Ein Gastkommentar zur Corona-Krise

Höher, schneller, weiter? Oder gesund, sozial, gemeinschaftlich?

Von Matthias Schnapka

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Matthias Schnapka (Bike Aid) | Foto: Team Bike Aid / Jana Haus

24.03.2020  |  (rsn) - Natürlich ist es für unser Team und unsere Fahrer schmerzhaft, wenn der gesamte Wettkampfbetrieb still steht und es keine klare Perspektive gibt, wie, wann und wo es weitergeht. Selbstverständlich sind wir uns alle bewusst, dass es derzeit andere Prioritäten gibt als ein Radrennen. Aber unsere Sportler investieren viel für ihren Sport, sehen darin berufliche und existenzielle Perspektiven, die durch die aktuelle Situation in Frage gestellt werden.

Dennoch liegen die Beweggründe für uns, dieses Team zu bestreiben, ja auch in der Suche nach Antworten, wie sich Spitzensport zukünftig ausrichten sollte - vor allem, nachdem der Radsport aufgrund seiner hausgemachten Probleme in Deutschland die öffentliche und mediale Anerkennung eingebüßt hatte.

Deswegen ist es unser Ansatz, auch unseren Fokus auch darauf zu richten, was Sport über den reinen Wettkampf hinaus bewegen kann. Die Corona-Krise gibt uns die Möglichkeit, den Sinn von Sport neu zu hinterfragen anstatt nur über die aktuellen Einschränkungen zu klagen.

Sport soll der Jugend ein Kompass für Moral und Werte sein. Aber für welche Werte steht der Sport? Sind es tatsächlich Werte, die sich Eltern für ihre Kinder wünschen? Im Spitzensport geht es um Sieger und Verlierer, nicht mehr und nicht weniger. Aber wenn Kinder früh und einzig nach diesen Kategorieren gepolt werden, sich als überlegene Sieger zu fühlen oder als nutzlose Verlierer, ist es das, was Sport bieten sollte? Was passiert mit einem Kind, das Anerkennung nur als Sieger bekommt, welche Mittel wird es zukünftig in Betracht ziehen, diese Anerkennung weiter zu erhalten? Wollen wir Egoisten oder soziale, empathische Menschen mit Lebensfreude?

So dramatisch die Corona-Krise ist, so hat sie doch bereits eines geschafft: Sie hat unsere überhitzte, sich immer schneller drehende Welt angehalten. Damit bietet sich uns die Möglichkeit zur Reflexion und Neuausrichtung. Und dies gilt gerade auch für den Sport, für sein Höher, Schneller, Weiter. Geradezu grotesk hat sich ja die anfängliche Weigerung des Fußballbetriebes gezeigt, diese neue Situation anzuerkennen. Ebenso Herr Bach und das IOC (Internationales Olympisches Komitee), was aus deren überhöhten Selbstbild abzuleiten ist, aufgrund der subjektiven Wahrnehmung über die Wichtigkeit ihres Sportereignisses die Realität der Welt auszublenden.

Wenn man in Krisen ausschließlich das Negative sieht, müsste man ja resignieren, dass wäre fatal für unsere Gesellschaft wie auch für den Sport. Natürlich sind die Einschnitte heftig, die langfristigen Auswirkungen kaum vorherzusagen. Der Spitzensport steckt ja schon länger in einer zunehmenden Identitätskrise, zumindest wenn man die Debatten außerhalb des Sports in Medien und Öffentlichkeit verfolgt.

Der Sport selbst versucht sich dieser Debatte noch oft zu verweigern. Die Akzeptanz für Großereignisse wie Olympia schwindet und es steht die Frage im Raum, ob es sinnvoll ist, einige wenige privilegierte Sportler mit Millionen zuzuschütten. Erzielt der Sport damit den größten gesellschaftlichen Nutzen oder geht es doch mehr um die Förderung der Gesundheit, um die individuelle Lebensfreude bei der Ausübung, um den sozialen Austausch und um das Miteinander gerade auch bei Kindern? Wären die Milliarden im Sport, im aufgeblähten Fußball oder in den Kassen des IOC vielleicht sinnvoller im Gemeinwohl, in sozialen Belangen, in der gesamten Breite des Sports sowie der Kinder- und Jugendarbeit nicht besser untergebracht?

Wir glauben, dass Sport seinen größten Nutzen erzielen kann, wenn er der allgemeinen Gesundheit dient, wenn er die Möglichkeit schafft, dass sich Menschen unterschiedlichster Kulturen verbinden, sich körperlich betätigen und dabei Fähigkeiten entwickeln und diese in gegenseitiger Anerkennung steigern, so dass ein positives Selbstbewusstsein erwachsen kann, ohne in Egoismus und negative Unterscheidung in Verlierer und Sieger zu verfallen. Wenn Sport es schafft, dass Menschen dadurch die Motivation finden, ihr Leben selbstbestimmt in die Hand zu nehmen, sich begeistern können und nicht in Depression oder Antriebslosigkeit zu verfallen, dann wäre das schon sehr viel.

Sich im Wettkampf zu messen, macht uns sowie jedem Wettkampfsportler große Freude, nur sollte man aufpassen, das nicht allzu ernst zu nehmen und zum Alleinstellungsmerkmal zu machen. Sport ist und bleibt vor allem Spiel. Zu dem bietet ja gerade der Radsport ein intensives Erleben der Natur, fördert ein Bewusstsein darüber, was es an Schönheit und Existenzgrundlage zu erhalten gilt, was gerade für die Jugend von größter Wichtigkeit ist.

Sollte die Corona-Krise dazu führen, dass der Sport in den nächsten Wochen mal in sich geht, sich überlegt, für was er stehen möchte, sich selbstkritisch hinterfrägt und vielleicht auch neue Antworten findet, dann sehen wir die Folgen - nur auf den Sport bezogen! - nicht all zu dramatisch.

Viele Grüße

Matthias Schnapka

Matthias Schnapka ist einer der Verantwortlichen und Fahrer beim saarländischen Kontinental-Team Bike Aid

 

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