Sebastian Lang beim Giro 2011 mit langem Solo

240 Kilometer Einsamkeit für das Bergtrikot

Von Christoph Adamietz

Foto zu dem Text "240 Kilometer Einsamkeit für das Bergtrikot"
Sebastian Lang fuhr beim Giro 2011 mit einem beeindruckendem Solo ins Bergtrikot. | Foto: Cor Vos

10.05.2020  |  (rsn) – Die ersten Etappen einer GrandTour sind oft topographisch wenig herausfordernd, die Berge nicht sonderlich lang oder steil. Entsprechend groß ist die Zahl an Fahrern, die es auf das Bergtrikot abgesehen haben. Nicht so bei der Austragung 2011, als sich Sebastian Lang (Omega Pharma - Lotto) das Grüne Trikot des besten Kletterers auf der 2. Etappe praktisch kampflos holte.

“Auf dieser Etappe wollten wir in einer Spitzengruppe vertreten sein. Ich war bis unter die Haarspitzen motiviert und habe die Startattacke gesetzt, Und plötzlich war ich vorne raus, ohne Mitstreiter. Warum das so schnell ging und warum an diesem Tag vor allem die Italiener im Feld keine Ambitionen hegten, das wundert mich noch heute“, erklärte Lang im Rückblick gegenüber radsport-news.com.

Der Erfurter überlegte zunächst sogar, seine Solofahrt abzubrechen. Bei einem Vorsprung von 1:20 Minuten hielt Lang für eine Pinkelpause an und wollte sich vom Feld einholen lassen. “Aber das Teamfahrzeug war schon auf dem Vormarsch. Über Funk kam dann die Ansage: Fahr weiter und hol dir die Bergpunkte“, so Lang, der den Anweisungen folgte: “Ich strampelte weiter und machte mein Einzelzeitfahren.“

Eine Spazierfahrt wurde das 244 Kilometer lange Teilstück von Alba nach Parma für den damals 31-Jährigen nicht. Allein gegen die Sprinterteams, die den Deutschen unbedingt wieder stellen wollten, um ihren schnellen Männern das Terrain zu bereiten, war es ein Kampf gegen Windmühlen. Aber Langs Ziel lag auch nicht in Parma, sondern “schon“ beim Kilometer 210, wo die einzige Bergwertung des Tages abgenommen wurde.

“Durch den Kopf ging mir viel, vor allem fragte ich mich: Was machst du hier? Die Einsamkeit war echt ätzend. Gegen das Fahrerfeld zu fahren, war dann 40 Kilometer vor der Bergwertung echt hart“, erinnerte sich Lang, dessen Vorsprung immer mehr zusammenschmolz, je näher die Bergwertung rückte.

“Der Schmerz den Anstieg hoch, das war pervers. Als ich mit Krampfansätzen die Bergwertung passierte, war ich megaglücklich“, so der damalige Lotto-Profi, für den die Wertungsabnahme keinen Meter zu früh kam. Denn unmittelbar danach das Peloton direkt am Deutschen vorbei und “an einer kleinen Gegenwelle wurde ich durchgereicht und war wieder allein. Das war schlimmer als die extrem lange Flucht, weil die Beine einfach leer waren. Das Wissen um das Bergtrikot hat mich die letzten Kilometer dann aber auch noch mal ordentlich gepusht“, meinte Lang, der schließlich zwei Minuten hinter Etappensieger Alessandro Petacchi das Ziel erreichte und bei der Siegerehrung den verdienten Lohn erhielt.

Aufgrund der Strapazen war Lang auch vor der folgenden Etappe skeptisch. “Ich dachte anfangs auch: oh je. Aber der Tag war für die Beine gar nicht so schlimm. Es ging eigentlich ganz gut. `Die deutsche Dampflock`, nannten sie mich. Eben wegen dieser Rennhärte“, so Lang, der sich zwar die Verteidigung des Bergtrikots als Ziel gesetzt hatte. Allerdings wusste er, dass es “eher unwahrscheinlich“ sein würde, das Maglia Verde, das im Jahr darauf durch das azurblaue Trikot ersetzt wurde, zu behaupten. “Dafür genoss ich die Stunden vor dem Start im Village. Herrlich war das“, so Lang mit einem Lächeln.

Auch bei der Tour de France trug Lang das Bergtrikot, und zwar bei der Ausgabe 2008 und da sogar drei Tage lang. Trotz aller Erfolge - wie dem Titelgewinn bei den Deutschen Zeitfahrmeisterschaften 2006 oder dem Gesamtsieg bei der Drei-Länder-Tour im selben Jahr - gab Lang zu, sein Potenzial nicht vollständig abgerufen zu haben. “Ich war immer der Bolzer, kein Typ für Taktik. Kritisch gesehen hätte ich mit dem Motor und mehr Ego auch mehr erreichen können“, so Lang, der aber nichts bereut. “Ich finde aber auch heute noch, dass meine Art zu fahren wichtig ist. Solche Typen bereichern das Renngeschehen. Lieber vorne raus als hinten abwarten“, fügte er an.

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