Wiggins gewinnt die Tour, Cavendish das Finale

"Rule Britannia" in Paris

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Das Podium der Tour de France 2012, v.l.: Christopher Froome, Bradley Wiggins (beide Sky), Vincenzo Nibali (Liquigas-Cannondale) | Foto: ROTH

22.07.2012  |  Paris (dapd) - Als die britische Nationalhymne "God save the Queen" auf den Champs Elysees erklang, war Bradley Wiggins endgültig in den Geschichtsbüchern der Tour de France angelangt. Ergriffen genoss der erste britische Sieger in der 109-jährigen Geschichte der Frankreich-Rundfahrt im Schatten des Arc de Triomphe den größten Erfolg seiner Karriere.

"Das waren magische Wochen. Einige Träume sind wahr geworden. Meine Mutter sitzt da drüben und hier hat ihr Sohn gerade die Tour gewonnen", sagte Wiggins bei seiner Rede auf dem großen Tour-Podium und scherzte in Richtung der vielen nach Paris geeilten britischen Fans: "Kommt gut nach Hause und betrinkt euch nicht so sehr."

Zuvor hatte er auf der Fahrt nach Paris seine persönlich Tour d'Honneur erlebt, als ihm die Kollegen um Vorjahressieger Cadel Evans zum Erfolg gratulierten, während am Straßenrand der Union Jack zuhauf wedelte. "Das ist eine große Erleichterung. Ich werde aber noch eine Weile brauchen, um das richtig zu verstehen", ergänzte Wiggins nach der Tortur über 3.497 Kilometer quer durch Frankreich.

"Rule Britannia!" hieß es bei der 99. Frankreich-Rundfahrt. Passenderweise gewann sein Landsmann und Sky-Teamkollege Mark Cavendish auch den Prestigesprint auf dem Pariser Prachtboulevard und machte den Traum seines deutschen Rivalen Andre Greipel vom vierten Etappensieg zunichte.

Greipel musste sich beim "Sprint royale" auf der 20. und letzten Etappe über 120 Kilometer von Rambouillet nach Paris mit dem achten Platz begnügen. Dagegen triumphierte Weltmeister Cavendish zum vierten Mal in Folge auf den Champs Elysees und verbuchte den insgesamt 23. Etappensieg seiner Karriere. Die Plätze zwei und drei belegten der Slowake Peter Sagan (Liquigas-Cannondale) und der Australier Matthew Goss (Orica-GreenEdge).

Cavendish zeigte sich zum Schluss der Tour in alter Stärke. "Ich wollte es noch einmal erleben, auf den Champs Elysees zu siegen. Ich hatte einen guten Zug. Das hat sich ausgezahlt", sagte Cavendish und ergänzte: "Das war eine unglaubliche Tour für uns. Ich bin so stolz für Großbritannien."

Das ganz große Blitzlichtgewitter richtete sich in Paris aber auf Wiggins, der die Nachfolge des Australiers Evans antrat und mit dem zweitplatzierten Teamkollegen Christopher Froome gar für einen britischen Doppelsieg sorgte. "Verdammt noch mal, ich habe die Tour gewonnen!", sagte Wiggins, als sein Triumph nach dem zweiten Sieg im Einzelzeitfahren am Samstag feststand: "Ich habe als kleiner Junge vor dem Fernseher gesessen, die Tour geschaut und davon geträumt, sie selbst einmal zu gewinnen. Aber was hat ein Junge aus London schon für Chancen? Andere liebten Fußball und träumten davon, einmal den FA Cup zu gewinnen. Ich hatte immer nur den Traum, einen Tag an der Spitze der Dauphine oder der Tour zu stehen."

Dieser Traum wurde am Sonntag Wirklichkeit. "König von Frankreich", titelte das englische Blatt "Sunday Times" und bei "Mail on Sunday" war zu lesen: "Le Gentleman". Und der bekam vor der letzten Etappe noch prominenten Besuch im Teambus. Der frühere 100-Meter-Weltrekordler Maurice Greene gratulierte Wiggins bereits vorab zum Toursieg. "Es braucht eine Weile, bis ich diesen Erfolg richtig verstanden habe", sagte Wiggins.

Es ist der Höhepunkt seiner Karriere, die einst im Bahnradsport begann und ihn dort zu vier Olympiasiegen bei den Sommerspielen 2004 und 2008 führte. Danach speckte er acht Kilogramm ab und entwickelte sich zu einem passablen Rundfahrer, der nie ein Blatt vor den Mund nahm. Mit Dopingsündern rechnete er ab, das bekam auch der französische Volksheld Richard Virenque zu spüren.

Die Herzen der französischen Fans vermochte Wiggins aber noch nicht zu erobern, was insbesondere daran lag, dass die Teamorder von Sky doch die 99. Ausgabe sehr bestimmte. So durfte Froome, der vermeintlich stärkste Fahrer in den Bergen nicht attackieren. Dem drittplatzierten Vincenzo Nibali (Liquigas-Cannondale) fehlten indes die Mittel. So blieb es bei einer recht unspektakulären Tour de France. "Es gibt viele Romantiker im Radsport, die gerne Attacken der Pantanis dieser Welt sehen würden. Aber der Radsport hat sich verändert. Wir fahren die Anstiege in hohem Tempo hoch, da wird ein Angriff deutlich schwerer, es sei denn man hat ein paar Liter Blut extra", sagte Wiggins.

Zu den Gewinnern der 99. Tour gehörte indes Greipel. Auch wenn es in Paris nicht zum dritten deutschen Erfolg nach Didi Thurau (1977) und Olaf Ludwig (1992) langte, schaffte er mit drei Etappensiegen endgültig den Sprung in den Kreis der weltbesten Sprinter. "Wir haben viel mehr erreicht, als wir jemals gedacht hatten. Das Team war fantastisch und ich bin einfach nur überglücklich", sagte Greipel, der zuversichtlich in Richtung London blickt, wo er am nächsten Sonntag zu einer olympischen Medaille sprinten will.

Da wird er wieder auf Cavendish treffen.

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