Heikos WM

Rich hat das Rennen im Kopf verloren

Von Heiko Salzwedel

23.09.2005  |  Alle Unkenrufen zum Trotz hat Michael Rogers seinen dritten WM-Zeitfahrtitel in Folge eingefahren. Offenbar hat auch sein australischer Trainer tiefgestapelt, als er sagte, dass sein Schützling nicht in Topform sei. Die Form, in der Michael sich präsentiert hat, war allemal gut genug, um die Konkurrenz in die Schranken zu verweisen. Der künftige Teamkollege von Jan Ullrich hat ähnlich wie dieser ein untrügliches Tempogefühl und er weiß, was er seinem Körper abverlangen kann.

Dass die beiden Spanier Gutierrez (als Zweiter) und Plaza (als Vierter) für das gastgeberland ein weiteres gutes Ergebnis eingefahren haben, kommt nicht von ungefähr. Sie haben den Heimvorteil ausgenutzt, mehrfach auf dem Parcours trainiert und sich dadurch entscheidende Vorteile verschafft.

Nicht zugetraut hätte ich Fabian Cancellara die Bronzemedaille – und er schnupperte ja sogar an Silber. Der Schweizer war für mich bisher eher ein Prolog-Spezialist, kein Mann für ein 40 Kilometer langes Zeitfahren. Aber der neue Teamkollege von Jens Voigt und Linus Gerdemann hat mich eines Besseren belehrt und gestern eine hervorragende Vorstellung abgeliefert.

Zu unseren deutschen Fahrern: Sebastian Lang hat mit seinem achten Platz die Erwartungen erfüllt. Aber auch er ist, wie schon die beiden U23-Fahrer Martens und Martin, zu langsam angegangen. Auf den zweiten 20 Kilometern wurde Sebastian immer schneller. Ein aggressiverer Beginn, und er wäre bei seinem Zeitfahrdebüt noch einige Plätze weiter vorne gelandet.

Einzelzeitfahren werden im Kopf entschieden. Und deshalb hat Michael Rich dieses Rennen verloren. Wie schon beim letzten Tour-Zeitfahren kam er auch bei diesem Wettkampf nicht in Tritt. Michael scheint immer noch die Unsicherheit in den Knochen zu stecken, weil er damals so weit abgeschlagen gelandet war. Zudem war dies definitiv kein „Rich-Kurs“. Die Anstiege und zahlreichen Kurven machten es für Fahrer mit ausgeprägten Rollereigenschaften schwer. Und so ein Fahrer ist Michael Rich.

Mein Top-Favorit Bobby Julich zeigte eine gute, aber eben keine überragende Leistung. Die Tagesform des Amerikaners hat nicht gestimmt, aber ein 11. Platz bei einer Weltmeisterschaft ist kein schlechtes Ergebnis.

Mein Schützling Ben Day kann mit seinem 13 Platz zufrieden sein. Ist Sebastian zu langsam angegangen, so war Ben auf der ersten Hälfte wahrscheinlich etwas zu schnell unterwegs. Aber das Tempo richtig zu dosieren ist eine Kunst, die nicht allen Fahrern gelingt.

Ebenfalls zu schnell angegangen ist der Brite Braydley Wiggins, der unbedingt eine Medaille wollte. Aber auch bei ihn hat möglicherweise das Ergebnis beim Zeitfahren der Tour de L’Avenir, wo er überraschend gegen Christian Müller verloren hatte, seine mentale Spätfolgen gezeigt.

Zum Schluss noch zur Überraschung des Tages: Die war für mich der Argentinier Matias Medici. Sein neunter Platz ist eine Bestätigung für die Strategie der UCI, den Radsport weltweit populär zu machen. Hein Verbruggens „Mondialisierung“ wird immer mehr zur Realität und die vermeintlichen Underdogs zu ernsthaften Konkurrenten – eine Entwicklung, die ich von ganzem Herzen begrüße.

Zur Person

Heiko Salzwedel ist einer der erfolgreichsten deutschen Radsporttrainer. Er führte im Jahr 1989 als Nationaltrainer der DDR-Bahnradfahrer den Vierer zu WM-Gold. Nach der Auflösung der DDR wurde er australischer Nationaltrainer und betreute Fahrer wie Robbie McEwen, Henk Vogels, Mathew White, Patrick Jonker und Kathy Watt. In seiner Profi-Mannschaft ZVVZ-GIANT-A.I.S. begannen Sportler wie Jens Voigt, Tomas Konecny, Jan Hruska, Nick Gates oder die beiden älteren Brüder von Michael Rogers (Deane und Peter) ihre erfolgreiche internationale Karriere.

Weitere Stationen des 48 jährigen Globetrotters aus dem thüringischen Schmalkalden waren das Amt des Leistungssportreferent beim Bund Deutscher Radfahrer, Teammanager im Britischen Radsportverband sowie Chef-Trainer der deutschen Frauen-Profimannschaft Equipe Nürnberger. Derzeit ist Salzwedel für die Nachwuchsförderung bei T-Mobile zuständig und Nationaltrainer der dänischen Bahn-Radsportler.

Heiko Salzwedel im Internet: http://www.sl-sports.com

Weitere Radsportnachrichten

15.05.2024Eine Wienerin beim Debüt im Bergtrikot: Valentina Cavallar

(rsn) - Um gerade einmal drei Punkte verpasste Valentina Cavallar (Arkea – B&B Hotels) am vergangenen Wochenende den Gewinn der Bergwertung bei der Itzulia Women (2.WWT) im Baskenland, da Demi Volle

15.05.2024Uijtdebroeks muss Giro vor 11. Etappe im Weißen Trikot aufgeben

(rsn) – Cian Uijtdebroeks (Visma – Lease a Bike) ist das nächste Opfer der Krankheitswelle, die momentan beim Giro d’Italia um sich greift. Der 21 Jahre alte Belgier verlässt den Giro als Fün

15.05.2024Liste der ausgeschiedenen Fahrer / 11. Etappe

(rsn) - 176 Profis aus 22 Teams sind am 4. Mai zum 107. Giro d’Italia (2.UWT) angetreten, darunter auch zwölf Deutsche, vier Österreicher, zwei Schweizer und ein Luxemburger. Hier listen wir a

15.05.2024Würgen, Schniefen, Magenschmerzen: Krankheitswelle greift um

(rsn) - Mit ziemlich blassen Gesichtern nahm ein erklecklicher Teil des Pelotons die zweite Woche des Giro d’Italia in Angriff. Ein paar Fahrer traten gar nicht mehr an, darunter der Brite Ethan Ver

14.05.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morgen

14.05.2024Nach der Kletterpartie ein Massensprint an der Adria?

(rsn / ProCycling) – Die Sprinter sind wieder am Zug. Auf dem Programm steht eine Übergangsetappe vom mittleren Teil des Knöchels bis zum unteren Teil der Wade des italienischen Stiefels. Die hüg

14.05.2024Pogacar macht Tiberi als Konkurrent mit “Eiern“ aus

(rsn) – Sieben Ausgaben sind vergangen seitdem zuletzt ein Italiener den Giro d´Italia gewonnen hat. Noch immer warten die Tifosi am Straßenrand auf einen Nachfolger von Vincenzo Nibali, der 2016

14.05.2024Wegen Lawinengefahr: 16. Giro-Etappe ohne Stelvio

(rsn) – Nachdem bereits Ende vergangener Woche entsprechende Meldungen zirkulierten, ist es nun offiziell: Die für die frühe Phase der 16. Giro-Etappe am 21. Mai vorgesehene Überquerung des Stil

14.05.2024Kerbaol lässt Muzic und Co. bergab stehen und siegt in Durango

(rsn) – Das deutsche Women´s WorldTeam Ceratizit – WNT hat mit der Französin Cédrine Kerbaol seinen fünften Saisonsieg eingefahren. Die 22-jährige Bretonin gewann am Dienstag das baskische Ei

14.05.2024“Schon krass“: Amann mit Sieg bei Algerien-Rundfahrt

(rsn) – Nach Platz drei durch Tillman Sarnowski beim vorgelagerten Eintagesrennen GP de la Ville d`Oran sowie den Plätzen fünf und vier durch Leo Charrois und Sarnowski an den ersten beiden Tagen

14.05.2024Uijtdebroeks: “Momentan ist jeder irgendwie ein wenig krank“

(rsn) – Nach dem ersten Ruhetag war Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) nicht in Angriffslaune. So nutzten auf der 10. Etappe des 107. Giro d’Italia die Ausreißer ihre Chance. Nach 142 schweren Kil

14.05.2024Fretin gewinnt Auftakt der 4 Tage von Dünkirchen

(rsn) – Milan Fretin hat zum Auftakt der 4 Tage von Dünkirchen (2.Pro) Cofidis-Equipe einen Heimsieg beschert. Der 23-jährige Belgier entschied bei Regen die 1. Etappe der sechstägigen Rundfahrt

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Giro d´Italia (2.UWT, ITA)
  • Radrennen Männer

  • Tour d´Algérie (2.2, DZA)