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28.08.2022 | Viele Radfahrer/innen sind mit einem falsch eingestellten Sattel unterwegs - das ist nicht nur uneffektiv, es kann auch Schmerzen verursachen. Hier klären wir Ursachen und Hintergründe und zeigen, wie Sie die richtige Einstellung finden.
Wer am Wochenende seine Runden auf dem Renner dreht, dem fällt immer wieder auf, wie viele Radler/innen mit falscher Sitzposition fahren. Das bereitet nicht nur Unwohlsein, vor allem auf längeren Strecken, es ist auch ungesund. Doch das ist leicht zu korrigieren. "Wichtig ist, dass man sich auf dem Rad wohlfühlt und durch Ausprobieren zu seiner persönlichen optimalen Position kommt“, rät Stefan Stiener, Fahrrad-Ergonomie-Spezialist und Gründer des Fahrradherstellers Velotraum.
Mit nur wenigen Handgriffen können Radfahrer/innen eine bequeme,
schmerzfreie Sattel-Position erreichen, die zudem ein effizienteres Treten ermöglicht. Im Folgenden ein paar Tips, die man einfach zu Hause umsetzen kann. Die Erklärungen richten sich in erster Linie an Alltags-Fahrer/innen. Wer sportlich oder auch viel Langstrecke fährt, gar chronische Schmerzen hat, der sollten ein Bikefitting bei spezialisierten Betrieb in Betracht ziehen (mehr dazu in diesem Artikel).
Für Einsteiger/innen ist die Versuchung groß, den Sattel tief einzustellen. Das verspricht Sicherheit, weil die Füße im Gefahrenfall schneller und sicher am Boden sind. "Bei einer zu niedrigen Sattel-Position wird das Knie jedoch stark angewinkelt. Dadurch erhöht sich der Druck auf die Gelenke, die Muskulatur ermüdet schneller“, erklärt Stefan Stiener.
Selbst Schmerzen an Gesäß, Wirbelsäule
der Füßen können im zu niedrigen Sattel ihre Ursache haben. Anders im Winter, hier gilt: Eine zeitweise geringfügig niedriger eingestellte Sattel-Position ist durchaus ratsam, da sie mehr Sicherheit bei Fahrten auf rutschigem Untergrund vermittelt.
Zum Gegenteil, dem zu hoch eingestellten Sattel: Weil sich die Kraftübertragung besser anfühlt und die Sitzposition "sportlicher" wirkt, neigen vor allem ambitionierte Radfahrer/innen dazu, den Sattel etwas höher zu justieren. So verschiebt sich der Druckpunkt beim Pedalieren von den Fußballen auf die Zehen bzw. Fußspitzen. Dabei werden Nervenbahnen eingeengt, was taube Zehen verursacht.
"Ein zu hoch eingestellter Sattel erhöht
zudem den Druck im Genital-Bereich, weil man versucht, durch eine Becken-Rotation nach vorne die Probleme auszugleichen“, beschreibt Lothar Schiffner vom Ergonomie-Spezialisten Ergon das Problem. Durch ein verstärktes seitliches Abkippen des Beckens kann zudem die Bandscheibe stark komprimiert werden. Im Alltag mit häufigen Stops und Starts befördert ein höherer Sattelauszug zudem Unsicherheitsgefühle, da der Abstand zum Boden größer ist.
Um den Druck auf das Schambein zu verringern, neigen manche Radfahrer/innen ihre Sattelspitze nach unten. Das geht allerdings zu Lasten der Rumpf- und Arm-Muskulatur; zudem bekommt man das Gefühl, vom Sattel zu rutschen. Rücken, Arme und Hände müssen zusätzliche Stützarbeit übernehmen: Schmerzen sind nicht selten die Folge.
Kippt man den Sattel nach hinten,
muss man mit Fuß- und Rückenschmerzen sowie Verspannungen am Hüftbeuger rechnen. Der Sattel sollte deshalb möglichst waagrecht auf dem Rad montiert sein und nur um Nuancen geneigt werden. Ist die waagrechte Position unangenehm, ist das ein deutliches Zeichen, nach einem anderen Sattel Ausschau zu halten.
Wer sich nun seinen Sattel passend einstellen will, braucht zwei Werkzeuge: eine Wasserwaage und einen Inbus-Schlüssel bzw ein Multi-Tool. Bevor die Höhe eingestellt wird, stellt man zuerst die Sattelneigung ins Waagrechte. Dazu löst man die Verschraubung des Sattels an der Stütze, legt eine Wasserwaage auf den Sattel, richtet ihn aus und zieht die Sattelschrauben wieder fest. Um zu überprüfen, ob das Fahrrad geradesteht, legen Sie die Wasserwaage zuvor auf den Boden neben das Fahrrad.
Dann wird die Sattelhöhe bestimmt:
Als Richtwert für Alltags-Radler/innen eignet sich die sogenannte Fersen-Methode, da sie ohne weitere Messgeräte auskommt. Man braucht dazu allerdings jemanden, der oder die einen festhält; alternativ kann man sich an einer Wand abstützen. Nun auf den Sattel setzen, ein Pedal steht am tiefsten Punkt. Die Ferse wird auf dieses Pedal gestellt, das Knie sollte nun gerade sein.
Erreicht man das Pedal nicht,bzw nur mit Zehenspitzen, muss der Sattel tiefer gestellt werden. Ist das Knie noch gebeugt, muss man den Sattel höherstellen. Dafür wird die Schraubklemme bzw der Schnellspanner an der Sattelstütze geöffnet und die Sattelstütze nach Bedarf verschoben. Sattelstützen mit einer aufgedruckten Skala sind hilfreich, um schnell die passende Einstellung zu finden.
Wenn jetzt die Wirbelsäule zusammen
mit der Becken-Position ein "natürliches" Hohlkreuz ergibt, sind Sie auf dem richtigen Weg. Haben Sie aber einen Rundrücken, steht das Becken falsch. Die Wirbelsäule kann nicht mehr "einfedern", uU treten Schmerzen auf.
Wer Unterstützung bei der Einstellung braucht, kann die „Fitting-Box“ von Ergon nutzen. "Dabei wird mit Hilfe einer Wasserwaage, einem Lot, diversen Mess-Schablonen und einer detaillierten Anleitung die je nach Fahrstil passende Sitzposition ermittelt. Vorkenntnisse braucht man nicht, man muss nur seine Schritthöhe wissen“, sagt Lothar Schiffner. Diese messen Sie, indem Sie sich ohne Schuhe mit dem Rücken an eine Wand stellen und ein Buch (mit dem Rücken nach oben) zwischen den Beinen nach oben schieben. Die Schritthöhe ist der Abstand von Boden bis zum Buchrücken.
Wenn die Höhe passt, geht es an die Fein-Justage
der Sattel-Position. Dafür wird die Tretkurbel waagrecht ausgerichtet. Nun auf das Rad setzen und in die optimale Pedalier-Position begeben: "Der Fußballen steht dabei auf Höhe der Pedalachse, das Knie ist am tiefsten Punkt leicht angewinkelt“, erklärt Stefan Stiener von Velotraum. Im Idealfall sollte nun das Lot von der Kniescheibe durch die Pedal-Achse verlaufen.
"Ist das nicht der Fall, muss der Sattel am Gestell wenige Millimeter nach vorne oder hinten verrückt werden“, rät Schiffner von Ergon. Abschließend die Sattelhöhe nochmals überprüfen, beim Verschieben und Festziehen die waagrechte Neigung des Sattels beibehalten sowie die Schrauben nach Drehmoment-Angaben anziehen - und schon kann die wilde Fahrt losgehen...
Thomas Geisler ist Redakteur beim "pressedienst-fahrrad".
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