Siegfried Fröhlichs Sportrechtsblog

UV-Behandlung - angeblich verboten

Von Siegfried Fröhlich

Foto zu dem Text "UV-Behandlung - angeblich verboten"
Sportrechtler Siegfried Fröhlich

01.02.2012  |  (rsn) - Seit einigen Tagen diskutiert der Sport über einen möglichen Blutdoping-Skandal. Ausgangspunkt der Spekulationen war ein Bericht der Journalistin Grit Hartmann im Deutschlandfunk am 11. Januar 2012. Hartmann berichtete von staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen einen Erfurter Arzt, der das Blut von Sportlern mittels UV-Bestrahlung behandelt haben soll. Schlagzeile des Artikels: „Neuer Blutdoping-Verdacht im deutschen Eisschnelllauf“. Im Text hieß es: „Angeblich verbessert das den Sauerstofftransport im Gewebe“.

Vier Tage später legte Frau Hartmann nach. Unter der Überschrift „Blutdoping-Fall bringt Nationale Antidoping-Agentur in Bedrängnis“ führte sie aus: „Der Doktor … soll Blutdoping bei Topathleten praktiziert haben.“ Und: „Der Doktor soll … eine Methode praktiziert haben, die … als Doping gilt: UV-Bestrahlung des Blutes. … Angeblich verbessert dies den Sauerstofftransport.“

Die Geschichte hatte mittlerweile weite Kreise gezogen. In der Süddeutschen Zeitung schrieb Andreas Burkert: Der Arzt „hat nach SZ-Informationen seit 2005 mindestens 30 Athleten der nicht zulässigen UV-Behandlungsmethode unterzogen“.

Auch die ARD berichtete. Zitat Hajo Seppelt: „Bei wem er (der Arzt) die verbotene Behandlung durchführte, war bislang nicht bekannt. Aus Ermittlerkreisen liegt der Sportschau nun die Information vor.“

Zusammengefasst suggeriert die Berichterstattung, dass der böse Verdacht des Blutdopings im Raum steht. Die Süddeutsche Zeitung stellte ausdrücklich fest, dass mehrere Athleten sich seit 2005 einer sportrechtlich unzulässigen Behandlung unterzogen hätten.

Doch was ist Blutdoping? Ein Blick in den gültigen WADA-Code hilft nicht weiter. Blutdoping wird dort nicht erwähnt - allerdings taucht der Begriff in der Verbotsliste der WADA auf. In der aktuell gültigen Version ist ein Abschnitt mit „Erhöhung des Sauerstofftransfers“ überschrieben. Hiernach soll verboten sein: „Blutdoping einschließlich der Anwendung von eigenem, homologem oder heterologem Blut oder Produkten aus roten Blutkörperchen jeglicher Herkunft.“

Was man unter Blutdoping zu verstehen hat, wird demnach auch in der Verbotsliste nicht ausdrücklich geregelt. Immerhin lässt es sich anhand der Abschnittsüberschrift einschränken: „Erhöhung des Sauerstofftransfers“. Demnach können Blutbehandlungen nur dann Blutdoping sein, wenn das Ziel der Behandlung die Förderung der Sauerstoffaufnahme bzw. –verarbeitung ist.

Ein „Blutdoping-Skandal“ in Erfurt wäre so nur möglich, wenn die dort wohl vorgenommene UV-Behandlung mit dem Ziel der verbesserten Sauerstoffaufnahme erfolgt wäre. Es wäre aus Sicht der Journalistin schön gewesen, wenn dies wenigstens einer der üblichen Experten hätte bestätigen können; getreu dem Motto „ein Experten-Rat in Ehren kann niemand verwehren“. Doch leider findet sich kein solcher Experte. Wenn sich aber so kein Zusammenhang zwischen UV-Behandlung und Sauerstofftransfers herstellen lässt, wie kann dann überhaupt von einem Verdacht auf Blutdoping gesprochen werden?

In solchen Fällen hilft dem findigen Journalisten das hohe und von der Verfassung geschützte Gut der Pressefreiheit weiter. Zum Schutzbereich dieses Grundrechts gehört auch der Schutz des Informanten. Im Bericht des Deutschlandradios sieht das dann so aus: „Angeblich verbessert das den Sauerstofftransport im Gewebe“ (11.01.2012); „Angeblich verbessert dies den Sauerstofftransport“ (15.01.2012).

Und schon wird die Sache rund. Wenn es tatsächlich einen ernstzunehmenden Wissenschaftler gibt, der einen Zusammenhang zwischen UV-Behandlung und Sauerstofftransfers sieht, könnte man sich im Bereich des Blutdopings bewegen; ansonsten würde sich die Begrifflichkeit des Blutdopings von vornherein verbieten. Ich lehne mich jetzt auch mal weit aus dem Fenster: Angeblich gibt es diesen Wissenschaftler nicht.

Die Süddeutsche Zeitung arbeitet dagegen unmittelbar mit Feststellungen. Wenn man nicht unbedingt zur Wortklauberei neigt, liest man in der vorzitierten Aussage, dass der betreffende Mediziner verschiedene Athleten in den Jahren ab 2005 reglementwidrig einer UV-Behandlung unterzogen hat. Doch ist diese Behandlung wirklich verboten und war sie es schon 2005?

In der aktuellen Verbotsliste der WADA gibt es einen Abschnitt „Chemische und physikalische Manipulation“. Dort wird untersagt: „Die sukzessive Entnahme, Manipulation und Wiederzufuhr von Vollblut, ganz gleich in welcher Menge, in das Kreislaufsystem“. Es liegt an den Sportgerichten zu entscheiden, ob die UV-Behandlung im Wege der Auslegung hiermit sanktioniert werden kann. Hier stellen wir nur fest, dass ein Verbot der UV-Behandlung heute zumindest nicht unwahrscheinlich ist. In der Verbotsliste des Jahres 2011 stand im gleichen Zusammenhang: „Die sukzessive Entnahme, Manipulation und Reinfusion von Vollblut in das Kreislaufsystem ist verboten“. Auch hier genügt die Feststellung, dass ein Verbot der UV-Behandlung zumindest nicht ausgeschlossen werden kann.

Anders hingegen sieht es 2010 aus. Damals stand in der Verbotsliste der WADA im Abschnitt über „chemische und physikalische Manipulation“ bezüglich der Entnahme und Rückführung von Blut: Nichts! Gleiches gilt für die Jahre 2005 bis 2009. Die Entnahme und Rückführung von Blut, soweit es nicht um Blutdoping geht, war bis zum 31. Dezember 2010 demnach ohne jeden Zweifel nicht Gegenstand der verbotenen Behandlungen.

Doch wieso kann die Süddeutsche Zeitung das Gegenteil behaupten? Im Zweifel kommt man hier zur Wortklauberei und zur Auslegung zurück. Man könnte die Aussage ja auch so verstehen, dass es um eine „inzwischen nicht zulässige UV-Behandlungsmethode“ geht. Wäre das „angeblich“ so gemeint, wird auch diese Sache wieder rund. Der falsch erweckte Eindruck bleibt allerdings bestehen.

Angeblich können sich Sportler gegen derartige Berichterstattung nicht wehren. Ob dies wirklich so ist, bleibt abzuwarten. Jedoch zeigen beide Beispiele, wie einzelne Personen, von der Pressefreiheit gedeckt, Eindrücke suggerieren, die bei genauerer Betrachtung einer rechtlichen Grundlage entbehren. Eine derartige Berichterstattung ist weder dem Deutschlandfunk noch der Süddeutschen Zeitung würdig; angeblich.

Noch ein Wort zur Sportschau: Diese behauptet, Informationen aus Ermittlerkreisen zu haben. Das verwundert, denn Ermittlungsergebnisse sind nicht für Dritte bestimmt und unterliegen der Geheimhaltung. Scheinbar wird im Umgang mit Sportlern nahezu alles geduldet. Bereits im Fall Ullrich behauptete der Spiegel, ihm lägen mehrere tausend Seiten aus der Ermittlungsakte gegen Jan Ullrich vor.

Bislang ist nicht bekannt, dass Staatsanwaltschaften Ermittlungen gegen diejenigen anstellten, die sich im Amt der unerlaubten Weitergabe von Ermittlungsakten strafbar gemacht haben. Wie könnte die Sache hier rund werden? Investigative Sendungen wie „Monitor“ könnten sich der Sache annehmen und fragen, wieso dem Verdacht von derartigen Straftaten nicht nachgegangen wird. Dann müsste sich die ARD aber die unangenehme Frage stellen, ob das allgemeine Persönlichkeitsrecht mehr wiegt als die Pressefreiheit. Und diese Frage wird sich niemand stellen wollen; angeblich.


Der Sportrechtler Siegfried Fröhlich schreibt in einem Blog auf Radsport News Stellung über aktuelle und Themen aus dem Radsport.

Mehr Informationen zu diesem Thema

16.04.2013„Verpfeifen“ sollen andere

(rsn) - Im Oktober 2008 wurde Stefan Schumacher beschuldigt, bei der Tour de France mit dem Medikament CERA gedopt zu haben. Viereinhalb Jahre danach muss sich der Nürtinger wegen der damaligen Vor

23.10.2012Die Folgen der Wahrheit

(rsn) - Ständige Leser meiner Blogs werden wissen, dass ich grundsätzlich kein Freund der Kronzeugenregelung im Sport bin. Dies fördert meines Erachtens das Denunziantentum und weniger den sauberen

24.09.2012Berufsfreiheit für „Radsport-Azubis“

(rsn) - Als Rechtsanwalt berate ich seit gut einem Jahrzehnt auch Sportler. Der dabei häufigste Fall der Rechtsberatung ist derjenige, dass mich ein Sportler mit halbwegs ausgehandeltem Vertrag konta

24.08.2012Armstrong über Komplizenbetrug gestolpert?

(rsn) - „Ex-Teamkollegen belasten Armstrong schwer“ – so war es Anfang Juli im Internet zu lesen. George Hincapie, Floyd Landis und andere ehemaligen Kollegen sollen gegenüber der amerikanische

18.07.2012RadioShack-Nissan: Wie einst Team Coast?

(rsn) - Als vor etwa einem Jahr die Fusion der Teams Leopard Trek und RadioShack verlautbart wurde, sprachen viele Experten vom Entstehen des besten Teams aller Zeiten. Einige Radsportkenner befürcht

02.04.2012Wer Scharia kann, kann auch Sport

(rsn) - Wieder einmal sorgt die Wiener Blutbank für Aufregung im Sport. Eine heimliche Tonbandaufzeichnung des ehemaligen Langläufers Christian Hoffmann von einer Urteilsberatung der NADA Österreic

03.11.2011Schadensersatz bei vorzeitiger Teamauflösung

(rsn) – Die vorzeitige Auflösung von Rennställen hat für Radprofis oftmals unangenehme Folgen – das gilt in erster Linie natürlich für solche Fahrer, deren Verträge auslaufen. Wie aber gesta

Weitere Radsportnachrichten

02.05.2024Offiziell bestätigt: Red Bull wird zur Tour als Titelsponsor sichtbar

(rsn) – Das deutsche WorldTeam Bora – hansgrohe wird ab der kommenden Tour de France (29. Juni - 21. Juli) als Red Bull – Bora – hansgrohe unterwegs sein. Das gab Manager Ralph Denk am Donners

02.05.2024Vollering hängt an erster Bergankunft die Konkurrenz ab

(rsn) – An der ersten Bergankunft der 10. Vuelta Femenina hat Demi Vollering (SD Worx – Protime) ihre Konkurrentinnen in Grund und Boden gefahren und mit ihrem ersten Saisonsieg auch das Rote Trik

02.05.2024Im dritten Anlauf klappt es für Bike Aid mit dem Gelben Trikot

(rsn) – Im dritten Anlauf hat es für Yoel Habteab (Bike Aid) mit dem Gelben Trikot bei der Tour du Bénin geklappt. Nachdem ihm die Jury an den ersten beiden Tagen das Führungstrikot jeweils nach

02.05.2024Buchmann zur Giro-Ausbootung: “Komische Begründung“

(rsn) - Bis Ende des Jahres steht Emanuel Buchmann noch bei Bora – hansgrohe unter Vertrag. Ob er verlängert wird, scheint zumindest in diesem Moment nicht sicher. Mit großer Verärgerung tritt de

02.05.2024Arkéa - B&B Hotels verlängert vorzeitig mit Costiou

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Profiradsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder RÃ

02.05.2024Pogacar thront bei seiner Premiere über allen

(rsn) – Auf dem Papier scheint der 107. Giro d’Italia schon entschieden, noch bevor am Samstag in Venaria Reale nördlich von Turin der Startschuss fällt. Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) ist de

02.05.2024Zu Ehren des Sponsors: Intermarché in speziellem Giro-Trikot

(rsn) – Im dritten Jahr in Folge wird Intermarché - Wanty nicht in seinem Standard-Outfit zum Giro d´Italia antreten. Bei der am 4. Mai beginnenden 107. Ausgabe der Italien-Rundfahrt will das belg

02.05.2024Krieger und Mayrhofer sollen Dainese zum Hattrick pilotieren

(rsn) – Das Team Tudor startet am Samstag in seine erste Grand Tour. Zum 107. Giro d’Italia (4. – 26. Mai) tritt der Schweizer Zweitdivisionär aber mit einem relativ erfahrenen Aufgebot an. Nu

02.05.2024“Underdogs“ Bauhaus und Kanter hoffen auf Giro-Etappensiege

(rsn) – Olav Kooij (Visma – Lease a Bike), Tim Merlier (Soudal – Quick-Step), Fabian Jakobsen (dsm-firmenich – PostNL), Jonathan Milan (Lidl – Trek), Kaden Groves (Alpecin – Deceuninck),

02.05.2024Giro d`Italia: Die letzten zehn Jahre im Ãœberblick

(rsn) - Der Giro d`Italia ist traditionell die erste dreiwöchige Landesrundfahrt im Rennkalender, bei der sich immer wieder auch die Deutschen als Etappenjäger hervortaten. Im Jahr 2022 konnte das

02.05.2024Bénin: Jury nimmt Bike Aid das Gelbe Trikot wieder weg

(rsn) – Erneuter Tiefschlag für das Team Bike Aid bei der Tour du Bénin (2.2). Nachdem Yoel Habteab zum Auftakt seinen Etappensieg aberkannt bekommen hatte, weil er und seine Gruppe den Motorräd

02.05.2024Großes Vorschau-Paket: Die Strecke des Giro d´Italia 2024

(rsn) – Sechs Bergankünfte, zwei Einzelzeitfahren, toskanischer Schotter, der Mortirolo, der Stelvio und zum krönenden Abschluss zwei Mal der Monte Grappa – das ist der 107. Giro d´Italia (4. -

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine