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24.02.2024 | (rsn) – Bei zwei von drei Finalisten waren die Chancen groß, dass ein Deutscher die Zwift Challenge 2024 gewinnen und sich somit einen Platz im Development-Team von Alpecin – Deceuninck sichern würde. Der 24-jährige Anton Schiffer (Bike Aid) fuhr zwar die besten Werte, die Jury aber entschied sich letztlich für den vier Jahre jüngeren Louis Kitzki (Embrace The World), da man in ihm das größere Entwicklungspotenzial sah.
"Es ist eine Erleichterung, dass sich die ganze Arbeit gelohnt hat und bin stolz auf den Erfolg. Ich war mir nach dem Zwift-Rennen überhaupt nicht mehr sicher. Das fühlte sich bei mir gar nicht gut an. Antons Zahlen waren die besten, auch wenn wir bei den Allout-Tests zu Hause alle mal die Nase vorne hatten", sagte Kitzki zu radsport-news.com.
Aus seiner Sicht sprachen zum einen sein Alter für ihn, aber auch seine bisherige Trainingsgestaltung, die noch viel Luft nach oben habe. "Dazu habe ich bisher neben dem Radsport noch 1000 andere Sachen wie Forstarbeit gemacht oder in einem Supermarkt gearbeitet, die die Regeneration einschränken können. Das Training lief bisher eher so mit", so Kitzki, der versuchte, sich so wenig wie möglich Druck zu machen. "Ich hatte das Gefühl, die anderen waren mehr mit einer Alles-oder-Nichts-Einstellung dabei, ich habe mir gedacht: Wenn es nicht funktioniert, habe ich eine Woche Gratisurlaub auf Zwifts Nacken genossen", erzählte der Abiturient, der zuvor erst ein einziges Trainingslager in seinem Leben bezogen hatte.
Schiffer, der mit einem achten Gesamtrang bei der Tour of Antalya (2.1) sehr gut in die Saison gestartet war, gab gegenüber RSN zu "schon enttäuscht und etwas sauer“ gewesen zu sein, nicht als Sieger aus dem Wettbewerb hervorgegangen zu sein. Zumal er im Leistungstest die besten Werte trat. Die Entscheidung gegen ihn sei für ihn "überraschend“ gekommen, wie der Kletterer erklärte.
Allerdings zählten bei der Zwift Challenge nicht nur die getretenen Watt, sondern auch noch andere Qualitäten wie zum Beispiel technische Fähigkeiten und weitere Komponenten, die in einem gemeinsamen Trainingslager mit den Profis von Alpecin – Deceuninck abgeprüft wurden. Und hier stach letztlich Kitzki hervor, der als Zeitfahrer mit passablen Kletterfähigkeiten zudem von seinem Fahrertyp her besser ins Konzept der Belgier passe, wie die Jury dem Kletterer Schiffer mitteilte.
Anton Schiffer fuhr zuletzt stark bei der Tour of Antalya. Foto: Bike Aid
Trotz allen Frusts konnte sich Schiffer auch mit Kitzki über dessen Erfolg und den damit verbundenen Platz bei Alpecin – Deceuninck freuen. "Natürlich gönne ich Louis den Sieg. Er war auch saustark unterwegs. Gerade wenn man das Alter betrachtet, ist er schon sehr weit, was seine Leistungsentwicklung angeht“, lobte Schiffer seinen Landsmann, der Ende Januar 20 Jahre alt geworden ist.
Auch wenn ihm mit Kitzki nun ein Leistungsträger verloren geht, zeigte sich Micha Glowatzki, Teamchef bei Embrace The World, glücklich über den Ausgang der Zwift Challenge. "Ich freue mich sehr, dass er es geschafft hat und bin gespannt, wie er sich machen wird“, so Glowatzki zu RSN. Neben der Leistungsfähigkeit hob der Teamchef aber auch die “angenehme Persönlichkeit“ von Kitzki hervor, der erst spät vom Triathlon zum Rennradsport übersiedelte.
“Schon als wir ihn 2023 bei uns aufgenommen haben, war mir nach den ersten Rennen klar, dass richtig Potenzial in ihm steckt, was sich jetzt hoffentlich mit dem nächsten Step und professionelleren Strukturen weiter ausschöpfen lässt“, so Glowatzki.
Mit dem Triathlon hatte Kitzki als Fünfzehnjähriger begonnen und sich dabei drei Jahre älter gemacht, um an einem ab 18 Jahren ausgeschriebenen Wettbewerb teilnehmen zu können. "Ich wurde bei dem Wettbewerb auch direkt Neunter und war damit total zufrieden", erinnerte er sich. Während der Corona-Pandemie, als die Schwimmbäder geschlossen waren und dort ein Training nicht möglich war, entschied sich Kitzki voll auf das Rennrad zu setzen. Sein erstes Rennen in der U19 war die Landesmeisterschaft zur Mitte des Jahres, Ende der Saison folgte noch ein Bundesliga-Rennen. Im zweiten Junioren-Jahr fuhr er bereits seine ersten UCI-Rennen, ehe es im ersten U23-Jahr zu Embrace The World ging.
Dass Kitzki nicht nur ein Tretmonster ist, das seine Wattwerte abspult, zeigte er in der letzten Saison, als er beim GP Es-Samara (1.2) in Marokko auf der Windkante Dritter wurde und so ein von Verletzungen gezeichnetes Jahr rettete. Denn nachdem er wegen seines Abiturs erst spät in die Saison eingestiegen war, warf ihn ein Handbruch zurück. Da auch noch eine heftige Bronchitis dazu kam, konnte der Youngster nur wenige Rennen bestreiten und sich entsprechend nicht für ein höherklassiges Team empfehlen.
Bei den UCI-Rennen in Marokko zeigte Louis Kitzki im letzten Herbst sein Talent. Foto: Embrace The World
Die Zwift Challenge hatte er sich aber schon im letzten Oktober dick im Kalender notiert. So trainierte der Norddeutsche im Winter auf dem Mountainbike sechs bis sieben Stunden auch bei Schnee und Minustemperaturen und trug dabei, um sich zu erwärmen, eine beheizbare Sohle. "Das war letztlich mein Training zur Vorbereitung, gepaart mit ein paar Zwift-Workouts. Ich habe mich aber auch nicht spezifisch darauf vorbereitet"; so Kitzki, der parallel noch ein Praktikum bei der Bundeswehr absolvierte.
Wäre jetzt kein positives Ende für ihn dabei herausgekommen, so hätte Kitzki ein Chemie-Studium begonnen. "Das wäre für mich auch ein toller Plan-B gewesen", meinte er. So aber kann Kitzki in dieser Saison in einem professionellen Umfeld Radfahren und bekam mit Philipp Walsleben auch direkt einen Trainer zur Seite gestellt, nachdem er bisher intuitiv sein Training selbst gesteuert hatte. Sein erstes Rennen wird in einem guten Monat die Volta Limburg Classic (1.1) sein, danach folgt Lüttich-Bastogne-Lüttich der U23 (1.2U)
Ob Schiffer, der wie Kitzki erst spät vom Triathlon zum reinen Rennradsport umsattelte, im nächsten Jahr noch mal an der Zwift Challenge teilnehmen wird, ließ er offen. Jetzt gehe es darum, eine möglichst erfolgreiche Saison mit Bike Aid zu fahren und sich möglicherweise so den Umweg Zwift Challenge für einen Profivertrag zu ersparen.
Bei den Frauen ging der Platz beim Development-Team von Canyon SRAM an die 27-jährige Südafrikanerin Maudie Le Roux, die ebenfalls aus dem Triathlon-Sport stammt und nun ihre wohl letzte Chance auf eine Karriere im Straßenradsport ergriff.
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