Ein Interview mit Sebastian Wegerle, Produkt-Entwicklungsleiter “Fitness“ bei Canyon

Canyon EnduraceOn: E-Performance für alle

Von Magnus Günther

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| Foto: Canyon

29.04.2020  |  Vor zehn Tagen hat Canyon sein erstes E-Rennrad vorgestellt, das Endurace:ON AL. Als weltweit erster Hersteller verbauen die Koblenzer hier den Fazua-Evation-Antrieb mit dem brandneuen Black Pepper Performance Update: 250 Watt Unterstützung mit einer breiteren Leistungsverteilung, und jetzt 60 Newtonmeter Drehmoment. Damit wird in erster Linie eine größere Bandbreite an Trittfrequenzen erreicht: nun zwischen 50 und 120 U/min.

Warum ein E-Rennrad? Die Elektro-Unterstützung soll vor allem
die Leistungsunterschiede zwischen Fahrern verschiedener Niveaus minimieren, sagt Canyon-Pressesprecher Thorsten Lewandowski: „Das Endurace:ON gibt jedem die Power, die er braucht, um auch anspruchsvolleres, hügeliges Gelände zu genießen. Es ist ideal für Einsteiger, die mit ihren schnelleren Kameraden in der Gruppe bleiben wollen. Oder für Fahrer, die aus gesundheitlichen Gründen Intensitäts-Spitzen vermeiden wollen.“

Canyon will die E-Unterstützung im Rennrad-Bereich auch für Fahrer ermöglichen, deren Budget nicht für einen der teuren E-Renner ausreicht, die bisher am Markt dominieren. Thorsten Lewandowski: „Wir nennen das 'Democratize Performance'... Das Endurace:ON macht E-Performance durch sein Top-Preis-Leistungs-Verhältnis in einem ansonsten deutlich höherpreisigen Segment für mehr Radsportler als je zuvor verfügbar.“

Radsport-News hat sich mit Sebastian Wegerle, dem Entwicklungsleiter des Endurace:ON unterhalten, der auch schon für das Roadlite:ON verantwortlich zeichnete, das erste Canyon-Rad mit Fazua-Antrieb. Es geht um Entwicklung, Geometrie, Fahrgefühl, Antriebs-Alternativen, Komponenten, Varianten – und die Zukunft des E-Rennrads...

Radsport-News: Wie kam es zu der Entscheidung, nach dem Fitness-Ebike Roadlite:ON einen E-Renner mit Fazua-Antrieb zu bauen?
Sebastian Wegerle: Der Fazua-Antrieb hat uns bei Canyon von Anfang an begeistert. Aber er war komplett neu für uns, und wir wollten ihn nicht auf einen Schlag bei vielen Rädern, sondern peu a peu ins Portfolio einführen. Immerhin ist mit einem neuen Antriebs-System ja einiges verbunden: Nicht nur die Produktion muss darauf eingestellt werden, auch der Service, der Vertrieb, das Marketing...

Wie kann man sich die Entwicklung des Endurace:ON vorstellen? Hat man den Straßenrahmen genommen, und lediglich Unterrohr und Tretlager neu gemacht? So einfach war es vermutlich nicht...
In der Tat - die Geometrie wurde neu entwickelt, wie beim Roadlite:ON auch. Der Rohrsatz ist komplett neu, aber wir haben uns natürlich an der bewährten Geometrie des Endurace orientiert: Die Sitzposition bleibt sportlich, aber komfortabel. Da Akku und Motor eine bestimmte Unterrohr-Länge vorgeben, konnten wir die kleinste Größe XS nicht umsetzen, das Endurace:ON startet mit S, das ist eine Sitzrohrlänge von 480 mm.

Hat sich die Geometrie im Vergleich zur „Bio-Version“ des Endurace geändert?
Die Winkel bei Steuer- und Sitzrohr haben wir übernommen, so dass wir dasselbe ausgeglichene, trotzdem agile Handling erreichen. Die Stack-to-Reach-Werte, die definieren, wie gestreckt die Sitzposition ist, die haben wir so angepasst, dass der Fahrer in eine effiziente, gleichzeitig bequeme Position kommt, mit weniger Druck auf Rücken und Schulter. Um dem höheren Gewicht des E-Rads gerecht zu werden, haben wir die Kettenstreben um zehn Millimeter auf 425 mm verlängert. Dieser längere Radstand ergibt vor allem in schnellen Abfahrten ein besseres Gefühl.

Warum ein Fazua-Antrieb? Welche Vorteile hat er, im Vergleich mit anderen Systemen?
Der Fazua hat ein sehr natürliches Fahrgefühl – als ob man einen sehr guten Tag auf einem 'normalen' Rennrad hat, und dazu noch Rückenwind. Es ist aus unserer Sicht ein vom Gewicht und der Optik her ein sehr attraktives Antriebs-System, das mit dem neuen Black-Pepper-Update in Sachen Leistung mit dem Bosch-Active-Antrieb gleichzieht. Der Fazua-Motor arbeitet mit niedrigem Drehmoment und bietet Unterstützung eher im Hintergrund, nicht wie bei den Hi-Torque-Systemen mit hohem Drehmoment, die vom Fahrgefühl her teilweise ja schon in Richtung Motorrad gehen.

Welche Vorteile hat ein niedriges Drehmoment?
So bleibt das Rennrad-Feeling erhalten, anstatt dass der Motor vollständig übernimmt. Durch das Vermeiden hoher Drehmomente ist das Ansprechverhalten besser, die Unterstützung setzt sanfter ein. Und der Antrieb ist oberhalb von 25 km/h völlig widerstandsfrei. Der Fazua macht für Rennradler vieles wieder möglich: Ältere können in einer Gruppe mit jungen, starken Fahrern auf die Runde; die müssen nicht an jedem Anstieg warten. Das ist fast wie beim Golf das Handicap: Der E-Antrieb bringt Fahrer verschiedener Leistungsklassen zusammen.

Ihr habt sicher auch alternative Antriebe getestet. Kannst Du verraten welche?
Wir haben verschiedene Naben-Antriebe ausprobiert. Mit denen hätten wir ein niedrigeres Gesamtgewicht erreicht, haben in den Tests aber festgestellt, dass da doch Drehmoment fehlt. Vor allem in Anstiegen, wenn's beim Rennrad darauf ankommt, waren die Naben-Antriebe im Vergleich zu Fazua deutlich schwächer. Von den sogenannten Minimal-Assist-Systemen, die auf ein möglichst natürliches Fahren mit sanfter Unterstützung setzen, ist der Fazua in der neuen Black-Pepper-Version derzeit eindeutig der beste und am weitesten ausgereifte Antrieb.

Bleiben wir beim Antrieb: Warum ein Einfach-Antrieb?
Die E-Unterstützung erfordert nicht mehr so feine Gangsprünge. Zudem treten höhere Kräfte beim Gangwechsel auf, da ist ein Zweifach-Kettenblatt mit Umwerfer unserer Meinung nach nicht so ideal. Und durch den Motor muss zudem die Übersetzungs-Bandbreite nicht mehr so groß sein, da sind elf Gänge ausreichend.

Und warum GRX-Komponenten?
Das ergab sich aus der Entscheidung für den Einfach-Antrieb, wenn man Shimano verbaut. Die GRX-Teile sind zudem ein Stück robuster, das verträgt sich gut mit den höheren Kräften durch den Motor.

Welche Ausstattungs-Varianten werden noch kommen? Vermutlich eine Gravel-Version, wenn man die GRX-Ausstattung betrachtet...
Wir werden unser E-Rennrad-Sortiment definitiv weiter ausbauen, und da gehört für uns Gravel dazu. Ob das allerdings immer mit einem Fazua-Antrieb kombiniert wird, lasse ich mal noch dahingestellt...

Wird es Versionen mit Top-Komponenten wie Dura Ace geben?
Das Endurace:ON hat mit knapp 3000 Euro ein sehr attraktives Preis-Leistungs-Verhältnis, da werden wir uns vorerst nicht weiter nach oben bewegen. Dort ist die Konkurrenz mit ihren Carbon-E-Racern, da wollen wir jetzt nicht hin. Das Gewicht spielt unserer Meinung nach bei einem E-Rad nicht so eine große Rolle, daher bleiben wir bei Alu – und unserem Top-Preispunkt.

Nochmal zur Gravel-Version: Es wird also nicht einfach ein Endurace:ON mit breiteren Profil-Reifen und Flare-Lenker geben...
Nein, so einfach werden wir es uns nicht machen, das ist nicht unsere Arbeitsweise. Unser 'Bio'-Gravelbike Grail mit seinem revolutionären Lenker zeigt, dass wir immer nach den optimalen Lösungen suchen, nicht nach der einfachsten. So werden wir es auch bei unserem E-Gravelbike halten – wie immer es dann aussehen mag.

Wie sieht Canyon die Zukunft von E-Rennrädern? Bleibt es ein Nischenmarkt, oder werden sich die Elektro-Renner - ähnlich wie E-Mountainbikes - immer mehr auf den Straßen durchsetzen?
Auch bei Rennrädern wird der Elektrifizierungsgrad definitiv weiter steigen. Ich glaube aber nicht, dass er das Niveau erreichen wird, das wir jetzt bei E-Mountainbikes haben. Aus unserer Erfahrung wollen viele Mountainbiker in erster Linie bergab fahren, die sehen Bergauf-Passagen nur als Zugang zu den Downhill-Trails – dafür ist ein Motor natürlich ideal.

Und Rennradfahrer?
Rennradler sind anders: Sie wollen sich 'richtig' sportlich betätigen, durchaus auch schwitzen – aber sich nicht überanstrengen. Das ist das Potenzial des E-Rennrads: Unterstützen, wenn's nicht mehr so gut rollt. Aber zu einer Massen-Bewegung wie beim E-MTB wird das meines Erachtens nicht. Mehr Chancen für E-Antriebe sehe ich im Gravel-Segment: Da sind die Fahrer neuen Entwicklungen vielleicht aufgeschlossener. Mal sehen, was sich da noch tut...

Die Daten des neuen Endurace:ON
Aluminium-Rahmen, Carbon-Gabel, Carbon-Sattelstütze, Fazua-Evation-Antrieb mit 4,6 kg, Schwalbe-E-One-Reifen mit 32 mm, Steckachsen vorne und hinten, Shimano-GRX-Gravel-Komponenten, 160-mm-Scheibenbremsen, Gewicht 15,2 Kilogramm, Preis 2999 Euro.

 

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Weitere Informationen

Canyon Bicycles GmbH
Karl-Tesche-Str 12
56073 Koblenz

Fon: 0261/ 9490 3000

E-Mail: info@canyon.com
Internet: www.canyon.com

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