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08.07.2013 | (rsn) - John Degenkolb bestreitet seine erste Tour de France als „Nummer-2-Sprinter“ im Team Argos-Shimano. Am ersten Ruhetag hat er sich mit Radsport News über die vergangene Woche unterhalten und dabei verraten, wo er sich noch Chancen auf einen Etappensieg ausrechnet. Außerdem spricht er über das Standing seines Teams im Peloton und zeigt sich beeindruckt von Marcel Kittel.
Herr Degenkolb, die erste Woche Ihrer ersten Tour de France ist vorbei. Wie ist es denn hier in Frankreich so - im Vergleich zu Giro und Vuelta?
John Degenkolb: Es kursieren ja immer viele Geschichten und ich habe im Vorhinein gedacht: Die erzählen alle Märchen und das ist alles etwas übertrieben. Aber schon nach der 2. oder 3. Etappe auf Korsika habe ich realisiert, dass die Geschichten wirklich alle wahr sind. Es ist wirklich starker Tobak hier!
Trotzdem hätte es in Albi beinahe gleich zum Debütanten-Sieg gereicht. Sie haben sich ziemlich geärgert über den zweiten Platz….
Degenkolb: Ich bin eben ein emotionaler Typ, und wenn man dann so nah dran war, dann ist man doch erstmal tierisch enttäuscht. Mit etwas Abstand zum Rennen hat sich das schon gelegt. Am Ende ist es eben doch ein zweiter Platz bei einer Tour-Etappe und es ist meine erste Tour. Wenn man sieht, wie oft man sie fahren kann - Jens Voigt ist ja zum 16. Mal dabei - dann bin ich eher optimistisch und freue mich auf die nächsten Etappen.
Gibt es in der sogenannten „Sprinter-Woche“, die morgen beginnt, vielleicht noch eine zweite Chance für Sie?
Degenkolb: Ja, ich denke schon.
Und Wo? In Lyon (14. Etappe am Samstag, d. Red.)?
Degenkolb: In Lyon auf jeden Fall. Und man weiß ja nie, was vorher passiert. Morgen wird es auch nicht einfach. Klar gehen wir bei Flachetappen mit der Intention rein, für Marcel zu fahren. Und ich werde natürlich mein Bestes geben, ihn zu unterstützen. Aber es kann ja immer etwas passieren. Speziell hier mit dem Wind.
An Lyon haben Sie gute Erinnerungen, oder?
Degenkolb: Ja, klar. Ich habe da bei der Dauphiné mein erstes World-Tour-Rennen gewonnen. Ich habe mir neulich die Bilder noch einmal angeschaut und das ist eine schöne Erinnerung. Ich denke schon, dass das eine gute Möglichkeit sein wird.
Die Etappe ähnelt vom Profil her der nach Albi. Diese schwereren Etappen kommen Ihnen entgegen. Trotzdem sind Sie auch ein guter Sprinter. Was fehlt denn, um auch im Massensprint mit Marcel Kittel, Mark Cavendish oder André Greipel mitzuhalten?
Degenkolb: In erster Linie die Endgeschwindigkeit. Ich bin zwar in Albi auch 68 Stundenkilometer gefahren, und das ist nicht langsam. Aber wenn man gegen Cav oder Greipel gewinnen will, dann muss man eben über 70 fahren. Dieser Unterschied beim Speed macht sich schon bemerkbar. Aber das ist auch nicht schlimm, denn ich bin ein ganz anderer Fahrertyp. Man muss sich ja nur die Ergebnisse der Bergetappen anschauen, wie sehr die dort leiden. Ich kann da besser mithalten und dann zum richtigen Zeitpunkt meine Chance nutzen.
Wäre es denn dann überhaupt wünschenswert, ein echter Top-Sprinter zu werden, oder ist es besser, sich die Bergfestigkeit zu bewahren?
Degenkolb: Für mich persönlich ist es sehr wichtig, dass ich nicht versuche, etwas zu werden, was ich nicht bin. Ich bin weder Bergfahrer noch Top-Sprinter. Ich bin ein Klassikerfahrer, der sehr schnell ist, wenn es aus der Gruppe heraus zum Sprint kommt. Wenn eine Gruppe von 20, 30 oder 40 Mann aufs Ziel zufährt, habe ich die besten Chancen zu gewinnen. Und das muss ich mir bewahren: bergfest zu sein, aber den Sprint nicht zu vernachlässigen.
Mit Ihren Fähigkeiten wären Sie doch eigentlich auch dazu prädestiniert, das Grüne Trikot anzupeilen…
Degenkolb: Ich hoffe es und gehe fest davon aus, dass ich mich in diese Richtung entwickeln kann. Im Moment fährt Peter Sagan aber auf einem ganz anderen Level. Wenn seine Mannschaft an einem Berg der 2. Kategorie Tempo macht, fährt er an Position sechs mit drüber, während alle anderen Sprinter abgehängt werden. Da macht er volle Punktzahl durch Zwischensprint und Tagessieg. Das ist ein Vorteil, der Greipel und Cavendish chancenlos macht.
Dadurch hat Sagan nun bereits einen riesigen Vorsprung. Ist es deshalb schade, dass die Punkteverteilung so ist, wie sie ist?
Degenkolb: Nein, das finde ich nicht. Das Grüne Trikot soll nicht nur dem reinen Sprinter gehören, sondern genau solchen Leuten wie Sagan. Vielleicht sage ich das, weil ich die Chance wittere, mich in den nächsten Jahren dort hin zu entwickeln und stark genug zu sein, um Sagan dann auch zu schlagen. Aber ich persönlich finde, das Grüne Trikot bedeutet eben nicht nur Massensprint, sondern auch am Berg mal zu leiden, um danach noch Punkte zu erhaschen.
Ihr Team Argos-Shimano ist noch recht jung, spielt aber eine immer größere Rolle. Merkt man, dass der Respekt der Konkurrenz wächst?
Degenkolb: Ja, wir werden von Rennen zu Rennen ernster genommen. Mit uns wird gerechnet. Auf Flachetappen sind wir die erste Mannschaft, auf die mit dem Finger gezeigt wird, wenn es darum geht, eine Gruppe einzuholen. Aber diese Aufgabe nehmen wir auch an. Je mehr man gewinnt, desto mehr steht man eben in der Verantwortung.
Das zeigt auch, dass Marcel Kittel gefürchtet wird. Ist er inzwischen sogar der Stärkste unter den reinen Sprintern?
Degenkolb: Durch die Pyrenäen ist er von den drei am besten durchgekommen. Da war ich wirklich beeindruckt. Ich habe ihn am Berg noch nie so stark gesehen. Das hätte ich vorher nicht erwartet. Aber er hat ja auch mit mir im Höhentrainingslager trainiert. Nein, Spaß bei Seite: Im Sprint kann er jeden schlagen, und er kann sicher auch Mann gegen Mann gegen Cav oder Greipel gewinnen.
Welche Rolle spielt dabei seine Unbekümmertheit? Er wirkt hier bei der Tour immer etwas lockerer als Greipel oder Cavendish…
Degenkolb: Es ist natürlich schon so ein bisschen ‚Rookie-Denken‘ bei uns. Wir gehen hier rein, haben nichts zu verlieren und schauen dann, wo wir rauskommen. Das gibt einem Lockerheit. Es ist schon ein Unterschied, wenn man zum Beispiel sieht, wie Cav mit seinen Teamkollegen einen Sieg feiert und wie wir das tun. Da sind wir etwas euphorischer - ist ja auch klar: Er hat schon 25 Etappen gewonnen.
Mit John Degenkolb sprach unser Tour-Korrespondent Felix Mattis am ersten Ruhetag der Tour in in Saint Nazaire.
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