Vielseitig einsetzbar - robuster als man denkt

Carbon: Gewicht ist nicht alles

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| Foto: Felt

18.07.2015  |  [pd-f/ ht] Als die ersten, zumindest teilweise aus Carbon gefertigten Räder bei der Tour de France auftauchten, hatten die Fahrer 80 Jahre lang auf filigranen Stahlrössern um den Sieg gekämpft.

Noch einmal 20 Jahre dauerte es,

bis mit Lance Armstrong zum ersten Mal ein Toursieger vom Start bis zum Ziel auf einem Carbon-Rahmen unterwegs war.

Inzwischen sind die kohlenstofffaserverstärkten Verbundstoffe im Radrennsport unentbehrlich - und erobern weiteres Terrain. Allerdings wird es auch in Zukunft Einsatzgebiete geben, in denen die Verwendung von Carbon nicht sinnvoll ist.

Carbon sind in Kunstharz eingebettete Kohlenstoff-Fasern.
Das Material ermöglicht den Bau sehr leichter Rahmen und Komponenten, was es zunächst vor allem für Rennräder interessant gemacht hat. Dabei gibt es für UCI-Straßenrennen ein klares Gewichts-Limit: Mindestens 6,8 Kilogramm müssen die Räder wiegen – ein Wert, der sich auch mit einem Alu-oder Stahlrahmen erreichen lässt.

Der Faserverbund hat jedoch weitere Vorteile mit: Während das Material in Faserrichtung steif und enorm zugfest ist, „flext“ Carbon in Querrichtung. "Damit lasst sich gezielt steuern, wie der Rahmen fahrdynamisch auf die einwirkenden Kräfte reagiert", erklärt Jeff Soucek, Leiter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung bei Felt.

Allerdings erfordert diese Technik ausgeklügelte Belegpläne,
sogenannte Lay-ups. Bei hochwertigen Rahmen werden mehrere tausend Carbon-Stücke unterschiedlicher Stärke in streng festgelegter Anordnung und Ausrichtung zusammengefügt.

So erklärt sich, warum ein Carbon-Rahmen aus Qualitätsfertigung 4000 Euro kosten kann, während im Internet mancher Rahmen schon für ein Zehntel des Betrags angeboten wird.

Beim Preis spielt auch die Fertigungsweise eine Rolle:

Prinzipiell können, ähnlich wie bei einem Stahlrahmen, einzelne Rohre miteinander verklebt werden. Die Möglichkeiten des Werkstoffs Carbon werden so aber kaum genutzt.

Bei der sehr viel aufwändigeren "Monocoque"-Fertigung werden entweder der ganze Rahmen, oder Teile davon in einem Stück gefertigt. So lassen sich an den Verbindungsstellen der Rohre "organische" Übergänge erzeugen, ähnlich der Basis eines Astes an einem Baumstamm.

So eröffnet der Werkstoff die Möglichkeit, den Luftwiderstand
der Räder entscheidend zu verringern, wie die kompromisslos auf Aerodynamik ausgelegten Triathlon- und Zeitfahr-Maschinen der „IA“-Serie von Felt (ab 3850 Euro) zeigen. „Mit Carbon können wir praktisch jedes Design umsetzen“, so Entwicklungsleiter Soucek.

Einen Nachteil hat Carbon allerdings: Es ist druckempfindlich, und kann bei Überlastung quer zur Faserrichtung brechen. Darum wird meist eine widerstandsfähige Deckschicht aufgebracht, wie Harald Troost von Koga erläutert: "Häufig handelt es sich dabei um gewebtes Material, das vor allem bei punktueller Belastung seine Stärken ausspielt, und für die typische Carbon-Optik sorgt."

In so einem Gewebe stützen sich die einzelnen Faserstränge

gegenseitig, müssen aber gebogen werden, und sind dadurch strukturell etwas geschwächt. Bei einer Fertigung aus parallel angeordneten Fasern ("unidirectional") wie beim Koga „Kimera Road Prestige“ (ab 2414 Euro) behalten diese hingegen vollständig ihre ursprüngliche Stärke.

Wichtig: Schraub-Verbindungen dürfen bei Carbon-Komponenten trotzdem nur mit einem speziellen Drehmomentschlüssel (z. B. Park Tool „TW-5“, 139,95 Euro) festgezogen werden. Für Einstellarbeiten oder Reparaturen unterwegs gibt es handliche Lösungen wie den „Torque Key“ von Ritchey (21,90 Euro).

Die Verwendung einer Montagepaste
(z. B. Finish Line „Fiber Grip“, 9,95 Euro/ 50 g) erhöht die Reibung zwischen den Bauteilen, so dass ihre Verbindung auch bei geringem Drehmoment hält.

Diese Einschränkung sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, wie robust und widerstandsfähig Carbon-Produkte bei korrekter Fertigung und Handhabung mittlerweile sind.

Die Firma Haibike etwa setzt selbst bei den stark
beanspruchten E-Mountainbikes auf Carbon als Rahmenmaterial. „Wir haben sehr gute Erfahrungen damit gemacht, und werden diesen Weg weiter verfolgen“, bekräftigt der leitende Produkt-Manager Felix Puello.

Selbst den extremen Belastungen im Mountainbike-Downhill trotzen Carbon-Komponenten. Lenker wie der Renthal „Fatbar Carbon Riser“ (165 Euro) oder Kurbelarme wie die Sram „X01 DH“ (280 Euro) überstehen unbeschadet auch harte Landungen.

Für maximale Kraftübertragung setzen Schuhhersteller

wie die Firma Bont auf ein steifes Chassis aus Carbon. Auch Sättel bestehen im Sportbereich oft aus dem Hightech-Material.

Bei Alltags- und Reiserädern kommt Carbon dagegen kaum zum Einsatz. Das hat nicht nur mit den hohen Preisen zu tun. Vielmehr sollen Räder für diesen Einsatzbereich auch schlechte Behandlung verzeihen, und vor allem leicht zu reparieren sein.

Eine der wenigen Ausnahmen ist der Riemenantrieb

von Gates. Auf den Antriebsstrang, der sich als wartungsfreie Alternative zur Kette anbietet, wirken die Kräfte ausschließlich in eine Richtung. Und welches Material wäre da besser geeignet als Carbon?

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