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02.08.2015 | (rsn) - Schon am Ende des 124 Kilometer langen Sparkassen Giro in Bochum war Barbara Guarischi (Velocio-SRAM) die Schnellste, doch nach dem Rennen musste die Italienerin trotzdem nochmal einen Zahn zulegen. „Wenn ich meinen Flug noch bekomme, kann ich heute Abend mit ein paar Freunden etwas feiern", hoffte Guarischi, als sie nach der obligatorischen Dopingkontrolle im Mercure-Hotel am Bochumer Südring mit radsport-news.com über ihren Sieg sprach.
Die 25-Jährige hatte gerade in einem Wimpernschlagfinale vor der Niederländerin Lucinda Brand (Rabobank-Liv) und der Norwegerin Emilie Moberg (Hitec Products) den größten Erfolg ihrer noch jungen Karriere eingefahren und den siebten Lauf der Weltcup-Saison gewonnen - nur rund 20 Stunden nach einem Sieg beim lukrativen Londoner Innenstadtkriterium Prudential RideLondon Grand Prix. „Das heute war wirklich großartig. Gestern lief ja alles perfekt, aber heute war ich müde. Ich bin erst um 2 Uhr nachts im Bett gewesen", erzählte sie.
Nach dem Rennen in London wurden sie und alle anderen „Doppelstarterinnen" des Wochenendes auf Kosten der englischen Veranstalter mit einer Chartermaschine nach Deutschland geflogen - ein Entgegenkommen, um die Frauen trotz des anstehenden Weltcuprennens auf die Insel locken zu können. Trotzdem ging das Programm nicht spurlos an den Fahrerinnen vorbei, vor allem nicht an Guarischi, die schließlich schon in London die Sieger-Pflichten zu erfüllen hatte. „Heute habe ich mich, ehrlich gesagt, wirklich schlecht gefühlt", gab sie nun in Bochum zu. „Aber das Team war immer an meiner Seite."
Wie schon am Vortag bereiteten Guarischis Teamkolleginnen der Italienerin den Sprint vor, den sie aber - ebenfalls wie am Vortag - letztendlich am Hinterrad einer Kontrahentin eröffnete. „Wir haben vorher gesagt, man muss an erster oder zweiter Stelle durch die letzte Kurve kommen", erklärte Sportdirektor Ronny Lauke radsport-news.com. Und das gelang. „Tiffany war die Letzte aus meinem Zug vor mir. Als ich Lucinda Brand und Jolien D'Hoore vor der Kurve links an mir vorbeifahren sah, sagte ich zu ihr: Fahr nach links. Dann habe ich die Kurve gut erwischt und war sofort am Hinterrad von Brand."
Die Niederländische Meisterin hatte sich offenbar von ihrer verletzungsbedingt fehlenden Teamkollegin Marianne Vos Tipps geholt, denn Brand ging das Finale genauso an wie Vos im Vorjahr, als die im Regenbogentrikot gewann: Beide nahmen die letzte Kurve, eine enger werdende 90-Grad-Rechts, als Erste mit hoher Geschwindigkeit und spurteten von dort sofort los. Dass Brand das kann, hatte sie schon mit ihrem Sieg auf der Etappe 2b der Energiewacht Tour bewiesen, den sie auf dieselbe Weise erkämpfte. Doch Guarischi saß ihr diesmal im Nacken. „Es war sehr hart, an ihr vorbeizukommen und ich weiß nicht, wie ich es gemacht habe - aber ich habe es geschafft", freute sich die Italienerin.
Im letzten Moment schob sie ihr Vorderrad noch nach vorne und wenige Millimeter vor der Niederländerin über den Zielstrich. Das Publikum, die Fotografen und auch der Streckensprecher konnten nicht auf Anhieb erkennen, wer gewonnen hatte, doch Guarischi begann sofort zu jubeln. „Ich konnte nichts sehen, aber ich habe es gespürt", lächelte sie später, bevor sie sich auf den langen Weg zum Frankfurter Flughafen machte, den sie nicht mehr rechtzeitig erreicht haben dürfte, um noch am Abend in Italien zu feiern. Halb so schlimm: „Morgen geht es ins Höhentraining. Jetzt ist Zeit, hart zu arbeiten. Feiern können wir im Oktober", zeigte Guarischi, dass ihr die jüngsten Erfolge - im Juli gewann sie bereits die 1. Etappe des Giro Rosa - nach einem wenig glücklichen Frühjahr, als es in der Sprint-Abstimmung noch nicht passte, offenbar Appetit gemacht haben.
Für die besten Auftritte von deutschen Fahrerinnen sorgten in Bochum die für die Nationalmannschaft angetretenen Hanka Kupfernagel und Corinna Lechner (beide sonst Maxx-Solar). Während Kupfernagel das Rennen als Solistin mit ein paar Metern Vorsprung auf die letzte der acht 15,5 Kilometer langen Runden führte, gewann Lechner zwei der drei Zwischensprints und sicherte sich so die Sprintwertung des Sparkassen Giro. „Wir hatten uns vorgenommen, an den Zwischensprints oder den Bergwertungen etwas zu versuchen", erklärte Lechner radsport-news.com die von Bundestrainer André Korff ausgegebene Marschroute, der sie hervorragend gefolgt war.
Das Rennen auf dem nur in der Innenstadt richtig flachen, auf dem restlichen Verlauf der Runde aber ständig leicht ansteigenden oder abfallenden Kurs mit einer kurzen, etwas steileren Steigung an der Henkenbergstraße, war schnell und hart. Ausreißerinnen versuchten es immer wieder, hatten aber keine Chance. Lediglich ein Trio um Katarzyna Niewiadoma (Rabobank-Liv), Valentina Scandolara (Orica-AIS) und Lisa Brennauer (Velocio-SRAM) konnte sich auf der dritten Runde kurzzeitig einmal einen Vorsprung von mehr als 20 Sekunden erarbeiten, wurde aber auch schnell wieder zurückgeholt. Der für Bochum typische Massensprint stand nie ernsthaft in Frage.
Begonnen hatte der Tag mit einer rund 15-sekündigen„Schweigeminute" in Gedenken an die am Samstag auf dem Weg nach Bochum verstorbene Italienerin Chiara Pierobon, die mit dem Team Top Girls Fassa Bortolo den Sparkassen Giro bestreiten wollte. Die 22-Jährige war in einem Krankenhaus in Ingolstadt nach Teamangaben an einer Lungenembolie gestorben.
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