Vorschau 16. Strade Bianche

Auch ohne zwei Hauptdarsteller ein monumentales Spektakel?

Von Felix Mattis

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Mathieu van der Poel (Alpecin - Fenix) und Wout Van Aert (Jumbo - Visma) gewannen die letzten beiden Austragungen von Strade Bianche, fehlen aber diesmal. | Foto: Cor Vos

05.03.2022  |  (rsn) – Die Saison hat gerade erst begonnen, da steht auch schon das erste Monument vor der Tür – zumindest fast. Am Samstag geht es auf die weißen Schotterstraßen der Toskana, und viele bezeichnen Strade Bianche inzwischen als 'heimliches sechstes Monument', auch wenn keine 250 sondern nur 184 Kilometer auf dem Programm stehen. Das italienische Eintagesrennen hat es geschafft, sich seit seiner Premiere vor 15 Jahren einen beachtlichen Ruf zu erarbeiten und gilt inzwischen als eines der prestigeträchtigsten Rennen der Saison.

Besonders attraktiv ist 'Strade' vor allem deshalb, weil es so einzigartig ist. Denn auch wenn Schotterpassagen inzwischen überall in Europa bei Straßenrennen aus dem Boden sprießen, so sind die in der Toskana eben doch die majestätischsten. Das Streckenprofil sorgt dafür, dass hier Fahrer unterschiedlicher Kategorien gleichermaßen um den Sieg kämpfen. Hier können Klassiker-Asse genauso zuschlagen, wie Grand-Tour-Kletterer.

In diesem Jahr aber scheint das Übergewicht auf der Favoritenliste ein wenig in Richtung der Bergfahrer auszuschlagen. Denn in Abwesenheit von Titelverteidiger Mathieu van der Poel (Alpecin – Fenix) und dem 2020 erfolgreichen Wout Van Aert (Jumbo – Visma) stehen Tour de France-Sieger Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) und Weltmeister Julian Alaphilippe (Quick-Step – Alpha Vinyl), der 2019 in Siena triumphierte, besonders hoch im Kurs.

Doch die Liste der Siegkandidaten bleibt sehr lang: Der 2018 siegreiche Tiesj Benoot (Jumbo – Visma) beispielsweise ist genauso zu beachten wie der inzwischen 41-jährige und in diesem Winter schon sehr starke Alejandro Valverde (Movistar) oder beispielsweise Matej Mohoric (Bahrain Victorious) und Gianni Moscon (Astana Qazaqstan) sowie natürlich Cross-Weltmeister Tom Pidcock (Ineos Grenadiers / Update: Der Brite musste seinen Start absagen). Spannend wird sein, wie sich Bora–hansgrohe-Neuzugang Sergio Higuita schlägt, der hier bei einem Rennen debütiert, das ihm liegen sollte. Lennard Kämna (Bora-hansgrohe) wäre aufgrund seiner guten Form auch zu den Favoriten zu zählen, doch der Norddeutsche musste krankheitsbedingt absagen.

An der Strecke hat sich in der Toskana seit 2018 nichts verändert: Elf Schottersektoren, die sogenannten "Settore Sterrato" stehen auf dem Programm und umfassen insgesamt 63 Kilometer auf dem losen Untergrund – rund ein Drittel der Gesamtdistanz. Dabei teilt sich das Rennen in vier Teile auf: Zunächst geht es in der ersten Rennhälfte darum, sich entweder in die Spitzengruppe zu begeben oder im Feld von allen Stürzen und Defekten verschont zu bleiben.

Die Strecke des 16. Strade Bianche auf der Landkarte | Foto: RCS

Auf dem Weg zurück gen Norden wird es dann hektischer, weil nach 111 Kilometern der siebte Schotter-Sektor namens San Martino in Grania beginnt. Er ist 9,5 Kilometer lang und wird nach einer acht Kilometer langen Abfahrt sofort vom achten Sektor namens Monte Sante Marie gefolgt, der 11,5 Kilometer lang ist.

Dieser zweite Rennabschnitt läutet Jahr für Jahr das Finale ein, weil hier die ersten richtigen Selektionen im Feld stattfinden, das sich weit in die Länge zieht und dann unweigerlich in mehrere Gruppen zerreißt. Anschließend folgt ein knapp 20 Kilometer langes, welliges Asphaltstück, auf dem sich die vorderen Gruppen zunächst orientieren und dann schnell klar ist: Nur wer jetzt noch im ersten Feld sitzt, der kann am Ende um den Sieg fahren.

Bei Kilometer 160 beginnt der nur 800 Meter lange, dafür aber sehr steile drittletzte Sektor namens Monteaperti, auf den sechs Kilometer später der 2,4 Kilometer lange Colle Pinzuto-Sektor folgt und weitere sechs Kilometer später 'Le Tolfe' mit 1,1 Kilometern Länge und bis zu 18 Steigungsprozenten. Diese drei Schotter-Sektoren laden zum Attackieren ein und werden – quasi als dritter Rennabschnitt - die Vorentscheidung herbeiführen, bevor dann das Finale ohne Schotter aber nochmal mit einer heftigen Steigung aufwartet:

Das Streckenprofil des 16. Strade Bianche | Foto: RCS

In Siena angekommen geht es auf dem Schlusskilometer noch eine knapp 500 Meter lange und bis zu 16 Prozent steile Rampe hinauf, in der Jahr für Jahr die Entscheidung fällt: Für die Via Santa Caterina hinein in die Altstadt braucht man noch Reserven, um dort den letzten Antritt zu setzen, oben als erstes um die 90-Grad-Kurve auf die winkligen letzten 500 Meter hin zum Piazza del Campo abzubiegen und dem Sieg entgegenfahren zu können.

Eine nicht zu unterschätzende Nebenrolle spielt bei Strade Bianche grundsätzlich die Witterung. Regnet es in der Toskana viel, macht das die Schotterstraßen tiefer und matschig. Regnet es wenig, wird es auf den Sektoren extrem staubig – wie etwa bei der Sommer-Edition im August des ersten Corona-Jahres 2020 bei 35 Grad. Am Samstag soll es trocken und sonnig sein, bei knapp zehn Grad. Und auch wenn es am Freitag zu leichten Regenfällen kommen könnte, sollten die Bedingungen dafür, dass das 'heimliche Monument' wieder ein monumentales Spektakel wird, gut sein.

Die elf Schottersektoren:
Settore Sterrato 1, KM 17,6: Vidritta (2,1 km)
Settore Sterrato 2, KM 25: Bagnaia (5,8 km)
Settore Sterrato 3, KM 36,9: Radi (4,4 km)
Settore Sterrato 4, KM 47,6: La Piana (5,5 km)
Settore Sterrato 5, KM 75,8: Lucignano d’Asso (11,9 km)
Settore Sterrato 6, KM 88,7: Pieve a Santi (8 km)
Settore Sterrato 7, KM 111,7: San Martino in Grania (9,5 km)
Settore Sterrato 8, KM 130: Monte Sante Marie (11,5 km)
Settore Sterrato 9, KM 160: Monteaperti (0,8 km)
Settore Sterrato 10, KM 164,6: Colle Pinzuto (2,4 km)
Settore Sterrato 11; KM 171: Le Tolfe (1,1 km)

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