Elektromyostimulation - trainieren “unter Strom“

EMS-Training: Neurophysiologen warnen vor Überbelastung

Von Carina Tenzer

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| Foto: DGKN/ Fotolia

10.01.2018  |  Ein schlanker, straffer Körper mit nur 20 Minuten Training pro Woche – das verspricht das EMS-Training. Viele Fitness-Studios in Deutschland werben mit dem Sport-Trend Elektromyostimulation, bei dem die Muskeln während des Trainings zusätzlich mit elektrischem Strom stimuliert werden.

Doch die „Wundermethode“ hat Tücken:
Ob das Training wirklich den gewünschten Effekt bringt, ist nicht bewiesen, und falsch angewendet kann EMS sogar zu Schäden an Muskeln und Nieren führen.

Die Deutsche Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und funktionelle Bildgebung (DGKN) rät daher von EMS-Training im Breitensport ab: Die Methode sollte nur unter Anleitung ausgebildeter Sportmediziner und Physiotherapeuten zum Einsatz kommen.

Elektromyostimulations-Training (EMS) ist ein Ganzkörper-Training
unter Reizstrom, das hocheffizientes Trainieren mit nur 20 Minuten Einsatz pro Woche verspricht. Der Grund für den schnellen Effekt: Die gezielte Stromzufuhr führt zu stärkeren Muskelkontraktionen, die auch tiefere Muskelfasern erreichen und somit zum schnelleren Aufbau der Muskulatur führen.

In der Physiotherapie und im Hochleistungssport wird EMS schon seit Jahren zum Muskelaufbau nach einer OP oder längerer Bettlägerigkeit eingesetzt. Die Massenanwendung der Methode sei allerdings noch Neuland, sagt Professor Stefan Knecht, Chefarzt der Klinik für Neurologie in der St. Mauritius Therapie-Klinik in Meerbusch, und Pressesprecher der DGKN: „Während Ärzte und Physiotherapeuten in dieser Methode ausgebildet wurden, ist das Personal in Fitness-Studios oft nicht ausreichend geschult, um die Belastung richtig einzuschätzen.“

Während des EMS-Trainings trägt der Sportler
einen speziellen Anzug, der den Strom in die Muskeln leitet. Der Trainer gibt Anweisungen und reguliert die Strom-Intensität für die einzelnen Körper-Regionen über ein Kontroll-Panel. Verschiedene Muskelgruppen werden für einige Sekunden gezielt angespannt und anschließend wieder entlastet – durch die intensive Anspannung mit zusätzlicher Stromzufuhr ist ein kurzes Workout ausreichend.

„Der geringe Aufwand ist tückisch und kann dazu verleiten, häufiger oder ausgiebiger zu trainieren als empfohlen“, sagt Knecht: „Das EMS-Training sollte aber höchstens ein- bis maximal zweimal pro Woche absolviert werden“. Ein zu intensives Krafttraining führt zu einer erhöhten Ausschüttung der Creatin-Kinase (CK), einem Enzym, das die Muskeln mit Energie versorgt.

Wissenschaftler der Sporthochschule Köln haben herausgefunden,
dass der Anstieg der CK beim EMS-Training bis zu 18 Mal höher ist als beim herkömmlichen Training. Diese Extrem-Werte können in Einzelfällen zu Nierenschädigungen führen. Im Zweifel gilt: Wer nach dem Training Schmerzen, Herzrasen oder ein Schwächegefühl verspürt, sollte den Arzt aufsuchen.

Beim EMS-Training macht also wie meist die Dosis das Gift. Neben ausreichenden Erholungsphasen zwischen den Trainingseinheiten ist auch eine moderate Strom-Intensität wichtig. Gefahr droht, wenn jemand den Regler unkritisch nach oben dreht.

„Geschultes Personal muss die Strom-Intensität überwachen,
und die Trainer müssen auf die Gefahr des Übertrainierens hinweisen“, betont Stefan Knecht. Außerdem wichtig für die Nierenfunktion: Auch wenn die Trainingseinheiten nur kurz sind, muss ausreichend getrunken werden.

„Das EMS-Training ist nicht geeignet, um bequem und ohne Anstrengung in Form zu kommen, denn der Trainings-Effekt ist nicht bewiesen, und bei falscher Anwendung ist die Methode sogar riskant“, resümiert Knecht. Er empfiehlt: Ein reguläres Fitnesstraining – "das ist effektiv und sicher".

Die Deutsche Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung
(DGKN) ist die medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaft für Ärzte und Wissenschaftler in Deutschland, die auf dem Gebiet der klinischen und experimentellen Neurophysiologie tätig sind. Anliegen der DGKN ist es, die Forschung auf diesem Gebiet zu fördern sowie eine qualitätsgesicherte Aus-, Weiter- und Fortbildung zu garantieren. Dazu richtet die DGKN wissenschaftliche Tagungen, Symposien und Fortbildungsveranstaltungen aus, sie erarbeitet Richtlinien und Empfehlungen für die Anwendung von Methoden wie EEG, EMG oder Ultraschall.
Darüber hinaus setzt sich die DGKN für den wissenschaftlichen Nachwuchs ein, indem sie etwa Stipendien und Preise vor allem für junge Forscher vergibt. Die Methoden der klinischen Neurophysiologie kommen Patienten bei der Diagnose und Therapie neurologischer Erkrankungen wie Parkinson, Alzheimer, Migräne, Epilepsie, Schlaganfall oder Multiple Sklerose zugute.

Carina Tenzer ist Pressesprecherin der Deutschen Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und funktionelle Bildgebung in Stuttgart.

 
Weitere Informationen

DGKN
70451 Stuttgart

Fon: 0711 8931- 0

E-Mail: info@medizinkommunikation.org
Internet: www.dgkn.de

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