Beide deutschen Teams auf dem WM-Podium

Boels-Dolmans ist in Doha eine Klasse für sich

Von Felix Mattis aus Doha

Foto zu dem Text "Boels-Dolmans ist in Doha eine Klasse für sich"
Die Frauen von Boels-Dolmans holen Gold im WM-Teamzeitfahren. | Foto: Cor Vos

09.10.2016  |  (rsn) - Mit einem Favoritensieg ist der erste Wettkampf der Straßen-Weltmeisterschaften in Doha zu Ende gegangen. Nachdem das niederländische Team Boels-Dolmans sich 2015 in Richmond in den USA noch knapp geschlagen geben musste, beendete es in Katar nun die Siegesserie der Titelverteidigerinnen um Lisa Brennauer, Mieke Kröger und Trixi Worrack und setzte sich souverän um 48 Sekunden durch. Bronze ging an die zweite deutsche Mannschaft, Cervelo-Bigla, um Lisa Klein und Stephanie Pohl.

"Das ist eine tolle Art, die Karriere zu beenden", freute sich Boels-Dolmans' US-amerikanische Stundenweltrekordlerin Evelyn Stevens, die nach drei Siegen mit Specialized-lululemon bereits zum vierten Mal Gold in der Spezialdisziplin gewann und so mit Worrack gleichzog.

Die ist nun zwar nicht mehr alleinige Rekord-Weltmeisterin im kollektiven Kampf gegen die Uhr, konnte sich aber auch über Silber freuen. "Sicher sind wir hergekommen, um zu gewinnen. Aber dieses Jahr hatten wir nicht wirklich gute Teamzeitfahren und ich denke wir können glücklich sein", so die Wahl-Erfurterin.

Auf den ersten Kilometern rund um die Handball-WM-Halle von 2015 in Lusail hatte es sogar so ausgesehen, als könnten die Frauen von Sportdirektor Ronny Lauke den großen Favoriten - Boels-Dolmans gewann in diesem Jahr alle Mannschaftszeitfahren in Europa - wie schon im Vorjahr doch noch einmal ärgern. Nach 13,6 Kilometern lag Canyon-SRAM 9,2 Sekunden vor den Niederländerinnen an der Spitze.

"Das war kein gutes Gefühl und erstmal schon ein 'Oh Oh'", gab Stevens zu. "Aber wir wissen wo unsere Stärken liegen. Das Team hat so eine Tiefe!" Und das zeigte sich auf den verbleibenden 26 Kilometern eindrucksvoll. So lange wie keine andere Mannschaft blieb das Boels-Dolmans-Ensemble mit allen sechs Frauen beisammen und erreichte nach 26,4 Kilometern die zweite Zwischenzeit bereits mit der Bestzeit.

15 Sekunden lagen nun zwischen Boels-Dolmans und Canyon-SRAM auf Rang zwei, das genau wie Cervelo-Bigla (+ 58 Sekunden) zu diesem Zeitpunkt noch zu fünft war. "Es war härter als wir erwarteten, weil es Seiten-Gegenwind gab, während es in den letzten Tagen eher Rückenwind war", sagte Worrack nach dem Rennen über das lange Geradeausstück auf einem Highway geradeaus durch die Wüste in Richtung Doha. Dort konnte Kröger das Tempo irgendwann nicht mehr mitgehen, wie bei Cervelo-Bigla der britische Neuzugang Ciara Horne.

Canyon-SRAM hatte sich zehn Tage lang in Doha auf die Wettkämpfe vorbereitet und dabei jeden einzelnen Tag Rückenwindverhältnisse auf dem Highway vorgefunden, erklärte Lauke. Und auch die Vorhersage am Sonntagmorgen zeigte noch Nordwind. Im Rennen kam es anders, doch auch der Canyon-Teamchef erkannte an, dass es daran nicht lag. Denn die Art und Weise wie Boels-Dolmans seinen Vorsprung auf den letzten 14 Kilometern noch einmal fast verdreifachte ließ ohnehin keine Fragen offen, wer in Doha wohl bei jeglicher Windrichtung Gold geholt hätte.

Im Lager von Cervelo-Bigla war das Strahlen über Bronze noch eine ganze Spur größer als bei Canyon-SRAM über Silber. "Wir sind wirklich glücklich. Natürlich zielt man immer auf den Sieg, aber das wäre für uns etwas viel gewesen. Bei unserer ersten Teamzeitfahr-WM eine Medaille zu holen, damit sind wir wirklich, wirklich happy", freute sich die südafrikanische Mannschaftsführerin Ashleigh Moolman-Pasio und unterstrich: "Wir sind nicht unbedingt ein Team mit den kräftigsten Mädels. Es dann auf einem so harten, flachen Kurs zu schaffen, darauf sind wir wirklich stolz."

Die Frauen von Teamchef Thomas Campana hatten schon bei der ersten Zwischenzeit auf Rang drei gelegen und den Medaillenrang bis ins Ziel verteidigt. Zwar büßten sie auf dem Weg von Lusail nach Doha zwischen Zwischenzeit eins und zwei neben Horne auch fünf Sekunden gegenüber den Viertplatzierten von Rabo-Liv ein und hatten 13,6 Kilometer vor Schluss nur noch ein Polster von zehn Sekunden.

Doch auf den Schlusskilometern auf der künstlichen Insel "The Pearl" wiederholte sich Radsport-Geschichte: Wie schon vor zwei Jahren in Ponferrada kostete ein Sturz Rabo-Liv eine mögliche Medaille. Anouska Koster war auf einer Geraden, offensichtlich von der großen Hitze benebelt, ans rechte Absperrgitter gekommen und stürzte schwer. Aus dem Krankenhaus gab es später Entwarnung: keine Brüche.

Eine sportliche Enttäuschung erlebte Twenty16-Ridebiker um Olympiasiegerin Kristin Armstrong. Das US-Team, das als großer Herausforderer von Boels-Dolmans galt, fand von Beginn an nicht richtig ins Rennen und war schon nach etwas mehr als 15 Kilometern nur noch zu fünft unterwegs. An der ersten Zwischenzeit fehlten bereits 51 Sekunden zur Bestzeit von Canyon-SRAM, und am Ende musste man sich mit Rang fünf (+ 2:46 Minuten) 0,7 Sekunden hinter BePink begnügen - auch weil Armstrong selbst sich auf den Schlussmetern noch auf dem Rad übergab und so einige weitere Sekunden verloren gingen.

Platz sechs ging an das Team Hitec Products (+ 3:23) mit Charlotte Becker vor BTC City Ljubljana (+ 3:43) mit Corinna Lechner. Rabo-Liv belegte schließlich, nachdem durch Kosters Sturz Roxane Knetemann, Anna Van der Breggen und Shara Gillow einige Zeit nur zu dritt unterwegs waren und auf ihre im Gesicht blutende Teamkollegin warteten, mit 6:03 Minuten Rückstand den achten und letzten Platz.

Ergebnis:
1. Boels-Dolmans 48:41,62 Minuten
2. Canyon-SRAM + 0:48,24
3. Cervelo-Bigla + 1:56,47
4. BePink + 2:46,03
5. Twenty16-Ridebiker + 2:46,73
6. Hitec Products + 3:23,52
7. BTC City Ljubljana + 3:43,10
8. Rabo-Liv + 6:03,33

Siegerinterview mit Evelyn Stevens (Englisch):

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