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26.02.2025 | (rsn) – Der Menstruationszyklus kann die Leistungsfähigkeit bei von Profiradsportlerinnen immens beeinflussen – sei es bei einem wichtigen Eintagesrennen oder einer Grand Tour. "Erwischt“ die Fahrerin die falschen Tage, kann eine monatelange Vorbereitung verpuffen, da die maximale Leistung nicht abgerufen werden kann. Eine zusätzliche Belastung für Frauen in dieser so harten und trainingsintensiven Sportart, der sich die männlichen Kollegen nicht ausgesetzt sehen.
Der Zyklus mit seinen unterschiedlichen Phasen (Follikelphase, Lutealphase und Ovulation) kann im Training aber auch durchaus positiv genutzt werden. Belastet sich die Athletin in bestimmten Zeitabschnitten nämlich mit den richtigen Intensitäten, kann sie nicht nur ihr Training effektiver steuern, sondern auch ihre allgemeine Leistungsfähigkeit steigern. Dieses sogenannte “zyklusbasierte Training“ rückte vor vier Jahren in den öffentlichen Fokus, als Ironman-Siegerin Laura Philipp mit dem Thema auf diversen Social-Media Kanälen in die Offensive ging. Und damit nicht nur Aufklärungsarbeit leistete, sondern auch andere Profisportlerinnen, besonders aus dem Fußball, dazu ermutigte, über mögliche Beeinträchtigungen durch ihren Zyklus offener zu sprechen.
___STEADY_PAYWALL___Zugegeben, die Studienlage, die sich mit trainingswissenschaftlichen Methoden – und damit auch dem Zyklusbasierten Training - zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit bei Frauen befasst, hinkt hinterher. Lediglich ein Frauenanteil von drei Prozent wurde dabei erfasst. Und dennoch wurde in Untersuchungen gezeigt, dass besonders in der mittleren Follikelphase und frühen Lutealphase (7.-20. Tag) der weibliche Körper besonders gut auf kraftbetonte und intensive Einheiten reagierte. Dieses deckte sich auch mit den Rückmeldungen befragter Sportlerinnen, die sich in diesem Zeitraum besonders stark fühlten. Als schwächste Phase wurde die Menstruation und die Tage davor genannt.
RSN hat sich umgehört: Wie geht der Profradsport mit Zyklusbasiertem Training um? Wird in dieser inzwischen so hochtechnisierten und verwissenschaftlichen Sportart nach diesem Ansatz trainiert, um noch das ein oder andere Watt mehr herauszukitzeln? Wie stehen Teamverantwortliche, Teamärzte, Coaches und vor allem die Fahrerinnen selbst dieser Trainingsmethode gegenüber? Und, als weitere Fragestellung, die sich konsequenter Weise in diesem Kontext anschließen muss: Inwieweit ist es im Peloton gängige Praxis, durch sogenannte Kontrazeptiva (Hormonzugaben als Verhütungsmethoden), die Menstruation zu verschieben oder gar auszusetzen?
“Wir sind vom Team zu dem Thema ‘Hormonveränderungen im Zyklus und Auswirkungen auf das Training‘ zwar vollends aufgeklärt, praktizieren in und mit der Mannschaft bei Movistar aber kein Zyklusbasiertes Training. Unsere Teamärztin ist der Ansicht, dass jede Fahrerin in ihrem individuellen Zyklus einfach zu unterschiedlich reagiert, als dass man eine sinnvolle Trainingssteuerung in der Mannschaft danach ausrichten könnte. Durch regelmäßige Tests wird aber überprüft, ob sich die Hormone im Gleichgewicht befinden und jede von uns einen regelmäßigen Zyklus hat“.
Liane Lippert – auch ohne Zyklusbasiertes Training Tour- und Giro-Etappensiegerin | Foto: Cor Vos
“Der individuelle Zyklus der Fahrerinnen ist in unserem Team neben anderen Faktoren, die die Leistung beeinflussen, wie beispielsweise die Ernährung, natürlich ein Thema. Die Frauen gehen damit aber sehr unterschiedlich um. Wenn jemand Probleme mit dem Zyklus hat, wird das mit den verschiedenen Coaches sehr offen diskutiert und dann auch individuell in der Trainingsvorgabe umgesetzt. Ein gezieltes Zyklusbasiertes Training setzen wir aber in der Trainingssteuerung noch nicht ein. Es gibt unserer Meinung nach zu dem Thema aktuell noch zu wenig Gewissheit in der Studienlage, als dass ein Training nach diesem Ansatz gerechtfertigt wäre. Aber wir sind bei Visma – Lease a Bike hinsichtlich Innovationen sehr offen – das kann sich also auch schnell ändern“.
“Ich hatte in meiner Zeit als Radprofi bis vor drei Jahren nicht bewusst zyklusorientiert trainiert, obwohl ich besonders in jungen Jahren schon recht starke Beschwerden hatte. In meiner Karriere wurde ich aber fast ausschließlich von meinem Vater trainiert, so dass wir an den Zyklustagen, an denen es mir nicht gut ging, immer in enger Absprache automatisch im Training rausgenommen haben.
Ein Schlüsselerlebnis hatte ich dann in meinem ersten Jahr bei Uno – X Mobility. Ich war ständig krank und mein dortiger Trainer Jesper Venkel analysierte aus meinen Daten, dass ich immer krank wurde, wenn ich die Tage vor meiner Periode intensive Einheiten trainiert hatte. Durch diese Erkenntnis konnte ich danach mein Training gezielter steuern und damit auch die Leistungsfähigkeit erhöhen. Bei Cofidis haben wir seit diesem Jahr einen Gynäkologen als Teamarzt. Ich habe noch nie so eine Offenheit von ärztlicher Seite zu diesem Thema erlebt und kann mit Dr. Muller wirklich alles bereden. Natürlich auch das Thema, inwieweit es sinnvoll ist, durch eine permanente Einnahme von Hormonpräparaten die Periode auszusetzten.
Ich kenne einige Fahrerinnen, die das machen, um bei wichtigen Rennen keine Leistungseinbußen zu haben. Ich selbst habe mich gegen diese Praxis entschieden, auch wenn ich dadurch in Kauf nehmen muss, mal ein schlechteres Ergebnis als erhofft einzufahren“.
“Wir berücksichtigen alle Bereiche, die sich auf die Leistung einer Athletin auswirken können, einschließlich der Berücksichtigung des Menstruationszyklus‘ jeder Fahrerin und dessen Zusammenhang mit ihrer individuellen Leistung. Unsere Strategien rund um die Leistung auf und neben dem Rad sind flexibel und berücksichtigen, wie der Körper jeder Athletin zu unterschiedlichen Zeiten funktioniert, und wir nehmen bei Bedarf Anpassungen vor.
Einige Fahrerinnen verwenden menstruationsspezifische Apps wie Clue oder Ovulation Calculator, andere verwenden Training Peaks und wieder andere verwenden überhaupt keine Apps. Ein absichtliches Verschieben der Menstruation, um am Tag X eventuell keine Leistungseinbußen zu haben, wird in unserem Team nicht praktiziert“.
Lucinda Brand steuert ihr Training nach Körper und Gefühl | Foto: Cor Vos
“Ich mache keine gezielte Trainingssteuerung, die sich am Zyklus ausrichtet und auch kein schriftliches Fixieren meiner Zyklusdaten. Ich mache das eher nach Gefühl. Wenn es mir nicht gut geht und harte Intervalle auf dem Programm stehen, fahre ich sie eben nicht so hart. Ich hatte so viele Rennen, wo mein Zyklus die Leistung beeinflusst hat - es ist halt nicht planbar… .
Mein Training ist auch generell nicht so ausgelegt, dass ich immer ganz detailliert nach bestimmten Wattvorgaben trainieren muss. Da steht dann eher ‘fahre die Intervalle nach den Wattzahlen, die du nach deinem Gefühl heute fahren kannst‘. Es ist im Leistungs- und Profisport immer noch ein sehr komplexes Thema. Für mich hat sich aber bewährt, im Training konsequent in meinen Körper zu hören und danach die Belastung zu steuern“.
“In meinen bisherigen Teams war Zyklusbasiertes Training kein Thema, so dass ich mit diesem Ansatz bislang noch keine Erfahrungen machen konnte. Wenn ich im Training mal nicht so performt habe, wurden schon die Gründe von mir erfragt. Nannte ich meine Zyklusbeschwerden als Ursache, kam da aber wenig Mitgefühl rüber. Ich habe mir dadurch zusätzlichen mentalen Druck im Training auferlegt, da ich immer dachte, ich hätte wichtige Trainingseinheiten in der Vorbereitung auf ein Hauptrennen ‘verloren‘. Dieser Druck ist nun weg, da ich in dieser Saison keinen Trainer habe und von nun an zyklusorientiert mein Training selbst steuern werde. Da ich die Zufuhr von Hormonpräparaten ablehne, bleibt aber weiter diese Ungewissheit, ob ich bei einem wichtigen Rennen nicht einer dieser schwachen Tage in meinem Zyklus erwische – und dann meine volle Leistung nicht abrufen kann. Aber damit kann ich sehr gut leben“.
Das alles sind Erfahrungen und Meinungen derjenigen, die sich täglich mit ein und demselben Thema beschäftigen: der Leistung und der Frage, wie diese aufrechterhalten und verbessert werden kann. Es bleibt spannend zu sehen, ob die Bedeutung von Zyklusbasiertem Training in den kommenden Jahren einen ähnlichen Verlauf nehmen wird wie die der Ernährung. Da hätte man es vor Jahren auch nicht für möglich gehalten, dass Berufsradfahrer irgendwann einmal ihr Essen abwiegen.
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