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15.05.2012 | Betritt man heutzutage einen Radladen, so wird man mit großer Wahrscheinlichkeit zahlreiche "Lady-Bikes" finden, ebenso jede Menge frauenspezifisches Zubehör. Das war nicht immer so, und es lag an der männerorientierten Ausrichtung der Bike-Branche in der Vergangenheit. Was genau aber macht Frauen-Räder aus, und was unterscheidet sie von Bikes für Männer?
Dazu haben unsere amerikanischen Kollegen von bicycling.com kürzlich ein Gespräch mit Rachael Lambert geführt. Sie ist Produkt- und Marketing-Managerin der Frauen-Sparte bei Specialized in Kalifornien. Rachael Lambert gibt Einblicke zum Entwicklungsstand heutiger Frauen-Rad–Produkte, und worauf es ankommt, wenn man Räder, Schuhe oder Sättel "frauengerecht" vermarkten will. „Der größte Fortschritt ist, dass wir immer besser verstehen, wie sich Frauen beim Biken wohl fühlen“, sagt Rachael Lambert. Dieser Fortschritt sei ein Ergebnis aus Produktforschung und ausführlichen Gesprächen mit vielen Bikerinnen.
Die Anfänge: „kleiner und rosa“
Vor etwa 15 Jahren machte sich die Fahrrad-Industrie daran, Räder speziell für Frauen zu entwerfen
und zu vermarkten. Vor dieser Zeit mussten Frauen entweder kleine Männer-Bikes an ihre
Bedürfnisse anpassen, oder sie suchten einen Rahmenbauer auf, um eine
maßgefertigte Basis zu bekommen. Schuhe, Helme und
alles sonstige Zubehör war auf die Bedürfnisse von Männern zugeschnitten, denn diese
dominierten den Sport.
Da überrascht auch die Tatsache nicht, dass die ersten Frauen-Produkte an die Qualität der Männer-Produkte meist nicht herankamen. Deswegen wurden die „Kleiner-und-rosa"-Frauen-Produkte der ersten Stunde oft belächelt...
Im Jahr 2003 brachte Specialized mit dem „Allez Dolce“ das erste Rennrad für Frauen auf den Markt. Grundlage der frauengerechten Ausführung war das „Allez“, das von Mario Cipollini mitgestaltet wurde. Rachael Lambert betont, dieses Rad habe mit den heutigen Lady-Bikes recht wenig gemein gehabt, denn in gewisser Weise habe es auch den „Kleiner-und-Rosa-Ansatz“ verfolgt: „Wir wussten, dass wir erst herausfinden mussten, wie wir ein kleineres Bike hinbekommen, ohne auf 650er-Laufräder setzen zu müssen.“
Das kleinste „Allez Dolce“ mit einer Rahmenhöhe von 44 cm hatte dann 700er-Laufräder. Specialized bot nur zwei Modelle an, denn zu dieser Zeit war es bei den großen Herstellern durchaus üblich, für Frauen lediglich ein oder zwei Modelle anzubieten. „Vor zehn Jahren hatte jeder Anbieter ein Lady-Bike im Programm. Das war dann eben das Vorzeige-Modell“, erinnert sich Rachel Lambert.
Unterschiedlichen Bedürfnissen kaum Rechnung getragen
Obwohl manche dieser Räder
durchaus hochwertig gewesen seien, hätten sie den unterschiedlichen Bedürfnissen der
Fahrerinnen nicht Rechnung tragen können, so Lambert weiter: "Schließlich wollen nicht alle Frauen, genauso
wenig wie Männer, nur ein Bike mit den gleichen Fahreigenschaften."
Heute gibt es für Frauen eine beträchtlich größere Auswahl. „Die allermeisten Hersteller sind
der Ansicht, dass sie trotz der unterschiedlichen Anforderungen für alle Kundinnen das
richtige Bike anbieten können,“
sagt Lambert.
Specialized etwa hat mit dem „Ruby“ einen Karbon-Rahmen für lange Ausfahrten im Angebot.
Für den Renn-Einsatz hat der kalifornische Rad-Hersteller heuer mit dem „Amira“ nachgelegt. Basis
ist ein leichter und effizienter Karbon-Rahmen im oberen Segment.
Rachael Lambert betont, es gebe nicht die Anpassung und Einstellung, die auf alle
Frauen anwendbar ist: „Damit habe ich mich in letzter Zeit intensiv auseinander gesetzt. Wenn man von frauenspezifischen Komponenten oder Geometrien spricht, suggeriert
man dem Kunden, es gebe eben eine passende Geometrie oder Ausstattung, die für alle
Frauen stimmig ist. Ich bin überzeugt, dass dies nicht zutrifft.“
Die Entwicklungsgeschichte des Women's-Designs
Als Specialized die ersten Frauen-Produkte entwarf, gingen die Ingenieure vom Design für
Männer aus, und übertrugen dieses auf die vermeintlichen Bedürfnisse von Frauen. Das
Ergebnis waren Bikes wie das „Allez Dolce“, das zwar im Hinblick auf die Rahmengröße
frauengerecht ist, aber das Potential zur Leistungssteigerung nur bedingt ausschöpft.
Heutzutage entwickelt Specialized seine Produkte in zwei Phasen. Zunächst greifen die
Designer auf die im Rahmen der „Ansur-Studie“ erhobenen Daten zu den Körpermaßen von Menschen zurück. Die Produkt-Designer haben damit Zugriff auf Informationen über die durchschnittlichen Köpergrößen.
„Wenn wir
einen neuen Handschuh entwerfen, berücksichtigen wir
allgemeine Variationen in der Größe“, sagt Produkt-Managerin Lambert. Im nächsten Schritt testen Fahrerinnen
das Produkt intensiv in der Praxis. Denn Zahlen als
solche, weiß Rachel Lambert, können einen zwar in eine wissenschaftlich und logisch richtige Bahn
bringen. "Aber nach einem Praxistest kann es dennoch vorkommen, dass Fahrerinnen am
Produkt etwas auszusetzen haben", so Lambert.
Nur das Testverfahren erlaubt es den Entwicklern, die
Produkte so zu modifizieren, dass sie letztlich den tatsächlichen Fahrweisen und Vorlieben
der Bikerinnen gerecht werden.
Nutzung von BG-Fit-Daten
Specialized stützt sich auf einen dritten Baustein, um seinen Produkten
den letzten Schliff zu geben - eine eigene Datenbank,
gespeist mit BG-Fit-Ergebnissen von Händlern, die Frauen-Bikes verkaufen. Besagte
Datenbank enthält die Informationen von tausenden von Bikerinnen, die das BG-Fit-
Anpassungsprogramm durchlaufen haben.
Dadurch kann die Frage besser beantwortet
werden, wie Frauen ihre Bikes tatsächlich einstellen, welche Sattelhöhe oder welche
Lenkerbreite sie wählen.
Wie das funktioniert, erläutert Rachael Lambert an einem Beispiel. Vor kurzem wollte sie
herausfinden, ob Specialized die passende Lenkerbreite an einem Rennrad mit einer
bestimmten Rahmengröße verbaut. Sie sichtete die Informationen
aus dem BG-Fit-Programm, und stellte fest, dass die Händler den verbauten Lenker gegen
einen schmaleren mit 36cm Breite tauschten. „In neun von zehn Fällen wurde auf 36 cm
breite Lenker umgerüstet, also werden wir unsere Spezifikation auch dahingehend ändern“, swagt Lambert.
Abweichend von der bisherigen Vorgehensweise zieht Specialized nun ausschließlich
frauenspezifische Daten zur Entwicklung der Women’s-Serie heran. In einem speziellen Fall,
es ging um die Entwicklung des "Amira", nahm man sich die BG-Fit-Daten von Renn-orientierten Fahrerinnen vor, die von Specialized gesponsert wurden.
Frauen-Sättel und die Komfort-Frage
Zwar beschränken sich die offensichtlichen Abweichungen gegenüber Männer-Bikes auf
Rahmengröße und Rahmengeometrie. Bei einem genaueren Blick erstreckt sich
frauenspezifisches Design genauso auf das Zubehör. Die Kontakt-Punkte zwischen Fahrerin
und Bike, also Sattel, Schuhe und Lenker bzw. Griffe haben einen wesentlichen Einfluss auf
den Komfort.
Vor allem die Sattelwahl entscheidet darüber, ob eine Fahrerin Freude am Bike und dem
Sport hat. Leider war es in der Vergangenheit so, dass Frauen nur sehr wenige
Sättel zur Verfügung standen, weswegen ihre Begeisterung für den Radsport oft so stark litt,
dass viele ihr Hobby nicht weiter ausübten.
Druckzonen-Abbilder wurden bei der Entwicklung des Sattels „Oura Expert“ mit herangezogen
Aufgrund der anatomischen Unterschiede sowie der verschiedenen Sitzpositionen, die
eingenommen werden können, ist das Designen eines Sattels kein leichtes Unterfangen.
Ein und derselbe Sattel kann für die eine Fahrerin bequem sein, für die andere jedoch höchst unkomfortabel. Frauen wie Männer probieren oft zahlreiche Sättel aus, bevor sie einen finden, der sich als angenehmen herausstellt. B
Bei Specialized erstellen die Produktdesigner von Fahrerinnen ein individuelles Druck-Abbild
für die Sattelkontaktzonen. Dabei wird auch untersucht, wie sich der Sattel unter dem Gesäß
einer Fahrerin verhält. Das Erstellen von Druck-Abbildern für die verschiedenen Sättel ist von
unschätzbarem Wert, um exakt festzustellen, wie ein Fahrer sitzt und wie sich die
Sitzposition von Bike zu Bike unterscheidet.
Beim Entwerfen der Women’s-Bikes schenkt Specialized den Kontakt-Punkten zwischen
Fahrerin und Bike ganz besondere Aufmerksamkeit. Rachael Lambert merkt an, es werde
immer mit der Anpassung des Lenkers („Drop“= Lenkerbogen; „Reach“= Reichweite), des
Vorbaus (Länge, Winkel) und der Kurbellänge begonnen.
Und Specialized hält Lieferanten dazu an, frauenspezifische Produkte
zu entwickeln, beispielsweise kürzere Kurbeln. Eine kleinere Fahrerin hat andere
Hebelverhältnisse beim Pedalieren als eine Fahrerin mit längeren Beinen.
„Wir setzen
alles daran, damit wir 165-mm-Kurbeln, wo immer notwendig, verbauen können. Nun können
wir das erste Mal auf 165-mm-SRAM-MTB-Kurbeln zurückgreifen“, so Rachael Lambert.
Selbst feinste Nuancen – etwa 2 bis 5 Millimeter bei der Kurbellänge – können für
Fahrerinnen einen Unterschied für das Fahrgefühl ausmachen.
Die Wahl des richtigen Rennrads
Mit der steigenden Auswahl an Lady-Bikes fällt auch die Wahl des passenden Sportgeräts
zunehmend schwer. Rachel Lambert betont, ein qualifizierter Fachhändler sei die erste
Anlaufstelle. „Am Anfang kommt es darauf an, einen Händler zu finden, der sich Zeit nimmt
und die richtigen Mittel hat, um auf die Bedürfnisse seiner Kundinnen eingehen zu können.“
Natürlich müssen bei der individuellen Anpassung eines Rads Fahrstil und Einsatzbereich berücksichtigt werden. „Ob man dreimal die Woche 200 Kilometer fahren möchte, an einem Triathlon teilnehmen will oder ein Bike für gesellige Ausfahrten sucht – die jeweiligen Räder werden sich fundamental unterscheiden“, sagt Produkt-Managerin Lambert.
Letztlich wurde während der 15jährigen Entwicklungsgeschichte von Produkten für Frauen
die wichtige Erkenntnis gewonnen, dass es kein Bike gibt, das für jede
Frau passt.
Aber dank der Innovationen in der jüngeren Zeit haben Frauen nun eine
große Auswahl, und sie können bei Bedarf auch Männer- und Frauen-Produkte kombinieren,
um das gewünschte Ergebnis zu erzielen. Rachael Lambert: „Ganz gleich ob eine Frau
auf einem „Tarmac“ oder einem „Amira“ unterwegs ist - die Auswahl an sich, die vielfältigen
Optionen, die Frauen heute zur Verfügung stehen, sind ein großer Vorteil. Da findet wirklich jede ihr Rad."
Weitere Informationen
Specialized Europe B.V.
Zeddamseweg 84b
7041 CT´s-Heerenberg
Niederlande
Fon: 0031 314 676 600
Fax: 0031 314 676 676
E-Mail: service@specialized.com
Internet: www.specialized.com
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