Nach Sieg am Zoncolan: “Wir müssen realistisch bleiben“

Froome gewinnt nur Sekunden, lehrt die Konkurrenz aber das Fürchten

Von Felix Mattis

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Chris Froome (Sky) auf dem Weg zum Sieg am Monte Zoncolan - einige Sekunden vor Simon Yates (Mitchelton-Scott, hinten links) | Foto: Cor Vos

19.05.2018  |  (rsn) - Ãœberglücklich und erleichtert riss Chris Froome (Sky) die Arme nach oben, als er die Ziellinie auf dem 1.730 Meter hohen Monte Zoncolan überquerte. Der vierfache Tour-de-France-Sieger brüllte all die Anspannung der vergangenen zwei Wochen beim 101. Giro d'Italia, und vielleicht auch der vorherigen Monate rund um seine Salbutamol-Affäre heraus. Sein Etappensieg am berühmt-berüchtigten Schlussanstieg mit seinen bis zu 22 Prozent steilen Rampen war so etwas wie die Wiederauferstehung des Briten.

"Ich bin sehr glücklich mit dem Sieg heute. Das gibt viel Selbstbewusstsein nach dem verunglückten Start", strahlte Froome im Ziel und erklärte, dass sich sein Körper nach dem Sturz bei der Besichtigungsfahrt vor dem Auftaktzeitfahren von Jerusalem vor zwei Wochen nun langsam erhole. "Ja, das gibt Optimismus."

Der 32-Jährige hatte am Zoncolan 4,1 Kilometer vor dem Ziel in der für ihn typischen Art im Sitzen drastisch die Trittfrequenz erhöht und war der Konkurrenz in der bereits zu diesem Zeitpunkt durch die Arbeit seines Edelhelfers Wout Poels auf unter zehn Mann zusammengeschrumpften Favoritengruppe davongefahren.

"Es war eine enorme Beschleunigung. Ich konnte da nicht parieren", musste auch der bis dahin bei dieser Italien-Rundfahrt speziell am Berg so überlegen wirkende Simon Yates (Mitchelton-Scott) anerkennen. Der Landsmann des Tagessiegers aber blieb ruhig, setzte kurze Zeit später selbst eine Attacke, um seine letzten beiden Begleiter Miguel Angel Lopez (Astana) und Domenico Pozzovivo (Bahrain-Merida) abzuschütteln sowie den Gesamtzweiten Tom Dumoulin (Sunweb) weiter zu distanzieren, und machte Jagd auf Froome.

Auf dem Schlusskilometer kam er dem Sky-Kapitän sogar noch gefährlich nahe, konnte die Lücke aber nicht mehr schließen. Dass Froome auch diesem Druck standhielt, als Yates sich Meter um Meter näherkämpfte, beeindruckte auch seinen Teamchef David Brailsford "besonders", wie der 'Sir' erklärte.

Froome gewann am Zoncolan zwar lediglich zehn Sekunden seines bereits deutlich über drei Minuten liegenden Rückstands zurück und sprang vom zwölften auf den fünften Gesamtrang vor - doch plötzlich sahen ihn viele wieder im Geschäft um den Gesamtsieg, die ihn zuvor bereits abgeschrieben hatten. "Froome ist wieder im Spiel - oder: Der Etappensieg heute zeigt, dass er nie wirklich raus war", fasste Yates' Teamchef Matt White die Situation zusammen.

Und Yates selbst erklärte, dass er den neuen Gesamtfünften ebenso fürchte, wie den Gesamtzweiten Dumoulin. "Chris ist wie Tom: Die können zwei Minuten oder mehr im Zeitfahren herausholen", meinte der 25-Jährige, der nach der Ankunft am Zoncolan gewarnt sein dürfte: Denn bei noch vier anstehenden Bergetappen könnte Froome, sollte er sich weiter steigern, tatsächlich doch noch das Unmögliche möglich machen, und den Giro gewinnen - vorausgesetzt, er holt im Zeitfahren wirklich zwei Minuten auf Yates auf.

"Es war sehr beeindruckend, und ich weiß nicht, ob es einfach ein besonders guter Tag von ihm war oder er sich in der kommenden Woche weiter steigert", sagte auch Dumoulin. "Wenn er sich weiter steigert, ist er definitiv noch im Spiel."

Bei Sky aber trat man ganz bewusst auf die Euphorie-Bremse. "Ich weiß nicht, ob er den Giro noch gewinnen kann. Aber dieser Etappensieg war wichtig für Chris, für das Team und die Moral", sagte Brailsford, und Froome meinte: "Wir müssen realistisch bleiben. Ich bin immer noch drei Minuten zurück und Simon ist wirklich in guter Form. Für den Sieg wird es hart."

Der Tour-Sieger hatte sich im Vorfeld sehr akribisch auf die Zoncolan-Etappe vorbereitet. "Den Berg genau zu kennen und zu wissen, wo man beschleunigen musste, welche Übersetzung man wählen musste, das hat sehr geholfen", sagte er nun. Yates und Dumoulin hingegen waren zuvor noch nie dort gewesen.

Ausschlaggebend muss das nicht gewesen sein, aber ein Detail im Sieg-Puzzle von Froome war die Vorbereitung seines Teams sicherlich. Und auch die Arbeit seines Teams. Denn die Art und Weise, wie die Sky-Mannen, allen voran Wout Poels, das Rennen schwer machten und Fahrer wie Dumoulin oder Fabio Aru (UAE Team Emirates) bereits vor Froomes Attacke in Schwierigkeiten brachten, erinnerte stark an die alljährlichen Auftritte bei der Tour de France. "Wout war stark. Er sah, dass Tom am Ende der Gruppe war, zog sie in die Länge und machte es über 3,4 Kilometer lang schwer. Das machte meine Attacke leichter", so Froome. "Schon letztes Jahr bei der Vuelta am Angliru hat er Ähnliches vollbracht."

Ob Froome den Giro noch gewinnen kann, steht in den Sternen. Doch die 10,1 Kilometer lange Steigung hinauf zum Monte Zoncolan hat ihn zurück in den Kreis der Anwärter gebracht und nicht nur ihm Moral gegeben. Auch Poels und der Rest des Team Sky dürften in den kommenden Tagen nun wieder hochmotiviert sein. "Heute haben wir eine Etappe gezeigt, die dem Team Sky würdig ist", sagte Poels. Und man darf sicher sein, dass er das an den nächsten acht Tagen gerne noch öfter sagen würde.

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