonntag als erstes gemacht, nach der Ankunft?
Wir sind nach den ersten Interviews zum Globetrotter Store am Isartor, einer meiner Sponsoren, und dort wartete schon ein Friseur, um mich zu scheren (lacht). Bart ab, Haare ab – das ist für mich immer auch ein symbolischer Akt, dass es nun vorbei ist. Mein Motto war ja bisher auf allen meinen Expeditionen: Große Abenteuer erfordern einen großen Bart. Daher ist am Ende immer das erste, dass der Bart runter muss. Danach dann Kässpätzle essen; für mich als Schwabe obligatorisch.

In den nächsten Wochen geht es von Termin zu Termin – Interviews, Talkshows, PR-Veranstaltungen... Wo wirst Du an Weihnachten sein?
Tatsächlich bin ich bis 19. Dezember permanent von morgens bis abends ausgebucht, nach der sportlichen Herausforderung nun die nächste... Unter anderem wird am Montag (6. 12.; d.Red.) in München der 15-minütige Kurzfilm meiner Tria-Tour auf dem European Outdoor Festival präsentiert, da bin ich natürlich auch dabei. Am 20. fahre ich dann für zehn Tage zu meinem Vater in die Schweiz. Da habe ich mir fünf Tage Telefon-Verbot auferlegt, damit ich wenigstens über Weihnachten mal richtig entspannen kann.

Wo warst Du eigentlich an Weihnachten im vergangenen Jahr?
Daran kann ich mich noch gut erinnern, ich war in der Türkei, und da wird Weihnachten ja nicht gefeiert. Ich habe in der Nähe von Izmir in Süd-Anatolien in einem Olivenhain sehr schön gezeltet, und am Heiligen Abend bin ich in die Stadt, und dort ganz weihnachtlich einen Döner essen gegangen. Am ersten Feiertag hatte mein Vater ein Zoom-Meeting mit der ganzen Familie organisiert, ich war im Zelt zugeschaltet, die Kinder haben gesungen, es war sehr schön.

Erinnerst Du dich noch an andere Weihnachten 'on the road'?
2018 war ich in Argentinien bei einer Familie eingeladen, so richtig mit Asado, also grillen und danach den traditionellen Obstsalat – lecker. Um Mitternacht ging's dann in die Mette, ist ja ein sehr katholisches Land.

Weißt Du schon, wo Du Weihnachten 2022 sein wirst? Oder besser gefragt: Was wird dein nächstes Projekt? Es bleiben ja nur noch zwei Kontinente, wo Du noch nicht warst: Australien und die Pole. Kommt jetzt 'Mit dem Fatbike durch die Arktis'?
Interessante Idee (lacht). Aber das wird noch nicht verraten, das werde ich erst im kommenden Frühjahr bekannt geben. 2022 werde ich viele Motivations-Vorträge in Unternehmen am Programm haben, für mich eine wichtige Einnahmequelle. Nächstes Jahr bin ich an Weihnachten wohl wieder in der Schweiz. Mein kommendes Abenteuer wird erst 2023 beginnen...

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