Griff, Lenker, Handschuh
Wie verhindere ich taube Hände beim Radfahren?
Von Thomas Geisler

Der Grund für taube Finger und eingeschlafene Hände beim Radfahren liegt meist in gereizten Nerven. | Foto: pressedienst-fahrrad
09.06.2020 |
Viele Radfahrer kennen das Problem: Wenn man längere Zeit im Sattel sitzt, werden die Finger taub, die Hände schlafen ein. Der Grund dafür liegt meist in gereizten Nerven. Der pressedienst-fahrrad erklärt, was die Probleme verursacht und welche Maßnahmen dagegen helfen können.
Die Hände sind beim Radfahren einer von nur drei Kontaktpunkten zwischen Mensch und Fahrrad. Je nach Rückenneigung - sehr aufrechtes bis sehr sportlich geneigtes Sitzen - und Trainingszustand des Fahrers stützen sie dabei einen großen Teil des Oberkörpergewichts auf dem Lenker. Der durchaus hohe, beständige Druck wird dabei auf eine recht geringe Fläche am Griff verteilt, die punktuelle Druckbelastung ist somit hoch.
Anders als die Beine sind die Hände bei der Fahrt wenig in Bewegung.
Ein suboptimaler Griff kombiniert mit einer falsche Griffhaltung sorgen so schnell für eine falsche Sitzhaltung auf dem Rad. „Das wirkt sich negativ auf das Gesamtgefühl aus. Die Nerven nicht nur in den Händen werden gereizt, schon auf kurzen Touren können als Folge Nackenverspannungen und Rückenschmerzen auftreten“, erklärt Stefan Stiener vom Ergonomie-Experten Velotraum.
Taubheitsgefühle in den Händen entstehen oft durch einen zu hohen Druck auf den empfindlichen Ulnar-Nerv. Der verläuft im Bereich des Kleinfinger-Ballens knapp unterhalb der Hautoberfläche. Durch zu hohen Druck auf der Handaußenseite entwickeln sich auf die Dauer Taubheits-Symptome an Ring- und kleinem Finger.
„Eine Lösung ist der Tausch des herkömmlichen Griffs
gegen einen sogenannten Flügelgriff. Dadurch wird die Auflagefläche der Hand vergrößert und der Druck besser verteilt“, sagt Lothar Schiffner von Ergon, Hersteller für ergonomische Fahrrad-Komponenten.
Treten Schmerzen oder Taubheit an Zeige-, Mittelfinger oder Daumen auf, kann ein zu hoher Druck auf dem Ausgang des Karpal-Tunnels die Ursache sein. Hervorgerufen werden die Schmerzen durch ein zu starkes Abknicken des Handgelenks, was Nerven, Sehnen und Blutgefäße komprimiert. Die Folge ist ein verengter Karpal-Tunnel und ein beschädigter Median-Nerv, was auch als Karpal-Tunnel-Syndrom bezeichnet wird. Laut den Experten der "Aktion Gesunder Rücken" müssen sich in Deutschland jährlich rund 300 000 Menschen deshalb einer Operation unterziehen.
„Gerade auf längeren Fahrten mit zunehmender
Ermüdung ist es schwierig, die ergonomisch korrekte Position der Hand zu gewährleisten. Ein korrekt eingestellter Flügelgriff kann auch hier unterstützen und das Handgelenk in der ergonomisch optimalen Position halten, ohne dass es abknickt“, sagt Ergon-Mann Schiffner.
Ein weiteres Problem kann ein seitlich überstrecktes Handgelenk sein, das ebenfalls zu tauben Fingern und Daumen führt, weil der Karpal-Tunnel eingeengt wird. Dieser Knick wird meist durch einen zu geraden Lenker hervorgerufen. „Die Lösung ist ein Lenker mit einer Biegung nach hinten. Das Handgelenk wird weniger überstreckt und der Karpaltunnel entlastet. Die Versorgung der Hand wird wieder verbessert“, erklärt Sebastian Marten vom Fahrradhersteller MTB Cycletech.
Als hilfreich haben sich auch Bar-Ends,
also Lenkerverlängerungen, erwiesen. Die „Hörnchen“ an der Lenkeraußenseite gibt es in unterschiedlichen Größen und auch direkt in Griffe integriert. Sie ermöglichen es, die Griff-Position während der Fahrt einfach zu verändern. „Speziell beim Bergauffahren hat das Vorteile, weil dadurch die komplette Position des Oberkörpers geändert und die Muskulatur entlastet wird“, weiß Marten.
Damit die ergonomischen Griffe ihr Potenzial entfalten können, ist die richtige Einstellung wichtig. „Die Griffe sollte man so einstellen, dass das Handgelenk nicht am Lenker abknickt, sondern in einer geraden Linie von der Hand zum Unterarm übergeht. Zudem sollten die Brems- und Schalthebel vom Griff aus leicht erreichbar sein“, rät Ergonomiee-Experte Stiener.
Bei der Einstellung hilft der Fachhändler
oder eine spezielle "Fitting Box"; dass moderne Griffe auf den Lenker geschraubt werden und nicht mehr mühsam aufgestopft werden, vereinfacht die Justage. Bei eigenen Schraub-Aktionen muss man allerdings die Drehmoment-Angaben der Hersteller beachten, damit der Griff nicht zu stark oder zu locker angeschraubt wird. „Speziell ein zu lockerer Griff ist ein Sturz-Risiko, da man schnell die Kontrolle über das Rad verlieren kann“, warnt Stiener.
Passende Fahrradhandschuhe können die Kontrolle unterstützen und auch eine ergonomische Wirkung erfüllen. „Gut gepolsterte Handschuhe sind für viele Radfahrer angenehm. Dank der verwendeten Schaumstoff- oder Gel-Polster werden die empfindlichen Bereiche auf der Handinnenseite zusätzlich gestützt und an die Ergonomie der Griffe angepasst“, erklärt Anna Rechtern vom Outdoor-Spezialisten Vaude.
Handschuhe mit einer starken Polsterung
schränken jedoch die Taktilität, also das Gefühl ein. Wer eine sichere Lenker-Kontrolle bevorzugt, wählt eher eine dünne Innenhandpolsterung. „Das ist vor allem für sportive Fahrer im MTB- und Rennrad-Bereich zu empfehlen“, sagt Rechtern.
Thomas Geisler ist Redakteur beim pressedienst-fahrrad.