Jan Ullrich: «Ich war nie am Limit - das wird sich ändern»

15.01.2003  | 

Frage: Die monatelangen Spekulationen haben ein Ende. Sind Sie froh, dass alles vorbei ist?

Ullrich: «Im Prinzip fängt alles jetzt erst richtig an. Aber natürlich bin ich froh, dass das für mich unglückliche Jahr 2002 vorbei ist. Nach den Rückschlägen bin ich wieder hochmotiviert und habe ein außerordentliches Team an meiner Seite.»

Frage: Die Kritik, Ihnen sei es im Vertragspoker der vergangenen Tage nur ums Geld gegangen, war unüberhörbar.

Ullrich: «Es ist viel spekuliert worden. Ich bin bei meiner Entscheidung aber in erster Linie von sportlichen Gesichtspunkten ausgegangen. Aber für umsonst kann ich nicht fahren. Doch eines will ich deutlich sagen: Ich verdiene bedeutend weniger als zuletzt.»

Frage: Sie bringen zum Team Coast viele alte Bekannte mit. Kann man da noch von einem richtigen Neuanfang sprechen?

Ullrich: «Warum soll ich Leute wechseln, die gut für mich sind? Diejenigen, die meine bisherige Karriere erfolgreich begleitet haben, habe ich mitgenommen. Das tut mir gut, sie genießen mein Vertrauen.»

Frage: Wie sehen Ihre sportlichen Ziele nach der monatelangen Pause aus?

Ullrich: «Noch fühle ich mich wie ein Hobbyfahrer. Den alten Fehler, zu früh zu beginnen, werde ich aber nicht wiederholen. Mir fehlen 30 000 Kilometer auf dem Rad. Die Muskulatur muss sich erst langsam aufbauen.»

Frage: Aber die Erwartungen sind groß - vor allem im Hinblick auf die Tour de France.

Ullrich: «Niemand weiß, wie ich mich nach der Pause entwickle. Aber ein langsam aufgebauter Ullrich ist mit Blick auf die kommenden Jahre besser als ein schnell aufgebauter. Ich will nicht mit Pauken und Trompeten zurückkehren und wenig später wieder aufhören müssen. Schon in diesem Jahr den Sieg bei der Tour anzustreben, wäre zu hoch gepokert. Es kann aber dennoch eine schöne Saison werden.»

Frage: Ihr Tour-Konkurrent Lance Amstrong hat Ihren Wechsel zum Team Coast als Fehler bezeichnet. Wie bewerten Sie diese Kritik?

Ullrich: «Darauf kann das Team Coast in Zukunft die Antwort geben. Ich habe da eine andere Meinung. Coast war im vergangenen Jahr das fünftbeste Team der Welt und hat viel Potenzial.»

Frage: Nach dem positiven Doping-Befund haben Sie auch privat eine schwere Zeit durchgemacht. Ist die Krise überstanden?

Ullrich: «Ich sehe wieder Licht, bin befreit und erleichtert. Ich habe aus meinen Fehlern gelernt und im privaten Bereich viele Veränderungen vorgenommen. Ich bin umgezogen und habe mich von vielen Leuten getrennt. Ich bin nun frei in meinen Entscheidungen.»

Frage: Seit Ihrem Tour-Sieg 1997 heißt es, dass Sie Ihr Talent nicht optimal nutzen. Wird sich das nun ändern?

Ullrich: «Wenn man in so jungen Jahren die Tour gewinnt, ist es schwer, einen solchen Erfolg zu wiederholen. Aber ich habe erkannt, dass ich in den vergangenen zwei Jahren nur 90 Prozent aus mir herausgeholt habe. Ich war nie richtig am Limit - das wird sich ändern. Ich habe viel erreicht, aber auch viel verschenkt. Diesen Fehler werde ich nicht noch einmal machen. Ich will 2004 wieder nach der Krone greifen - dem Tour-Sieg.»

Frage: Wie bewerten Sie im Nachhinein die Trennung vom ehemaligen Arbeitgeber Team Telekom?

Ullrich: «Ich habe kein schlechtes Gefühl. Es wird dennoch ein komisches Gefühl sein, gegen meine alten Freunde anzutreten. Aber ich freue mich auf die Herausforderung. Es gibt jetzt drei erstklassige deutsche Teams. Solche Duelle sind gut für den heimischen Radsport. Mittlerweile kommen gute ausländische Fahrer nach Deutschland, früher sind die deutschen Fahrer ins Ausland gegangen.»

aufgezeichnet von Heinz Büse und Andreas Zellmer

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