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17.03.2017 | Wo die Straße aufhört, Feld- und Waldwege anfangen, und das Rennrad nicht mehr so recht rollt, dort tritt das Gravel-Bike auf den Plan. Was ist besonders an diesem Trend-Rad, und was unterscheidet es vom klassischen Renner? Der pressedienst-fahrrad gibt einen Überblick.
[pd-f/ lk] Der Radsport erlebt derzeit eine Befreiung – von der Bindung an den Asphalt. Mit den neuen Gravel Bikes können Rennradler neue Gebiete erfahren, ohne dabei auf Sport verzichten zu müssen.
Möglich machen das breitere Reifen,
wie sie die sogenannten „Gravel“- oder „Allroad“-Bikes mitbringen. Sie verringern die Pannengefahr, die mit schmalen Rennrad-Reifen abseits der Straßen immer droht. Da breite Reifen zudem mit weniger Luftdruck gefahren werden können, und so eine größere Auflagefläche bieten, wird auch die Traktion auf loserem Untergrund erhöht.
Entgegen verbreiteter Vorstellungen bleibt das sportlich-flotte Vorankommen erhalten, denn baugleiche Reifen rollen besser, je breiter sie sind. Das haben diverse wissenschaftliche Untersuchungen ergeben.
All das macht Gravel Bikes zum „Rennrad für mehr“,
weshalb der Trend auch „Road plus“ genannt wird.
„Ein weiterer wichtiger Aspekt sind die vom Mountainbike übernommen Scheibenbremsen, die mittlerweile auch in der typischen Rennrad-Bremsgriff-Form erhältlich sind,“ erklärt Tobias Erhard vom Hersteller Sram, der hydraulische Scheibenbremsen mit mechanischer Schaltung (z. B. „Red HRD“) oder elektronischer Funkschaltung („Red eTap HRD“) anbietet.
Die Entwicklung der Scheibenbremsen wurde dadurch begünstigt, dass der internationale Radsportverband UCI 2010 die Erlaubnis gab, Cyclocross- (Querfeldein-) Räder mit Scheibenbremsen in Wettkämpfen zu verwenden. Daraufhin folgten bald die ersten Rennräder mit Scheibenbremsen.
Da die Bremsen direkt an der Radnabe wirken,
konnte man auf die bei Rennrädern üblichen Felgenbremszangen verzichten, welche die Felgen- und Reifenbreite begrenzten.
„Durch diesen Transfer werden die klassischen, Fahrrad-Kategorien aufgeweicht, und der Fahrspaß des Rennrads in unwegsameres Gelände übertragen“, sagt Stefan Scheitz von Sport Import.
„Nun haben auch Straßenradsportler die Möglichkeit zu Touren im heimischen Wald“, so Scheitz weiter: „Eine entscheidende Rolle beim Trend Gravel-Bike spielen zudem Entwicklungen wie der Tubeless-Reifen“, erläutert Peter Krischio vom Reifenhersteller Schwalbe: „Wie beim Auto wird hier auf den Innenschlauch verzichtet. So rollt der Reifen leichter, und kleineren Einstichen wirkt eine Dichtmilch entgegen, die man in den Reifen füllt.“
Ein Beispiel für eine Gravel-Reifen ist der nur leicht profilierte,
 35 Millimeter breite „G-One Allround“ (ab 38,90 Euro, in den Breiten 35 und 40 Millimeter bei 28 Zoll, sowie 40 und 70 Millimeter in 27,5 Zoll).
Wer Fach-Medien liest, kennt wahrscheinlich den Begriff „Endurance“-Rennrad, das in weiten Teilen ein Vorläufer des Gravel-Bikes ist. „Tatsächlich gibt es da Überschneidungen, denn das Endurance-Bike ist ein Rennrad mit dezent breiteren Reifen für komfortableres Fahren“, beschreibt Heiko Böhle vom US-Hersteller Felt.
So haben Endurance-Räder oft eine entspanntere Sitzposition
als klassische Renner, also kürzere Rahmen und höhere Lenker – wie etwa bei Felts neuer „VR“-Serie (ab 999 Euro). Gravel-Racer ermöglichen die Aufnahme von noch breiteren Reifen, und können durchaus auch sehr sportliche Sitzpositionen haben, je nach Einsatzbereich.
Zwischen den einzelnen Gattungen der Räder mit Rennlenker verwischen die Grenzen zusehends. Bisweilen erinnern Gravel-Bikes fürs Gröbere auch schon mal an ungefederte Mountainbikes (Gattung „Cross-Country“), oder ein Randonneur in vollem Gepäck an ein Reiserad. Mitunter überschneiden sich auch Reifenbreite, –profil und Schaltung, der spielerischen Entwicklungslust sind kaum noch Grenzen gesetzt. Klares Unterscheidungsmerkmal ist aber immer die Lenkerform.
Im Grunde ist die Idee, breitere Reifen mit weniger Druck
zu fahren, keine Innovation. Bereits in den Anfängen des Radsports wurden breitere Reifen verwendet, was angesichts damaliger Straßenbeläge auch nötig war. „Dies änderte sich erst in den 1980er-Jahren mit dem Ansatz, durch schmalere, prallere Reifen eine höhere Geschwindigkeit zu erzielen“, erläutert Marijke van Dijk vom niederländischen Sportrad-Hersteller Koga.
Ganz im Zeichen der Zeit steht Kogas Modell „Colmaro“, das mit bis zu 35 Millimeter breiten Reifen gefahren werden kann, oder mit 30-Millimeter-Reifen und eigenen Schutzblechen.
Die Renaissance breiterer Reifen wurde vor allem
von Maßrahmen-Bauern und Kleinserien-Herstellern vorangetrieben. Auch unter Reiseradlern findet sich schon immer ein Klientel, das wegen der vielen Griffpositionen lieber mit Rennlenkern unterwegs ist. Hier setzt zum Beispiel Hersteller Velotraum mit seinem Fahrrad-Konzept „Speedster“ an, das mit 26- und 27,5-Zoll-Bereifung unterschiedlicher Breite ausgestattet werden kann.
Erst als die Gravel-Räder eine stärkere öffentliche Aufmerksamkeit erhielten, wurde mehr Radsportlern klar, dass hier nur wenig von der Fahrdynamik des Rennrads verloren geht, und der Gewinn durch ein größeres Nutzungs-Spektrum deutlich überwiegt. Als Folge stiegen auch größere Firmen in die Produktion mit ein.
„Die Vielfalt momentan angebotener Road-plus- und Rennräder,
die einfach mehr können, schließt auch Varianten mit Gepäckträger und Nabendynamo-Lichtanlagen ein. So werden Gravel-Bikes auch oft als Alltags- oder Pendler-Räder und nicht mehr ausschließlich als Sportgerät genutzt“, erklärt Christian Malik von Haibike aus Schweinfurt.
Darum verfügt Haibikes neues Gravel-Rad „Seet Alltrack“ in beiden Ausstattungsversionen (899 bzw. 1299 Euro) über die entsprechenden Gewinde für Schutzbleche und Gepäck vorn und hinten.
Doch Neuheiten fassen auf dem oft eher skeptischen
deutschen Markt schwerer Fuß. „Der amerikanische Markt ist da offener. Dort achten Radsportler stärker auf den Lust-Nutzen, und heißen neue Trends schneller willkommen“, beschreibt der Rennrad-Journalist Caspar Gebel. Für ihn ist nur eine Frage der Zeit, bis sich das Gravel-Bike auch in Deutschland durchsetzt.
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