RSNplusPro & Contra zur UCI-Regel 2.2.003

Gehören Strafen fürs Unterbesetzen von Rennen abgeschafft?

Von Christoph Adamietz und Felix Mattis

Foto zu dem Text "Gehören Strafen fürs Unterbesetzen von Rennen abgeschafft?"
Das Feld teilt sich bei Tirreno-Adriatico (2.UWT). | Foto: Cor Vos

31.03.2023  |  (rsn) – Teams, die an WorldTour-Rennen teilnehmen, müssen dort in voller Mannschaftsstärke am Start stehen. Das besagt UCI-Regel 2.2.003. Fehlen Fahrer vor Ort, kostet das 5.000 Schweizer Franken – pro Nichtstarter. In den vergangenen Wochen hat das immer wieder dazu geführt, dass Profis kurzfristig zu Rennen reisen mussten, die nicht in ihren Trainingsplan oder auch vom Streckenprofil her überhaupt nicht zu ihnen als Fahrertyp passten, weil Teamkollegen krank ausfielen:

Kletterer fahren flache Kopfsteinpflasterrennen wie Brügge-De Panne, Flachlandspezialisten standen bei der bergigen Katalonien-Rundfahrt am Start und kämpften täglich ums Zeitlimit. Einige Fahrer starten so auch bei Rennen, obwohl sie nach einer Krankheit noch gar nicht wieder vollständig genesen sind.

___STEADY_PAYWALL___

Schon mehrere Fahrer haben gegenüber radsport-news.com deshalb ihr Leid geklagt. Darum muss die Frage erlaubt sein: Wäre es nicht besser, die Regel komplett zu streichen? Wir haben intern diskutiert.

Christoph Adamietz spricht sich für eine Abschaffung von § 2.2.003 aus:

Die Regel bringt für Fahrer und Teams nur Nachteile und gehört daher abgeschafft. Man kann natürlich verstehen, dass Mannschaften die Strafe umgehen wollen und ihre Aufgebote entsprechend auffüllen. Das geht allerdings meist zulasten der Profis. So werden kranke oder noch nicht vollständig genesene Fahrer an den Start geschickt, die die Einschreibekontrolle passieren, aber dann nach wenigen Kilometern vom Rad steigen. Eine Flugreise für einen Pseudo-Start, die letztlich schlicht verlorene Trainings- oder Erholungstage bedeutet - eine Farce.

Hinzu kommt, dass sich beispielsweise Flachlandsprinter bei Bergrundfahrten über viele Höhenmeter kämpfen müssen und dadurch ihren Formaufbau zerstören - oder Kletterer, die sich bei Kopfsteinpflasterrennen fahrtechnisch schwer tun, sogar einem erhöhten Sturz- und damit Verletzungsrisiko ausgesetzt werden.

Die Regel soll wohl dafür sorgen, dass auch bei Fahrern und Teams unbeliebte WorldTour-Events über eine ansehnliche Startliste verfügen und zumindest auf dem Papier nach hochwertigem Radsport klingen. Für attraktive Startlisten mit Teams in voller Besetzung sollten statt eines Regelwerks, das Bestrafungen androht, vielmehr Belohnungen sorgen. Und diesen positiven Verstärker hat die UCI im Winter geschaffen. Denn da wurde die Punkteskala, die über Auf- und Abstieg entscheidet, vonseiten der UCI angepasst, wodurch der sportliche Stellenwert von WorldTour-Rennen deutlich erhöht wurde.

Dadurch ist die Motivation der Teams bereits gestiegen, nicht nur ihre besten Fahrer zu den größten Wettkämpfen zu schicken, sondern eben auch mit möglichst vollem Aufgebot anzureisen. Mit sieben oder acht - gesunden und für das Rennen geeigneten - Athleten lässt sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein besseres Ergebnis erzielen als mit fünf oder sechs Startern. Mit vollem Kader zu starten, ist also ohnehin im Interesse eines Teams – wenn die Fahrer denn gesund und geeignet sind für das Rennen.

Ohne eine zu erwartende Geldstrafe könnten die Mannschaften aber auch abwägen, ob es sportlich Sinn macht, einen Profi bei einem bestimmten Rennen an den Start zu schicken. Das würde Teams entlasten und sich vor allem positiv auf die Fahrer auswirken.

Felix Mattis hält dagegen und sagt § 2.2.003 sollte bleiben:

Sicher ist es unangenehm für Teams, Strafen zu bezahlen. Allerdings geht es im Radsport eben nicht nur um WorldTeams und deren Fahrer, sondern auch um kleinere Mannschaften, Rennveranstalter und deren jeweilige Sponsoren. Erstdivisionäre haben sich das Privileg des garantierten Startrechts bei WorldTour-Rennen erarbeitet – und das ist auch gut so. Gleichzeitig nehmen sie aber auch kleineren ProTeams, die dieselben Rennen sehr gerne fahren würden, damit Startplätze weg. Ihnen gegenüber ist es nicht fair, wenn große Rennställe dann respektlos mit den so begehrten Tickets umgehen und sie gar nicht richtig nutzen.

Nicht umsonst gibt es WorldTour-Rennen im sehr vollen Kalender, bei denen die WorldTeams nicht starten müssen, um auch menschliche Ressourcen zu schonen. Melden die Teams dort trotzdem und ziehen ihren Startrechts-Joker, sollten sie zu dieser Meldung auch stehen müssen – ganz oder gar nicht. Immerhin haben sie einem ProTeam damit den Zutritt zur großen Bühne für dieses Rennen versperrt.

Und dann sind da eben auch noch die Rennveranstalter: Es sieht einfach nicht gut aus, wenn ein Organisator seinen Sponsoren eine Startliste mit zahlreichen Lücken vorlegen muss. Da fragt sich der Geldgeber schon, ob das Rennen denn wirklich so wichtig ist, wenn es die Teams nicht für nötig halten, die Startplätze auch zu nutzen. Das Beispiel gibt es in der Women's WorldTour immer wieder und schadet dem Ansehen des Frauen-Radsports, denn es sieht nicht professionell aus.

Bei den Frauen gibt es diese Strafe nicht, weil der UCI bewusst ist, dass die Frauenteams durch den zu schnell auf zu viele Renntage gewachsenen WWT-Kalender sonst überfordert wären. Aber dadurch starten immer wieder größere Teams unterbesetzt bei wichtigen Rennen, während kleinere Equipen zu Hause sitzen und gerne gefahren wären. Karl Lima, der Besitzer des kleineren norwegischen Teams Coop – Hitec Products, weist immer wieder darauf hin.

Dass Athleten bei Wettkämpfen eingesetzt werden, die nicht zu ihrem Fahrertyp oder in ihren Trainingsplan beziehungsweise Genesungsprozess nach einer Krankheit passen, ist nicht der Fehler des UCI-Reglements, sondern der Teams selbst. Sie müssen wissen, ob ihnen 5.000 Schweizer Franken oder ein ordentlicher Umgang mit dem eigenen Personal wichtiger sind.

Hinzu kommt, dass viele Teams parallel ja auch Rennen mit gesunden Fahrern besetzen, die nicht zur WorldTour gehören. Den Kader und das Rennprogramm des Teams so zu planen, dass man für das Hauptgeschäft, nämlich die WorldTour-Events, ausreichend aufgestellt ist, ist der Job des Team-Managements.

Weitere Radsportnachrichten

12.05.2024Highlight-Video der 9. Etappe des Giro d´Italia

(rsn) – Olav Kooij (Visma – Lease a Bike) hat auf der 9. Etappe des 107. Giro d’Italia seinen ersten Tagessieg bei einer Grand Tour gefeiert. Der 22-jährige Niederländer entschied nach 214 Kil

12.05.2024Kooj triumphiert in Neapel im Sprint-Krimi vor Milan

(rsn) – Olav Kooij (Visma – Lease a Bike) hat die 9. Etappe des 107. Giro d’Italia im Massensprint gewonnen. Nach 214 Kilometern mit Start in Avezzano und Ziel in Neapel jagte er noch auf den le

12.05.2024Buchmann erneut kurz vorm Ziel abgefangen - diesmal von Poels

(rsn) – Wie schon an der ersten Bergankunft beeindruckte Emanuel Buchmann (Bora – hansgrohe) auch auf der alles entscheidenden 5. Etappe der 45. Tour de Hongrie (2.Pro). Er musste auf den letzten

12.05.2024Vollering stürmt mit 30-km-Solo am letzten Tag ins Gelbe Trikot

(rsn) – Mit einem Solo über gut 30 Kilometer hat Demi Vollering (SD Worx – Protime) am letzten Tag der 3. Itzulia Women (2.WWT) ihrer Teamkollegin Mischa Bredewold das Gelbe Trikot noch abgenomme

12.05.2024Liste der ausgeschiedenen Fahrer / 9. Etappe

(rsn) - 176 Profis aus 22 Teams sind am 4. Mai zum 107. Giro d’Italia (2.UWT) angetreten, darunter auch zwölf Deutsche, vier Österreicher, zwei Schweizer und ein Luxemburger. Hier listen wir a

12.05.2024Sarnowski fehlen 100 Meter zum ersten UCI-Sieg

(rsn) – Tillman Sarnowski (Embrace The World) hat beim GP de la Ville d`Oran (1.2) in Algerien sein erstes UCI-Podium in einem Eliterennen eingefahren. Der 19-Jährige, 2022 Gesamtsieger der U19-

12.05.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morgen

11.05.2024Highlight-Video der 8. Etappe des Giro d´Italia

(rsn) – Die 8. Etappe des 107. Giro d´Italia hätte eine für kletterstarke Ausreißer sein können. Entsprechend groß war der Kampf um die Plätze in der Spitzengruppe zu Beginn und entsprechend

11.05.2024Geschke und Steinhauser beeindrucken in glückloser Gruppe

(rsn) – Zwei Deutsche haben die 8. Etappe des Giro d´Italia quer durchs Apennin in Richtung Bergankunft in Prati di Tivo maßgeblich mitgeprägt: Simon Geschke (Cofidis) und Georg Steinhauser (EF E

11.05.2024Flachetappe in die Hauptstadt der Pizza-Liebhaber

(rsn / ProCycling) – Die Verbindung der Rennorganisatoren RCS mit Neapel scheint in den letzten Jahren besonders eng geworden zu sein. Zum dritten Mal in Folge schlägt der rosa Zirkus seine Zelte i

11.05.2024Teamkollegen überredeten Pogacar, im Apennin auf Sieg zu fahren

(rsn) - Normalerweise sagt im Radsport der Kapitän, wann und wie er auf Sieg fahren will. Das ist sicher auch bei Tadej Pogacar und seinem UAE Team Emirates so. Mit dem Unterschied, dass die Mannscha

11.05.2024Sturz in Spitzengruppe raubte Santic - Wibatech die Siegchance

(rsn) - Bei der Silesian Classic (1.2), einem neuen UCI-Eintagesrennen in Polen, hätte sich das deutsche Team Santic - Wibatech beinahe den Premierensieg gesichert. Nach 160 Kilometern fuhren die be

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Giro d´Italia (2.UWT, ITA)
  • Radrennen Männer

  • Boucles de l´Aulne (1.1, FRA)
  • Boucles de l´Aulne (1.1, FRA)
  • Flèche du Sud (2.2, LUX)
  • Tour d´Algérie (2.2, DZA)