Erfahrungen eines Jedermann-Rennradlers

Ist die “Super Tuck“-Aero-Position gefährlich?

Von Wolfgang Preß

Foto zu dem Text "Ist die “Super Tuck“-Aero-Position gefährlich?"
Die heftig diskutierte Super-Tuck-Position - hier Tadej Pogacar vom Team Bahrain-Merida bei der Tour 2019 | Foto: Cor Vos

07.02.2021  |  Kein Scherz - ab 1. April verbietet der Radsportweltverband UCI  bei allen seinen Rennen die sogenannte Super-Tuck-Abfahrts-Position. "Das UCI-Verwaltungs-Komitee hat beschlossen, die Vorschriften für potenziell gefährliches Verhalten von Fahrern zu verschärfen, einschließlich des (...) des Einnehmens gefährlicher Positionen auf dem Fahrrad, insbesondere auf dem Oberrohr sitzen“, so die UCI-Meldung vom 4. Februar.

Die Diskussion um diese Entscheidung ließ nicht lange auf sich warten:
Mehrere Profis, darunter Christopher Froome, Egan Bernal, Michal Kwiatkowski und SimonGeschke, aber auch UCI-Offizielle, haben sich bereits dazu geäußert.

Nun hat "Super Tuck" vor allem nach Froomes Abfahrt vom Peyresourde bei der Tour 2016 nicht nur bei den Profis, sondern auch in der Jedermann-Szene Nachahmer gefunden. Und da stellt sich die Situation durchaus anders dar als bei den Profis, die 30.000 Kilometer und mehr im Jahr auf dem Rad sitzen.

Das bisher am häufigsten von den Profis
vorgebrachte Argument, dass es bei UCI-Rennen dringendere Sicherheits-Probleme gebe als die Abfahrts-Position, ist nachvollziehbar - zudem bisher kein Unfall bekannt geworden ist, der durch eine "Super Tuck"-Abfahrt verursacht wurde. Allerdings: Man muss ja nicht immer warten, bis was passiert...

Denn dass diese Position, vor allem bei den dann gefahrenen Geschwindigkeiten von 70 bis zu 100 km/h, doch eher unsicher ist, das konnte ich selbst erfahren: Man klemmt zwischen Lenker und Sattel, die Arme sind angelegt,der Schwerpunkt ist weit vorne - ein recht seltsames Fahrgefühl.

Lenken wird so deutlich diffiziler
als in einer "normalen" Abfahrts-Position, nicht zuletzt, weil die Knie in den Bereich des Vorderrads kommen, und so den Lenk-Radius stark einschränken - bzw. die Gefahr besteht, dass man das Laufrad berührt, wenn man stärker einlenken muss.

Am meisten verunsichert haben mich in dieser Position aber zwei Dinge: Will man wieder auf den Sattel, ist erstmal die Sattel-Nase im Weg. Man muss sich also zunächst nach vorne bewegen, um daran vorbei zu kommen. Das kann schon mal schiefgehen, wenn man auf die Schnelle reagieren muss - bzw. es dauert unter Umständen die entscheidenen Sekunden zu lang.

Und besonders verunsichernd fand ich
den deutlich weiter vorn liegenden Schwerpunkt. Muss ich in der rasenden Abfahrt dann in die Eisen, weil ein Schlagloch auf der Strecke auftaucht, sich eine Kurve stärker zusammenzieht als gedacht, oder eine sonstige Situation droht, die schnelles Reagieren und starkes Bremsen erfordert - dann braucht es schon viel Sensibilität und Erfahrung, um nicht gleich über den Lenker abzufliegen.

Damit sind wir wieder bei den Jedermann-Rennen: Erfahrung ist etwas, das nicht jede/r Teilnehmer/in an diesen Freizeit-Veranstaltungen in ausreichendem Maß hat. Sich dann mit nur einigen Dutzend Kilometern in den Beinen im Frühjahr in dieser Position im Pulk eines Rennens zu bewegen - das ist sicher deutlich gefährlicher als wenn das ein Profi tut.

Leider halten sich aber in immer mehr
Jedermann-Rennen immer mehr Radler ("tuckende" Radlerinnen habe ich tatsächlich bisher nicht gesehen) für Profis und glauben den anderen Teilnehmer/innen zeigen zu müssen, was für coole Hechte sie sind - am liebsten mitten im Peloton. Das habe ich in den vergangenen Jahren durchaus beobachtet: Waren es vor, sagen wir fünf Jahren, nur Einzelfälle, so sieht man "Super Tucker" vor allem in den großen Rennen mittlerweile immer mehr.

Und damit komme ich zu dem Punkt, warum mir die Entscheidung der UCI gefällt, diese Position zu verbieten: Die Vorbildrolle der Profis. Es ist nicht zu bestreiten, dass Freizeitfahrer/innen gern den Profis folgen - die Verbreitung der Scheibenbremse ist ein gutes Beispiel dafür.

Wenn also die Pros bald nicht mehr in dieser
- für sie sicher weniger gefährlichen - Position die Berge hinabrauschen (was meines Erachtens für sie kein großer Verlust ist; so häufig sieht man "Super Tucker" im Peloton auch nicht), dann wird diese Unsitte sicher auch bald wieder in den Jedermann-Rennen verschwinden. Vielleicht wird sie sogar der eine oder andere Veranstalter aus Sicherheitsgründen verbieten.

In der Jedermann-Szene hat diese Position meines Erachtens überhaupt nichts zu suchen, und es wird noch viel weniger ein Verlust sein als bei den Profis, sie nicht mehr nutzen zu können. Und wenn die Pros mit ihrem Beispiel dazu beitragen, Freizeitrennen sicherer zu machen - ich denke, das können auch "Super Tucker" wie Froome, Bernal oder Kwiatkowski nachvollziehen...

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