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29.05.2017 | Seit nunmehr 47 Jahren verwandelt sich am vorletzten Wochenende im Mai der Küstenort Cesenatico in der Emiglia Romana zum europäischen Zentrum des Radsports. Jahr für Jahr treffen sich 12 000 radverrückte Tifosi, um am "Novecolli", dem renommiertesten Granfondo Italiens teilzunehmen, genannt "Regina delle Granfondo" (Königin der Granfondo).
Um hier am Start zu stehen, muss man bereits ein halbes Jahr
vorher ordentlich aufs Gas drücken: Anders als etwa beim Ötztaler, bei dem das Losglück über die Teilnahme entscheidet, erfolgt die Startplatzvergabe beim Novecolli nach dem Motto „wer zuerst kommt, mahlt zuerst“.
Das Rennen vor dem Rennen startete also an einem Dienstag im November, pünktlich um 13 Uhr. Binnen drei Minuten und 30 Sekunden waren die verfügbaren Startplätze vergeben - und ich, oder besser gesagt wir, waren dabei.
Für mich sollte es die bereits neunte Teilnahme
bei diesem Klassiker sein. Wie in den letzten Jahren begleitete mich mein Vereinskollege und Freund Andreas; neu dabeui war heuer Robert. Wir planten ein verlängertes Wochenende und eine gemeinsame Anreise, um die Kosten gering zu halten. Ein weiterer Team-Kollege, Berti nutze die Fahrt nach Cesenatico zu einem verlängerten Familien-Wochenende.
Als wir unser Hotel bezogen hatten, ging es gleich auf eine erste Trainingsrunde, um die Beine, starr von der Autofahrt, zu lockern. Unserem Neuling Robert wollten wir schon einmal ein paar Kilometer der Rennstrecke zeigen. Es bot sich eine Fahrt über die 18 Kehren nach Sogliano an, wo am Sonntag die Streckenteilung erfolgt. Auf dem Rückweg erprobten wir die letzten 25 km des Rennens.
Am Tag vor dem Start war es dann höchste Zeit,
die Startunterlagen abzuholen. Neben Transponder und Startnummer war allerlei Kleinkram und das in gewohnt guter Qualität gehaltene Trikot des Sponsors Sportful im Starterbeutel.
Nachdem die Startnummer am Rad angebracht, die Kette geschmiert und der Luftdruck nochmals überprüft waren, verschwanden wir samt Rädern im Hotelzimmer – gute Nacht...
Die war kurz: Startzeit 6 Uhr heißt 4:15 Uhr wecken. Trotz eines im Vorfeld absolvierten Trainingslagers, und reichlich heimischen Kilometern rollte ich mit ein paar Fragezeichen bezüglich meiner Form an den Start - hatte ich mir im vergangen September bei einem Sturz eine Beckenring-Fraktur zugezogen. Das hatte eine achtwöchige Trainingspause zur Folge, eine neue Erfahrung für mich.
Durch unsere Platzierungen in den letzten Jahren
auf der 210-km-Runde qualifizierten sich Andi und ich für die zweite Startgruppe. Bei den letzten Ausgaben schrammten wir jeweils knapp an der Quali-Zeit für Gruppe eins vorbei.
Unser Ziel für die 2017er Ausgabe war eine erneute Bestätigung der bisher erreichten guten Resultate - und vielleicht, wenn alles gut läuft, der Sprung unter die Qualifikationszeit für die erste Gruppe. Bertis Rad war mit einer roten Nummer dieser Gruppe dekoriert, während Robert als Neuling in einem der hinteren Startblöcke Position beziehen musste.
Als ich etwa eine halbe Stunde vor Rennstart
in meinen Startblock rollte, stellte ich mir wie jedes Jahr die gleiche Frage: „Gehen alle Italiener, wenn sie einen Nove-Colli-Startplatz haben, gleich in den nächsten Bikeshop, und decken sich mit dem neusten Material ein?“
Wohin das Auge blickt, Räder aus dem Top-Segment, mit entsprechenden Laufrädern und Schaltgruppen. So manches Bike hatte den Wert eines italienischen Kleinwagens. Bella Figura ist eben das halbe Leben in Italien – ein klein wenig neidisch kann man da schon werden... Aber auf Bella Figura komme ich später noch einmal zu sprechen.
Die Aufregung am Start ist wie jedes Jahr immens:
Bei keinem anderen Rennen, das ich kenne (und das sind schon ein paar...) wird der Start derart zelebriert. Der Pfarrer, deer Bürgermeister, der Präsident des
Radsportverbands und viele mehr wünschen den Teilnehmern eine gute und unfallfreie Fahrt. Natürlich wird die italienische Nationalhymne gespielt, und grün-weiß-rotes Konfetti verschossen.
Dieses Jahr war allerding etwas der Wurm drin. Mit meinem etwas begrenzten Italienisch konnte ich die Ankündigung „dieci minuti a partenza“, Start in zehn Minuten, verstehen. Ein Blick auf die Uhr verriet jedoch, dass es erst 5:42 Uhr war. Offensichtlich gingen dieses Jahr die italienischen Uhren, oder zumindest die des Offiziellen, der den Start frei gab, etwas vor.
Durch den Frühstart wurde so mancher überrascht,
der noch letzte Verrichtungen zu erledigen hatte.
Der Startschuß krachte, und los geht es, auch für uns in Gruppe 2.
Die Straße war erst mal nass, da es in der Nacht noch einige Regengüsse gegeben hatte. Einen nassen Novecolli hatte ich erst vor zwei Jahren, auf eine Wiederauflage mochte ich gerne verzichten.
Doch der Wetterbericht machte Hoffnung, Regen war keiner mehr vorhergesagt. Es sollte also nur eine Frage der Zeit sein, bis die Straßen trocken waren. Mit Überqueren der Startlinie geht bei den meisten Teilnehmern das Visier nach unten: Es wird gefahren, als gäbe es kein Morgen mehr. Für mich steht an oberster Stelle, erst einmal unfallfrei bis zum ersten Berg kommen. Natürlich darf es zügig sein, das Risiko sollte jedoch einigermaßen beherrschbar sein.
Als der Tempo-Härtere von uns beiden ist es meine Aufgabe,
Andi durch das Feld zu führen, und immer ein geeignetes Hinterrad zu suchen, das uns mit möglichst wenig Energieaufwand voran bringt - sofern das bei Geschwindigkeiten bis Tempo 50 auf der Geraden möglich ist.
Aber selbst der beste Plan bringt nichts, wenn er aufgrund von äußeren Umständen nicht eingehalten werden kann. Kurz und knapp, Andi ging irgendwann verloren, und ich legte die nächsten Kilometer in meinem Tempo zurück. Meine Sorge vor dem Start schien unbegründet: Von Formschwäche war zu diesem Zeitpunkt nichts zu spüren.
Jedoch zeigte sich schon in der ersten Abfahrt:
Mein Sturz im vergangenen Herbst hatte, was nasse Straßenverhältnisse angeht, Spuren hinterlassen. Mit meiner Abfahrtsleistung konnte ich, in Fratta Terme angekommen, nicht zufrieden sein.
Auf dem Weg zum zweiten Collo konnte Andi überraschenderweise wieder aufschließen, seine Gruppe machte auf dem welligen Terrain offensichtlich deutlich mehr Tempo.
Hügel zwei und drei vergingen in den Auffahrten jeweils ratz-fatz, es lief. Bergab bei immer noch feuchten Straßen waren die beiden Colli keine Freude, erst mit zunehmendem Abtrocknen des Belags ab dem unteren Teil des Ciola lief es auch bei mir bergab wieder rund.
In Mercato Saraceno beginnt dann der Höhepunkt:
Barbotto, der Mythos - 4,5 km lang, in der Spitze bis zu 18 Prozent steil. Das Steilstück findet sich zudem auf dem letzten Kilometer des Anstiegs. Weit vorher hört man schon die Anfeuerung und Musik aus den Lautsprechern den Berg herunterdröhnen, um die Fahrer oben im Steilstück anzupeitschten. Hier gibt es auch eines von zwei Bergzeitfahren, deren Zeit neben der offiziellen Gesamtzeit ausgewiesen wird.
Nach weiteren welligen zehn Kilometern erfolgt die Streckenteilung – keine Frage, für mich geht es nach rechts weg, auf die lange Strecke, und damit über weitere fünf Hügel. Monte Tiffi, Perticara und Majolo liefen wie geschmiert, sowohl rauf wie auch runter.
Mit gleichmäßigem Druck auf dem Pedal in den Steigungen
wurde ich nur noch selten überholt, zog des Öfteren Gruppen hinter mir her. Damit verblieben nun nur noch zwei Anstiege: der Achte, ein „Erholungsberg“, nicht besonders lang, nicht besonders steil, und der Neunte und letzte: Gorolo – in der Spitze mit bis zu 17 Prozent, und in der Vergangenheit mein „Hassberg“.
Wegen der zu verrichtenden harten Arbeit in der etwa zehn Kilometer langen Flach-Passage zwischen Berg acht und neun ereilten mich dort bereits mehrmals Krämpfe, schon nach den ersten Metern des Anstiegs. Diesmal sollte jedoch alles anders sein. Problemlos, gleichmäßig und mit adäquater Steiggeschwindigkeit ging es hinauf.
Oben wurden wir noch von einem Münchner eingeholt.
Ein paar Worte, wir waren uns einig –
Gruppenbildung war angesagt. So führten wir beide einen ganzen Rattenschwanz an Radlern über die Wellen hinunter nach Savignano, um ab dort auf den letzten 15 Kilometern auch unsere italienischen Freunde mitarbeiten zu lassen.
Aber dieses Unterfangen gestaltete sich wie in jedem Jahr schwierig: Hat eine Gruppe erst einmal eine gewisse Größe erreicht, fühlt sich kaum noch jemand in der Verantwortung. So arbeiteten außer uns drei Deutschen noch drei vier Italiener mit, die anderen zogen es vor, den "sterbenden Schwan" zu mimen.
Womit wir wieder bei der „Bella Figura“ vom Start wären,
denn kaum auf der Zielgeraden, waren die meisten aus unserer Gruppe wieder im Stande, einen schönen Zielsprint hinzulegen...
Im Ziel herrschte ausgelassene Stimmung, alle freuen sich, sind stolz auf die ihre Leistung. Jeder Teilnehmer wird mit einer Medaille dekoriert, bevor es ab zur riesigen Nudel-Party geht.
Auf diese haben wir heuer verzichtet, da die Schlange am Eingang gefühlte 500 Meter lang war. Da wurde das eigene Ergebnis lieber in einer Strandbar, aber natürlich bei Nudeln noch einmal „zerlegt“.
Und wie war nun meine neunte Teilnahme?
Ich bin zufrieden: persönliche Bestzeit, nächstes Jahr in der ersten Startgruppe - aber nur wenn ich auch das Rennen um die Anmeldung im November erfolgreich abschließen kann. Haltet mir die Daumen...
Euer Oliver
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